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# taz.de -- Erster Tag der Fastenzeit Ramadan: Zwischen Askese und Party
> Für Muslime beginnt der Ramadan. Die Fastenzeit fällt diesmal auf die
> hellste Zeit des Jahres. Der Fastentag wird damit besonders lang.
Bild: Nicht zuviel auf einmal essen: Chinesische Muslime im Ramadan beim abendl…
BERLIN taz | In der Flüchtlingsunterkunft im Alten Rathaus Wilmersdorf in
Berlin hat man sich gut vorbereitet: Extraschichten an Freiwilligen
eingeworben, die Logistik durchgerechnet. 750 Essenspakete müssen hier seit
Montag jeden Tag gepackt werden, mit Obst und Sandwiches, die am Abend mit
einem warmen Essen ausgegeben werden. Die Pakete bleiben in der Nacht
ungeöffnet und dienen dann um zwei Uhr als Frühstück, das um halb drei Uhr
in der Früh beendet sein muss. Danach fängt der Fastentag wieder an.
„Es ist ein Mehraufwand“, sagt Philipp Bertram, leitender Mitarbeiter der
Einrichtung, „aber die meisten wollen mitmachen.“ 750 von 1150
BewohnerInnen haben sich angemeldet zum Ramadan-Fasten.
Montag, am 6.Juni, hat die Fastenzeit Ramadan begonnen. Sie dauert bis 5.
Juli. Fasten ist laut dem Koran für alle erwachsenen Muslime Pflicht, aber
es gibt im Koran Ausnahmen für Kranke, Schwandere, Schwerarbeitende und
Reisende. Der Koran erlaubt, Fastentage auch zu einem späteren Zeitpunkt
nachzuholen oder zum Ausgleich Bedürftige für einen Tag mit Essen zu
versorgen.
Der Fastenmonat fällt in diesem Jahr auf die hellste Zeit des Jahres. Was
zur Folge hat, dass die Zeit von Morgendämmerung bis Dunkelheit bis zu 20
Stunden betragen kann. 20 Stunden, in denen ein gläubiger Muslim oder eine
Muslima nichts essen und trinken darf. Das ist lang. Nur in der Dunkelheit,
vom späteren Abend bis um halb drei Uhr am frühen Morgen ist es erlaubt,
den Magen zu füllen. Es bleiben also zwei Mahlzeiten am Tag.
## Am besten abends Mischkost
Dabei gibt es gesunde und weniger gesunde Methoden, den Fastenmonat
durchzustehen. Die Mahlzeiten am Abend beginnt man meist mit Wasser und
Datteln. Danach sei es am besten, wenn man etwas Leichtes esse, „gesunde
Mischkost mit Salat und Gemüse“, sagt Mahmoud Sultan, Internist und
Diabetes-Experte in Berlin-Kreuzberg. Wer am Abend die gleiche, leichte
Nahrungsmenge zu sich nehme wie am frühen Morgen und vor allem viel trinke,
lebe am gesündesten.
Manchmal seien die Leute am Abend so durstig, dass sie sich auf die
Getränke stürzten und dann keinen großen Hunger mehr verspürten, erzählt
der Internist. Viele Muslime allerdings brechen das Fasten am Abend mit
einem mehrgängigen, geselligen Mahl. Erst gibt es Wasser, Datteln, dann
Suppe, Brot, dann Fleisch mit Beilagen und noch ein süßes Dessert zum
Schluss.
Die Völlerei am Abend macht sich auf der Waage bemerkbar. Fast ein Viertel
der Fastenden lege im Ramadan an Gewicht zu, erzählt Sultan. Bei einem
Viertel bleibe das Gewicht gleich. Immerhin: die Hälfte der Fastenden nimmt
im Ramadan ab.
## Gebetsraum in der Firma
Diabetikern rät er ab vom Fasten, sagt der Internist, „aber viele Patienten
wollen trotzdem fasten.“ Manche Diabetiker beschließen, ihrem Arzt lieber
nichts davon zu erzählen. Sultan ist für Offenheit. Wenn ein Patient darauf
bestehe, sich am Ramadan zu beteiligen, begleite er ihn, berichtet der
Internist. Dann werden gegebenenfalls die Medikamente anders dosiert.
Das Fasten von gläubigen Muslimen, die Diabetiker sind, weltweit immerhin
rund 50 Millionen Menschen, ist ein globales Gesundheitsproblem. Denn
Diabetiker müssten eigentlich mehrere kleinere Mahlzeiten über den Tag
verteilt zu sich nehmen und nicht nur wenige große Nahrungsmengen in der
Nacht.
Gesundheitsfragen im Ramadan beschäftigen auch die Arbeitgeber. Bei BMW in
München haben die muslimischen Mitarbeiter einen eigenen Gebetsraum, in den
sie sich während der Pausenzeiten zurückziehen können, um zu beten,
berichtet ein Unternehmenssprecher. Der Koran schreibt Gebete zu bestimmten
Zeiten am Tage vor. Besondere Pausen gebe es dafür aber nicht, so der
Sprecher. Die Mitarbeiter könnten auch Schichten untereinander tauschen, so
dass Arbeit und Freizeit besser zu den Essenszeiten passten. Bisher habe
man in der Fastenzeit keine Ausfälle der Mitarbeiter an den
Fertigungsstraßen festgestellt.
Ramadan ist nicht zuletzt ein geselliges Ereignis. Das hängt aber auch an
der Lebenssituation. Ibraheem und Ahmed sind beide aus Syrien und wohnen in
der Unterkunft im Flughafen Tempelhof in Berlin. Dort passt man sich in der
Versorgung dem Fastenmonat an. „Wir fasten beide“, erzählt Ahmed, „in der
ersten Nacht gab es Frühstück schon um ein Uhr früh. Zwei Scheiben Brot,
Marmelade mit Butter.“ Aber ein „schöner Ort“ für Ramadan sei Tempelhof
nicht. Es fehlten die Familie, die Freunde, selbst kochen darf man in der
Unterkunft auch nicht. „Die Stimmung ist nicht viel anders als sonst“.
(Mitarbeit: Volkan Agar)
6 Jun 2016
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Ramadan
Fastenzeit
Islam
Religion
Ramadan
Muslime
Ramadan
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