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# taz.de -- Pleite eines Vorzeigeprojekts: Die überforderte Selbsthilfe
> Vor Gericht wird der Untergang der Drogen-Therapieeinrichtung Elrond
> aufgearbeitet. Die letzte Chefin kommt mit einer Geldstrafe davon.
Bild: Nur dieser Elrond hier ist wirklich unsterblich
BREMEN taz | Die gute Sache endete in Misswirtschaft, einer Pleite und 1,9
Millionen Euro Schulden. Seit 2011 ist der Nordbremer Drogenhilfeverein
Elrond deshalb Geschichte. In der zuvor allseits gelobten
Therapieeinrichtung halfen sich Ex-Junkies selbst. Zumindest die Chefin
Cathrin E.-S. aber war damit „vollkommen überfordert“, wie sie heute selbst
sagt. Am Montag musste sie sich dafür vor dem Amtsgericht verantworten –
wegen Veruntreuung von Sozialabgaben, Bankrott und Insolvenzverschleppung.
Am Ende kam sie glimpflich davon: Der Untergang von Elrond kostet die
48-Jährige 6.600 Euro.
Die Geschäftsführerin, eine gelernte Raumausstatterin mit
Hauptschulabschluss, hat 1997 selbst mal Therapie bei Elrond gemacht. Und
blieb. „Hilfe statt Strafe“ war das Konzept des Vereins. Wer hierher kam,
musste nicht in den Knast, aber mithelfen. Fördergelder bekam Elrond keine
– ihr Geld verdiente die Drogenhilfe mit einer eigenen Umzugs- und
Entrümpelungsfirma. Und die lief lange Jahre gut, wird der
Insolvenzverwalter später feststellen: Noch 2009 machte die GmbH rund
150.000 Euro Gewinn. Zwei Jahre später meldete sie, schon viel zu spät,
Insolvenz an.
Seit 2007 war Cathrin E.-S. Geschäftsführerin dieser Firma, dazu
Vorsitzende des dazugehörigen Vereins. Sie hatte den Job damals von ihrem
Mann übernommen, dem Gründer von Elrond. „Nach seinem Tod stand ich
ziemlich alleine da“, sagt sie heute. Irgendwann sei die Buchhaltung „dann
ins Schwimmen geraten“. Amtsrichter Hans Ahlers nennt diese eine
„Loseblattsammlung“. Und dass ihrer Firma die Lizenz – also die
Geschäftsgrundlage – entzogen wurde, fiel Cathrin E.-S. auch erst mal nicht
auf. „Ich habe mich nicht richtig gekümmert“, sagt sie vor Gericht.
Alle hätten sie gesagt: „Cathrin, mach mal!“ Aber die wusste gar nicht, was
eigentlich. Und so wurden auch zu wenig Sozialversicherungsbeiträge
gezahlt, 4.700 Euro kamen da laut Anklageschrift zusammen. Das
Geschäftskonto war irgendwann leer, die Firma knietief im Dispo. Zwar half
die örtliche Sparkasse kurz vor dem Ende noch mit 60.000 Euro aus, doch die
waren schnell wieder aufgebraucht. Warum sie trotzdem keine Insolvenz
angemeldet hat? „Ich habe gehofft, dass es irgendwie weiter geht“, sagt
E.-S. Aus dem Publikum, wo ein paar ehemalige Klienten von Elrond sitzen,
erntet sie dafür höhnisches Gelächter.
## „Das ist stumpf gelogen“
Irgendwann sei dann auch noch ihr damaliger Lebensgefährte rückfällig
geworden, sagt die Angeklagte. Und sie, fragt Richter Ahlers? „Ich nicht“,
sagt sie. „Das ist stumpf gelogen“, hallt es aus dem Publikum. Zwar sah
auch der Insolvenzverwalter „bedeutende Indizien“, dass die
Geschäftsführerin mit Elrond-Geldern ihren privaten Drogenkonsum finanziert
habe. Die Staatsanwaltschaft hat entsprechende Ermittlungen aber
eingestellt.
„Die gute Frau hat sehr viel Geld eingesteckt“, sagt einer der ehemaligen
Klienten, als Zeuge befragt. Bei Elrond sei „sehr viel mehr Geld
reingekommen“, als für die Therapie ausgegeben wurde. Cathrin E.-S. habe
dieses Geld „verballert“ – und im übrigen ein „krasses erpresserisches
System“ geführt, in dem Menschen unter „unwürdigen Bedingungen“ hätten
leben müssen. Das Gericht geht darauf nicht weiter ein.
## Ein sinkendes Schiff übernommen
Die Angeklagte habe schon 2007 ein sinkendes Schiff übernommen, sagt ihr
Verteidiger. Elrond sei „bilanziell überschuldet“ gewesen, sagt auch der
Richter. Gleich drei Immobilien gehörten der Therapieeinrichtung, darunter
ein ehemaliges Gutshaus in Ritterhude, das 2000 für 358.000 Euro gekauft
und für eine ähnlich hohe Summe renoviert wurde. Gleichwohl sei Elrond
lange Zeit „ein Vorzeigeprojekt“ gewesen, so der Verteidiger, mit
Bürgermeister Jens Böhrnsen „als Schutzherr“. Aber man müsse, räumt ihr
Anwalt ein, Cathrin E.-S. vorwerfen, dass sie „nicht rechtzeitig die
Reißleine gezogen habe“. Und der Sparkasse, dass sie Elrond nicht
wenigstens ordentlich beraten habe.
Selbst der Staatsanwalt plädiert am Ende nur auf eine elfmonatige
Bewährungsstrafe, obwohl Cathrin E.-S. ein langes Vorstrafenregister hat –
wegen Drogendelikten, aber auch wegen Betrugs, Untreue oder Unterschlagung,
unter anderem. Der Amtsrichter rechnet schließlich 330 Tagessätze Strafe
zusammen, zu je 20 Euro.
20 Jun 2016
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Selbsthilfe
Drogen
Therapie
Insolvenzverschleppung
Pleite
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