# taz.de -- Deutschlands einzige Spielerberaterin: Kein leichtes Unterfangen | |
> In der Branche ist sie bestens vernetzt. Dennoch steht bei Samira Samii | |
> kein Spieler der ersten oder zweiten Liga unter Vertrag. Wie ist das | |
> möglich? | |
Bild: Will später mal einen Fußballverein managen: Samira Samii | |
Samira Samii lacht viel. Sie hat ein offenes Herz – zuweilen trägt sie es | |
auf ihren Lippen. Im Laufe eines Gesprächs wird ihre Familie größer und | |
größer. Ali Daei, der ehemalige iranische Nationalspieler, den einst gar | |
der FC Bayern nach München lotste, sei wie ein Bruder von ihr, erzählt sie. | |
Klaus Augenthaler aus der deutschen Weltmeisterelf von 1990, sagt sie | |
später, sei wie ein Papa. Sie lerne immer noch viel von ihm. Und vor dem | |
mittlerweile in den Ruhestand getretenen Bundesligatrainer Hans Meyer habe | |
sie „hohen Respekt“. Sie strahlt und erklärt: „Er ist für mich wie ein | |
Großvater. Ich bewundere seinen großen Fußballsachverstand.“ Eine gute | |
Mutter und Schwester will sie ihren hochtalentierten Nachwuchsfußballern | |
sein, die sie betreut. | |
Die gebürtige Iranerin Samii ist derzeit die einzige Frau unter weit über | |
hundert Kollegen, die im deutschen Fußball als Spielerberaterin und | |
Sportmanagerin tätig ist. Und ihr ungewöhnliches Nahverhältnis zur | |
deutschen Fußballelite macht sie glücklich. „Wenn ich Geburtstag habe und | |
auf mein Handy schaue, stelle ich fest, dass mir die halbe Bundesliga | |
gratuliert hat. Das zeigt mir, dass ich meinen Job gut mache, meine | |
Kontakte gut gepflegt habe. Ich bin stolz. Sehr, sehr stolz.“ | |
Distanz kann Samira Samii aber auch schnell entstehen lassen. Ein Anwalt | |
regelt ihre Termine. Für das Treffen in einem Münchner Feinkostrestaurant | |
hat er ein kleines Reglement zusammengestellt, was geht und was nicht geht. | |
Unter anderem hält er fest: „Selbstverständlich können Sie über ihren | |
adeligen familiären Hintergrund mit Frau Samii sprechen.“ Ihre Mutter | |
stammt aus der persischen Königsfamilie, ihr Vater ist ebenso adlig, die | |
Familie eine weltweit bekannte Ärztedynastie. Sie sei „sehr, sehr stolz“ | |
auf ihre Familie, sagt Samii. | |
Ein kleines Separee hat sie für das Gespräch reserviert. Es ist nicht das | |
gewünschte. Uli Hoeneß, bedauerte sie, der gerade aus der Haft entlassene | |
Expräsident des FC Bayern München, sei ihr zuvorgekommen. Vom beflissenen | |
Servicepersonal wird man zu der schmalen Frau mit dem extrakurzen schwarzen | |
Designerkleid geführt. Sie ist eine extravagante Erscheinung. Ihre | |
Augenbrauen sind wie immer aufgemalt. Sie schiebt lächelnd ihre Hummersuppe | |
beiseite. Ein Szenario, das einerseits wie eine Audienz anmutet. | |
Andererseits hat Samira Samii viel getan, um den Termin nicht scheitern zu | |
lassen. Am Tag zuvor schreibt sie vom Beginn einer Mittelohrentzündung und | |
Fieber und erklärt zugleich, sie werden den Termin „auf alle Fälle“ | |
wahrnehmen. | |
## Der deutsche Machismo | |
Die standesbewusste Samira Samii hat den Fußball in ihre Familie | |
aufgenommen, wie aber begegnet die recht standesbewusste | |
Männerfußballbranche dieser Frau? Es ist – vorsichtig formuliert – keine | |
einfache Beziehungsgeschichte. Mehrere Termine habe sie abbrechen müssen, | |
erzählt die 37-Jährige, weil ihre Verhandlungspartner Privates und | |
Geschäftliches nicht auseinanderhalten wollten. „Komischerweise ist das nur | |
in Deutschland so, in arabischen Ländern, Spanien oder Italien hatte ich | |
noch nie Probleme.“ Bis heute hat sich kein Profi aus der deutschen ersten | |
und zweiten Bundesliga ihren Diensten anvertraut, ehemalige, nur noch | |
schwer vermittelbare Größen wie die Weltmeister Andreas Brehme und Klaus | |
Augenthaler dagegen schon. | |
Samii macht den deutschen Machismo dafür verantwortlich. Die sich daraus | |
ergebenden Stolpersteine, habe sie mit ihren Highheels aus dem Weg räumen | |
müssen. | |
Ein Nationalspieler aus dem Weltmeisterteam 1990 habe ihr gesagt, solange | |
