# taz.de -- DFB-Finale Bayern gegen Dortmund: Menschwerdung eines Fußballheili… | |
> Der FC Bayern hat Borussia im Elfmeterschießen niedergerungen. Dann wurde | |
> es emotional – mit Glitzer, Trainertränen und Heiligenverehrung. | |
Bild: Hatte sich für einen Moment mit allen versöhnt: der große Pep | |
BERLIN taz | Als der goldene Glitzerregen fiel und der Bombastkitsch im | |
Berliner Olympiastadion auf den Höhepunkt zusteuerte, da wurde es | |
supersupersuper-emotional. Ja, tatsächlich, Josep Guardiola i Sala aus | |
Santpedor – beziehungsweise aus Sant Pep de Oro – weinte. | |
Es war wohl kein Blut, das aus seinen Lidern rann, jedenfalls hatte es den | |
Anschein, sondern gewöhnliches Wasser, aber die Effizienzmaschine aus | |
Katalonien zeigte sich überwältigt von diesem Finale. | |
Der große Pep heulte, und die Kameras und die Menschen konnten sich gar | |
nicht sattsehen an der Menschwerdung eines Fußballheiligen, der sodann | |
seine Spieler mit innigen Umarmungen segnete und den Fans in den roten | |
Gewändern Zeichen des Wohlwollens und des Dankes zukommen ließ. | |
Die auch vom Sieg über die Gelben berauschten Bayern-Spieler hoben den | |
spanischen Übertrainer in die Höhe wie eine Reliquie, deren Blutwunder zu | |
bestaunen war, warfen ihn in die Luft und ließen ihn so sanft zu Boden, als | |
betteten sie einen Engel in eine Kumuluswolke. | |
Auf den letzten Drücker, und vielleicht auch nur für diesen kurzen Moment, | |
hatte Guardiola sich mit allen versöhnt, mit dieser komischen deutschen | |
Liga, mit diesem schwierigen FC Bayern, mit diesem hyperkritischen Umfeld. | |
Und eventuell sogar mit dem Maulwurf, mit el topo de baviera. | |
## Kompromissloser Dominanzfußball | |
Der FC Bayern München hatte im DFB-Pokalfinale Borussia Dortmund im | |
Elfmeterschießen niedergerungen. Nach der regulären Spielzeit hatte es 0:0 | |
gestanden, ebenso nach 120 Minuten. Im Shoot-out vergurgten die Dortmunder | |
Innenverteidiger Sokratis Papastathopoulos und Sven Bender. Auf Seiten der | |
Münchner versagte nur der Neu-Nationalspieler Joshua Kimmich. | |
Es war eine fußballerische Abnutzungsschlacht, in die der Dortmunder | |
Trainer Thomas Tuchel seine antibajuwarischen Spezialtruppen geschickt | |
hatte. Hinten ließ er fünf Abwehrspieler in einer Reihe aufmarschieren, um | |
die Angriffe der Bayern über die Flügel zu hemmen. Davor hatte er einen | |
Dreimannriegel aufgebaut, mit Julian Weigl in der zentralen Position. Und | |
vorn rannten sich die Angreifer Marco Reuss und Pierre-Emerick Aubameyang | |
einen Wolf. Mitunter wurden besonders gefährliche Fachkräfte von den Gelben | |
in Manndeckung genommen. | |
Die Bayern rannten indes nimmermüde an gegen dieses Bollwerk, vertrauten | |
auf ihre überragenden fußballerischen Fähigkeiten und ihre Idee vom | |
kompromisslosen Dominanzfußball – ein Konzept, das ihnen der große Pep in | |
die DNS implantiert hat. Sie können nichts anderes mehr als das. | |
Das Dortmunder Spiel bestand aus dem Versuch der Torblockade und der | |
spekulativen Hoffnung auf gelungene Konter, das Spiel der Bayern aus Druck, | |
Druck, Druck. So zwangen die Münchner einem Team, das in den bisherigen | |
DFB-Pokalspielen über 60 Prozent Ballbesitz gehabt hatte, eine regelrechte | |
