# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Den Vorbildern in den Arsch treten! | |
> Seit gemunkelt wird, Fußball fördere friedliches Zusammenleben, glaubt | |
> jeder, dem Sport Vorschriften machen zu dürfen. Auch der Bundestrainer. | |
Bild: Aus dem Kader der Nationalmannschaft gestrichen: Fußballspieler Max Kruse | |
Jeder hat‘sschon gehört, mancher schon gesagt: „Nach Brüssel“ ist es ga… | |
wichtig, dass Länderspiele stattfinden. „Nach Paris“ hätte das Spiel in | |
Hannover ausgetragen werden müssen. Die Absage war nämlich eine | |
Kapitulation vor dem Terror. Schließlich tobt ein Krieg gegen unsere Art zu | |
leben. | |
Unsere Art zu leben, so muss man vermuten, wenn man sich das verbreitete | |
Gerede um den Fußball anhört, ist vor allem: anderen Menschen die Anweisung | |
zu geben, gefälligst Fußball zu spielen! Befehlsempfänger der zumindest | |
moralisch besseren Gesellschaft sind junge Männer, die als Vorbilder | |
fungieren sollen. | |
Wer sagt, die westliche Gesellschaft muss ihre Liberalität weiter ausleben, | |
meint in der Regel: Die Fußballer sollen das tun. Im Moment der Stornierung | |
des Türkei- oder Ägyptenurlaubs wächst die Überzeugung heran, unser Way of | |
Life müsse wenigstens in der Fernseh-Liveübertragung eines Länderspiels | |
verteidigt werden. | |
Dass sich im Pariser Stade de France Selbstmordattentäter während des | |
Spiels Frankreich gegen Deutschland in die Luft sprengten, dass es in | |
Hannover vor dem Niederlande-Spiel realistische Drohungen gab, dass in | |
Bagdad gerade 29 Menschen in einem Stadion ermordet wurden – all das wird | |
von der hiesigen politischen Öffentlichkeit zwar zur Kenntnis genommen, | |
aber in einem Sinn, der dem Fußball eine Art Stellvertreterfunktion | |
beimisst. | |
Junge Gladiatoren in kurzen Hosen haben in die Arena zu schreiten und für | |
uns die anstehenden Kämpfe auszufechten. | |
## Ein kluger Satz | |
Wie diese moralingetränkten Helden ihr Leben zu führen haben, wurde in | |
diesen Tagen [1][am – mittlerweile gewesenen – Nationalspieler Max Kruse | |
vorexerziert]: Er hatte seine „Vorbildrolle“ nicht erfüllt, also raus mit | |
ihm! Weil sich nämlich langsam herumspricht, dass Fußball etwas mit Politik | |
zu tun hat, glauben Volkspädagogen aller Art, ihm irgendwelche Aufträge | |
erteilen zu dürfen. „I‘mnot a role model“, erklärte einmal der – auch | |
ansonsten sympathisch schlaue – amerikanische Basketballprofi Charles | |
Barkley, warum er kein Vorbild sein möchte: „Nur weil ich einen Basketball | |
in den Korb werfe, heißt es nicht, dass ich eure Kids aufziehen sollte.“ | |
Ein kluger Satz, der nicht zu hiesiger Sportlerbevormundung passt. Nur weil | |
Barkley einen Beruf hatte, der viel mit westlicher Lebensart zu tun hat, | |
könnte man aktualisieren, heißt es nicht, dass die Gesellschaft ihren Job | |
nicht mehr machen muss. Der da wäre: selbst selbstbewusst zu leben. | |
Die Vorstellung aber, Fußballspieler seien quasi Marionetten ohne eigene | |
Botschaft, sie seien mal für eine gute, mal für eine schlechte Sache in | |
Gebrauch, versteht den Sport nicht. Der ist nämlich Produkt dieser | |
Gesellschaft: so liberal und so rassistisch wie diese, so mutig und so | |
feige, so schön und so hässlich. | |
Wenn also „nach Brüssel“, „nach Paris“ oder auch nur nach Max Kruses | |
Geburtstagsparty von Sportlern Verhalten verlangt wird, das die übrige | |
Gesellschaft für sich selbst ablehnt, sollte man sich nicht wundern, dass | |
die von Volkspädagogen gebeutelte Elf nicht mal einen Zwei-null-Vorsprung | |
halten kann. | |
29 Mar 2016 | |
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## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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