sie wie eine Frau aus der Modebranche aussehe, könne sie im Fußball nicht | |
ernst genommen werden. „Ich bin oft belästigt worden mit komischen SMS, | |
Einladungen und sexuellen Anspielungen.“ Ihr Aussehen und Auftreten will | |
sie sich nicht vorwerfen lassen. „Das ist meine Erziehung. Eine Frau soll | |
elegant und schick sein.“ Samii sitzt regelmäßig bei den Miss-Bayern-, | |
Miss-Franken- und Miss-München-Wahlen in der Jury. Sie gefällt sich in der | |
Rolle der Vorreiterin, als kämpferischen Beitrag zu mehr Gleichberechtigung | |
will sie ihr Engagement aber nicht missverstanden sehen. „Letztlich kämpft | |
jeder für sich allein“, sagt sie. | |
In ihrem Streben nach Erfolg hat sie Frauen vielmehr auch als Stolpersteine | |
ausgemacht. Einer ihrer Spieler, berichtet sie, sei von einem Probetraining | |
ausgeladen worden, weil die Ehefrau des Vereinsmanagers sich eine rein | |
geschäftliche Beziehung ihres Mannes zu dieser Spielerberaterin nicht | |
vorstellen konnte. Ein anderer Manager habe sie gebeten, alle E-Mails erst | |
einmal an seine Gattin zu schicken. | |
Im Ausland wiederum öffneten sich ihr die Türen leichter – ganz ohne | |
Nebengeräusche. Sie stehe in geschäftlichen Verbindungen mit den | |
brasilianischen Nationalspielern Willian, Oscar, Thiago Silva und Coutinho. | |
## Erst einmal Fronarbeit | |
Die Beziehungsgeschichte zwischen Frau Samii und dem Profifußball ist | |
keineswegs rund. Es gibt einiges, was nicht zusammenpasst. Angefangen hat | |
alles mit der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. „Ich habe auf dem Sofa | |
gesessen“, erinnert sie sich, „Fußball geschaut und gedacht: Komisch, in | |
dem Geschäft sind nur Männer unterwegs. Dann habe ich mich in Ingolstadt | |
beworben.“ Zuerst ging es um Marketingarbeit. Einen entsprechenden | |
Abschluss und Erfahrung bei einer Fluggesellschaft konnte sie vorweisen. | |
Über das Fußballgeschäft dagegen habe sie nichts gewusst. Genommen wurde | |
sie trotzdem. Den Ausschlag, vermutet sie, hätten ihre Unbefangenheit | |
gegeben, weil sie auf ein Einkommen nicht angewiesen sei, und ihre | |
ausschließlich auf 1,0 lautenden Zeugnisse. | |
Parallel begann sie für die Amateurvereine Arminia Hannover und Altona 93 | |
zu arbeiten – teilweise unentgeltlich. Später engagierte sie sich auch für | |
das Frauenteam des 1. FC Nürnberg. „Ich wollte den Fußball von der Pike auf | |
lernen“, berichtet sie. Das sei eine Idee ihrer Anwälte gewesen. Die Frau | |
aus dem persischen Hochadel, die in Paris, Monte Carlo und Toronto | |
aufgewachsen ist, sechs Sprachen spricht und auch das Deutsche mit ihrem | |
kanadischen Akzent internationalisiert, leistete erst einmal Fronarbeit in | |
den Niederungen des deutschen Fußballs. | |
Durch ihre Bewerbungsgespräche knüpfte sie ihre ersten losen | |
Beziehungsnetze, die mit regelmäßigen Besuchen von Sport- und | |
Charityveranstaltungen und Galas immer engmaschiger wurden. „Das Networking | |
ist eine große Stärke von mir“, sagt sie. Als Frau sei sie dort natürlich | |
aufgefallen. In der gehobenen Gesellschaft sind ihr sowieso offenkundig | |
viele zugetan. In dem Münchner Feinkoststammhaus erkundigt sich während des | |
Gesprächs der Besitzer, dessen Unternehmen 1.400 Mitarbeiter zählt, per | |
SMS, ob denn bei Frau Samii alles bestens sei. | |
Schon zu Beginn ihrer Lehrzeit hatte sie ein derart dichtes | |
Beziehungsgeflecht geschaffen, dass Bouraoui Ben, tunesischer Exprofi, für | |
dessen Verein sie ein Trainingslager in Nürnberg organisiert hatte, sie | |
fragte, warum sie angesichts ihrer vielen Kontakte nicht ins | |
Spielerberatergeschäft einsteige. Ihrem Eingeständnis der Ahnungslosigkeit | |
begegnete er mit dem Angebot, ihr in einer Art Crashkurs das nötige | |
Rüstzeug zu vermitteln. Samii sagt: „Sie können es vielleicht nicht | |
glauben, ich habe in ein paar Wochen alles gelernt: was ein Sechser ist, | |
das Erkennen von taktische Formationen, das Bewerten von Spielerleistungen. | |
Er hat mir alles beigebracht.“ In fünf, sechs Wochen hätten sie sehr viele | |