Ballbesitzdiät auf: Der BVB kam nur auf magere 30 Prozent, war also zu | |
einer reaktiven (oder auch: regressiven) Taktikvariante gezwungen, die der | |
Suprematie des Gegners geschuldet war. | |
## Hoher Verschleiß, wenig Unterhaltung | |
Dieses schier endlose Spiel aus Anrennen und Verhindern wurde bis zum | |
Exzess getrieben, worunter das fußballerische Niveau ein wenig litt. Die | |
Dortmunder waren schon nach 80 Minuten von Krämpfen geschüttelt, später | |
erwischte es auch ein paar Münchner. Mats Hummels, der als künftiger | |
FCB-Profi sein letztes Spiel für den BVB machte und dabei nicht besonders | |
auffiel, musste schon relativ früh (78. Minute) vom Platz nach einem | |
heftigen Wadenkrampf. | |
Der Verschleiß war hoch, das Drama offenkundig, doch der Unterhaltungswert | |
dieser Art von Fußballschach begrenzt. Vielleicht wäre es interessanter | |
geworden, wenn Franck Ribery nach seinem Pikser ins Auge von Gonzalo Castro | |
vom Platz geflogen wäre. Aber der Attentäter kam mit einer gelben Karte | |
davon. | |
Egal, Pep Guardiola gewann mit den Bayern am Samstagabend vor 74.322 | |
Zuschauern seinen siebten Titel, wobei auch solche Nun-ja-Titel wie | |
Supercups dabei gewesen sind. Insgesamt hat der 45-Jährige in seiner | |
Trainerkarriere 21 Titel gewonnen, drei pro Jahr. Das ist nicht schlecht, | |
aber mit den Bayern hat er eben nicht wie sein Vorgänger Jupp Heynckes die | |
Champions League gewonnen, sondern ist nur dreimal hintereinander ins | |
Halbfinale dieses Wettbewerbs gekommen. | |
Nach Einschätzung vieler Außenstehender, aber auch seines Arbeitgebers, ist | |
Pep ein Unvollendeter geblieben, ein besessener Innovator zwar, aber eben | |
auch ein herrschsüchtiger Kauz, der im Falle des Misserfolgs zu paranoiden | |
Attacken und Säuberungsaktionen neigte – Stichwort el topo und [1][el doc]. | |
## „Nachher kann er Mensch sein“ | |
Aber wie sagte Guardiola doch: „Titel sind Nummern, und Nummern sind | |
langweilig.“ In Berlin hat man allerdings gesehen, was für eine grandiose | |
Lüge das ist und wie wichtig Titel für Guardiola sind. Sie sind alles für | |
diesen Coach und diesen Verein. Deswegen auch der Gefühlsausbruch des | |
Katalanen, von dem im Moment des finalen Triumphes all der Ballast der | |
vergangenen Monate abfallen konnte. | |
Thomas Müller kommentierte die schöne Fügung des Schicksals mit | |
entwaffnender Offenheit: „Wenn alles vorbei ist, können alle Dämme brechen, | |
vorher muss er seinen Beruf machen, nachher kann er Mensch sein.“ | |
Der Mensch Josep Guardiola i Sala aus Santpedor wird sich jetzt wieder in | |
eine Menschmaschine verwandeln, denn er muss künftig aus dem Fußballverein | |
Manchester City einen Chamions-League-Sieger formen, den Leuten dort | |
mächtig auf den Zeiger gehen. Das wird wieder supersupersuper-anstrengend. | |
Und die Bayern-Dominanzler? Kriegen für teures Geld den vermeintlichen | |
Wohlfühlteddybär Carlo Ancelotti vor die Nase gesetzt – und gratis eine | |
noch nervigere Rivalität mit dem aufstrebenden BVB. | |
22 May 2016 | |
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## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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