# taz.de -- Premiere „Der Spielmacher“: Bekloppte Narrative | |
> Das Hebbel-Theater bringt ab Freitag ein leistungsorientiertes | |
> Theater-Hybrid aus Fußball und Musical auf die Bühne. | |
Bild: Der Spielmacher – Ein Fussical von Maurice Summen und Patrick Wengenroth | |
Es sind zwar nur noch gut zwei Wochen bis zur Premiere, doch im Proberaum | |
des HAU am Tempelhofer Ufer bastelt man noch entspannt am Script. „Der | |
Spielmacher – Ein Fussical“ heißt das Musical, für das sich Maurice Summe… | |
Musiker und Betreiber des wohl interessantesten Berliner Labels | |
[1][Staatsakt] mit Theaterregisseur Patrick Wengenroth, bekannt unter | |
anderem durch seine Arbeiten an der Schaubühne (diese Zeitung nannte ihn | |
einmal „die Fortbildungsmaßnahme des deutschen Theaterbetriebs“) | |
zusammengetan hat. | |
Gerade feilen er und die Schauspieler an dem Dialog, mit dem eine | |
scientologenhafte Therapeutin einer Fußballmannschaft – die vor keiner | |
Manipulation zurückschreckt –den amourös verwirrten Spielmacher wieder in | |
die Spur bringen will und. Schließlich steht einiges auf dem Spiel für den | |
imaginären Verein Bussard Berlin. Der Drittligist hat es unerwartet ins | |
Viertelfinale des DFB-Pokals geschafft. | |
Ein reicher Scheich will nun den ganzen Club kaufen, zu Bedingungen, die es | |
so zuvor nicht gab: Alle Spieler und ihre Entourage sollen nach Abu Dhabi | |
umziehen und in der dortigen Liga spielen. Als Belohnung winkt ein Leben im | |
Luxus. | |
Ohne den Spielmacher allerdings (gespielt von Eva Löbau) wird nichts aus | |
dem Deal. Und der hat andere Pläne. Er ist nämlich verliebt in seinen | |
dauerverletzten Mitspieler (besetzt mit Ja, Panik-Frontmann Andreas | |
Spechtl) und froh, dass sein Vertrag bald ausläuft und das Doppelleben dann | |
endlich vorbei ist. | |
Es wird einiges verhandelt in diesem „Fussical“: Die Sehnsucht nach dem | |
Event zum Beispiel. Oder wie junge Sportler plötzlich role models sein | |
wollen. Und natürlich die Homophobie im Profifußball. Wengenroth freut sich | |
in diesem Zusammenhang über den Genderdreh, dass der Spielmacher ebenso wie | |
seine Spielerfrau von Frauen gespielt werden und ausgerechnet durch des | |
Spielmachers schwules „love interest“ zumindest optisch „eine | |
heteronormative Normalität“ wiederhergestellt wird. | |
Zudem ist Erfolgsdruck ein Thema und die Frage, was Erfolg („dieses | |
diffuses Gebilde, noch diffuser als Glück“, so Wengenroth) überhaupt ist. | |
„Erfolg ist der Moment, an dem die Krise gerade mal ausgeschaltet ist“, | |
bringt Summen es grinsend auf den Punkt. | |
Ein Burnout, wie Leistungsträger ihre Depressionen gern nennen, lässt sich | |
jedenfalls auch nicht dadurch vertreiben, dass man den Körper in Topform | |
bringt, wie traurige Fälle aus der wahren Fußballwelt belegen. Wengenroth | |
zitiert in diesem Zusammenhang Bertolt Brecht: „Der große Sport fängt da | |
an, wo er längst aufgehört hat, gesund zu sein.“ | |
Zur Hälfte ist das Musical mit Schauspielern besetzt (Vivien Mahler etwa | |
gibt den Vereinspräsidenten und Verena Unbehaun den eingangs erwähnten | |
Psychoguru) – die andere Hälfte besteht aus Berliner Musikern, die nicht | |
nur als Liveband auftreten werden, sondern auch Rollen spielen. Neben den | |
Mitgliedern von Maurice Summens Band Die Türen sind etwa Jens Friebe als | |
Halbzeitexperte und Christiane Rösinger als Platzwart dabei. | |
Während der große Cast im WAU Mittagspause macht, erklären Wengenroth und | |
Summen, worum es beim „Spielmacher“ gehen soll. Ein zentrales Thema ist für | |
sie: Ist der Star die Mannschaft oder die Mannschaft der Star? Das | |
Spannungsfeld zwischen Ego und Kollektiv also, und das inflationäre Gerede | |
von der Mannschaft, das sich unter anderem in Angela Merkels | |
Neujahrsansprache 2014 wiederfand. Die Kanzlerin baute aus einem Sieg bei | |
einer Fußball-WM ein Narrativ, dass der ganzen Gesellschaft als Vorbild | |
dienen sollte. | |
„Fußball als Realitätsmodell“ nannte Klaus Theweleit derartige Analogien … | |
seiner autobiografisch verankerten Abhandlung „Tor zur Welt“. Als ein | |
Beispiel für eine „Schwamm- und Schwarmintelligenzveranstaltung“ bezeichnet | |
Wengenroth, was die „Spielmacher“-Truppe aus diesem Material macht. | |
In dem Stück wird munter aus der Medienwelt und unserem dadurch gefilterten | |
Alltag zitiert. Die Selbsterkenntnisliteratur des Esoterik-Superstars | |
Eckhard Tolle ist ebenso ins Script eingeflossen wie Fußballer-Biografien. | |
Auch mit der Causa Uli Hoeneß hat man sich noch einmal befasst. Und der | |
Mannschaftsarzt ist selbstverständlich zugleich Dopingarzt. Sein fiktives | |
Medikament heißt Pervertin, nur zwei Buchstaben entfernt vom Pervitin, dem | |
Amphetamin, mit dem die Nazis sich und ihre Armee seinerzeit bei | |
Kampfeslaune hielten. | |
Einmalig in der Theaterwelt ist, dass zur Premiere des Stück ein Soundtrack | |
erscheinen wird. „Korruption ist mein Verein“, singen da etwa Die Türen, | |
Jens Friebe stimmt den „Chor der Spielerfrauen“ an, und Christiane Rösinger | |
markiert mit „Mein Platz“, einer charmant scheppernden | |
Sido-Mein-Block-Persiflage ihr Terrain. | |
Geschrieben wurden die Songs bereits letztes Jahr, mit relativ engen | |
inhaltlichen Vorgaben. Für Wengenroth erwies sich das praktisch, denn | |
„viele Fragen waren noch unbeantwortet, als die Songs geschrieben wurden. | |
Doch die Songs haben geholfen, sehr viele Fragen zu beantworten.“ Das | |
Fussical allerdings stellt eher Fragen, als sie zu beantworten – und was | |
bei der Probe rüberkam, lässt hoffen, dass viel Humor drinsteckt, dass das | |
Stück kein trockener Diskurs auf Metaebene bleibt. | |
Die beiden Macher wissen um die Beklopptheit von Fußballnarrativen und sind | |
trotzdem Fans, manchmal zumindest. Summen hat dazu noch eine hübsche | |
Anekdote, die vielleicht besser als jede Theorie vermittelt, wie dieser | |
moderne Tribalismus funktioniert: „Wo ich aufgewachsen bin, lebte ein | |
Wolfgang. Der hat jedem eine reingehauen, der nicht für Borussia | |
Mönchengladbach war. Ich bin heute noch Fan. Es hat also hat gewirkt.“ | |
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
23 Jun 2016 | |
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## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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