Spiele per Video und live analysiert, Jugendabteilungen besucht. Es sei | |
eine richtige „Hardcoreausbildung“ gewesen. | |
Der Aufstieg, den Samii beschreibt, ist rasant. Statt Arminia Hannover | |
vermarktet sie heute etwa den brasilianischen Nationalspieler Willian vom | |
FC Chelsea, dessen Marktwert auf 32 Millionen Euro taxiert wird. Bei den | |
Stars der Szene, erklärt sie, teilten sich mehrere Berater oft die | |
Aufgabenfelder je nach ihren Stärken. Auch dank ihres Geschäftspartners | |
Amir Soltani berate sie in Teilbereichen Ronaldinho, Oscar und Coutinho. | |
Bislang wurde sie noch nie mit diesen Spielern in Verbindung gebracht. | |
Samii entgegnet: „Mich hat auch bislang noch niemand danach gefragt.“ | |
## Geld ist kein Leitmotiv | |
Sie sieht sich aber noch längst nicht am Ziel ihrer Wünsche. Einen | |
Bundesligaspieler wie Robert Lewandowski vom FC Bayern München hätte sie | |
gern einmal unter Vertrag. Weil sie aber bislang an die in Deutschland | |
tätigen Profis nicht herankommt, hat sie sich auf die Betreuung | |
vielversprechender Talente spezialisiert. Deshalb geht Samira Samii bei den | |
deutschen Bundesligavereinen auch ein und aus. Sie plant schon die Karriere | |
von Zwölf- bis 14-Jährigen mit. Die Eltern eines Zehnjährigen in Amsterdam | |
haben gar erfolgreich um ihre Dienste geworben. Sie selbst, darauf legt | |
Samii großen Wert, spricht niemanden an. Die Beraterszene hat – gerade, was | |
die Kapitalisierung von Kinderkarrieren angeht – einen schlechten Ruf. | |
Samii will sich aber mit niemandem die Kontakte verderben – schon gar nicht | |
mit den Fußballgrößen dieses Landes. Sie erzählt stolz, dass Wolfgang | |
Dremmler, der Nachwuchschef des FC Bayern, mit einer Ausnahme allen | |
Beratern per Post die Nachricht zugestellt hat, dass sie bei den | |
Jugendteams nicht mehr zum Training erscheinen dürfen. Die Ausnahme war sie | |
selbst. | |
Die von Samii propagierten hohen Moralstandards erleichtern und erhalten | |
ihr die Zugänge zum Profigeschäft. Geld ist für sie ohnehin kein Leitmotiv. | |
Obendrein ist sie weiter auf gute Kontakte für den nächsten Karriereschritt | |
angewiesen. Sie will einen Fußballverein managen. Es darf auch gern ein | |
deutscher Drittligist sein, sagt sie. In der Wunschvorstellung von Samira | |
Samii führt ihr Weg von Arminia Hannover über Ronaldinho und Willian | |
künftig also möglicherweise zum SV Wehen Wiesbaden oder zur SG Sonnenhof | |
Großaspach. Es ist eine wundersame Geschichte. So wundersam wie eine | |
Erzählung aus „Tausendundeine Nacht“. | |
25 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
## TAGS | |
Fußball | |
Fußball-Bundesliga | |
Regionalliga | |
Fußball | |
Frauenfußball | |
Fußball | |
Olympiastadion | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Altona 93 muss ran: Fußball wie am Fließband | |
In der Fußball-Regionalliga sind witterungsbedingt zahlreiche Partien | |
ausgefallen. Und so stehen Vereine wie Altona 93 nun vor einer | |
Mammutaufgabe. | |
Altona 93 bleibt: Gnadenfrist für Altonas Kampfbahn | |
Oberligist Altona 93 will den Aufstieg in die Regionalliga versuchen – ein | |
Wagnis, verbunden mit hohen Kosten und Auflagen. Jetzt geht das doch im | |
alten Stadion. | |
HelferInnen beim Fußball: Betreutes Kicken | |
Damit die Profis immer spektakulärer und ausdauernder Fußball spielen, wird | |
das Heer der Helfer um sie herum stetig größer. Ein Glossar. | |
Trainerinnen im Frauenfußball: Professionalisierungsopfer | |
In der Frauen-Bundesliga sind die Trainerposten nur noch mit Männern | |
besetzt. Ein Aufreger ist diese Entwicklung erstaunlicherweise nicht. | |
Niederländer litt an Lungenkrebs: Fußball-Legende Cruyff ist tot | |
Der Fußballer Johan Cruyff ist gestorben. Der frühere Kapitän der | |
niederländischen Nationalmannschaft galt als einer der besten Spieler aller | |
Zeiten. | |
Hertha fordert neues Stadion: Der Größenwahn ist zurück | |
Der Berliner Fußball-Bundesligist will nicht mehr im Olympiastadion | |
spielen, sondern in einer neuen, richtigen Kickarena. Geht‘s noch? Ein | |
Kommentar. |