# taz.de -- Nachruf auf Lothar Späth: Ein untypischer Konservativer | |
> Lothar Späth (CDU) wollte einst Helmut Kohl stürzen. Als | |
> Ministerpräsident stolperte er über die „Traumschiff-Affäre“. Am Freit… | |
> ist er gestorben. | |
Bild: Lothar Späth, 2012 | |
Diese warmen Worte hätten Lothar Späth gefreut. Einen „Visionär im besten | |
Sinne“ nannte Winfried Kretschmann den Vorgänger am Freitag bei der | |
Nachricht von dessen Tod. 1980 hatten die ersten Grünen im | |
baden-württembergischen Landtag dem schwarzen Ministerpräsidenten den | |
berühmt gewordenen Kaktus überreicht. Und Späth wäre nicht Späth gewesen, | |
hätte er sich nicht mit der Idee revanchiert, die Neulinge nach spätestens | |
zwei Legislaturperioden wieder aus dem Parlament zu vertreiben – mit einer | |
grünen CDU-Politik wollte er sie zu einer Fußnote in der Landesgeschichte | |
machen. Daraus ist, wie der jüngste Wahlsonntag zeigte, nichts geworden. | |
Schon längere Zeit lebte der 1937 geborene Sigmaringer in einem Pflegeheim. | |
Bei seinen letzten öffentlichen Auftritten war nahezu nichts geblieben von | |
dem immer quirligen, schnellen, zu jedem Überraschungscoup bereiten | |
einstmaligen CDU-Überflieger, der 1989 beim Bremer Parteitag sogar Helmut | |
Kohl stürzen wollte. Was gründlich misslang. Vom „Möchtegernkanzler ohne | |
Mumm und Mannen“ war danach die Rede. Da hatte der Abstieg längst begonnen. | |
Denn Späth hatte – ohne nur das kleinste Problem darin zu sehen – ein | |
Netzwerk von Freunden gesponnen, die ihm nicht nur Dienstreisen, sondern | |
auch teure Urlaube finanzierten. Im Zuge eines | |
Steuerhinterziehungsverfahrens gegen einen seiner reichen Gönner flog die | |
„Traumschiff-Affäre“ auf. | |
Tatsache ist: Weniger die schönen Segeltörns haben Späth 1991, nach 13 | |
Jahren Sturm und Drang in Stuttgart, den Job in der Villa Reitzenstein | |
gekostet; es war eher der fatale Satz eines deutschen Direktors eines | |
asiatischen Spitzenhotels, abgedruckt im Spiegel am Montag vor dem | |
Rücktritt. „Der hohe Gast hielt sich die meiste Zeit in seinen | |
Räumlichkeiten auf und ließ sich verwöhnen“, war da zu lesen. Und dass der | |
Insider bereit sei, weiteres Wissen zu verbreiten. | |
Späth nahm sofort den Hut, nicht zuletzt seiner Frau und der beiden Kinder | |
wegen. Aber weil er nicht zimperlich war in der Wahl seiner Mittel, | |
bastelte er binnen Kurzem eine Verteidigungsstrategie und stellte sich als | |
Opfer von Medienvertretern dar, die doch immer bei seinen Dienstreisen | |
dabei gewesen seien. Das war falsch, aber sein Ruf blieb intakt. | |
Tüchtig, fleißig, immer optimistisch und tatendurstig, neugierig, dazu | |
begabt mit Witz und einer nimmermüden „Schwertgosch“: Der Tatmensch besaß | |
eine Fülle von Talenten, die ihm zu einer Blitzkarriere verhalfen, von der | |
ein Lehrling im Rathaus eines Kaffs bei Heilbronn schwerlich hätte träumen | |
dürfen. Dort hatte er nach eigenem Bekunden zweierlei begriffen fürs Leben: | |
Wie schön es ist, Probleme zu lösen, und wie hilfreich dabei Pragmatismus | |
ist. Zu den erwähnten Begabungen kamen Intelligenz, rasche Auffassungsgabe | |
und der Ehrgeiz, es anderen und zumal Akademikern zu zeigen. | |
Fünf Jahre nach seinem Eintritt in die CDU war er schon ihr Fraktionschef | |
im Stuttgarter Landtag, nach weiteren sechs Jahren Regierungschef. Die | |
große, weite Welt hatte es ihm angetan, die Wirtschaft und ihre Verzahnung | |
mit Wissenschaft, die Kultur vergaß er auch nicht. Späth war einer, der | |
genießen konnte und wollte: die Macht, den Umgang mit anderen Mächtigen, | |
das gute Leben und die Zuneigung seiner Baden-Württemberger, die ihn mit | |
stattlichen Wahlsiegen bedachten. | |
Nach der Politik kam die Wirtschaft, der Chefsessel bei Jenoptik in Jena. | |
Die Rolle des Sanierers in einem der wenigen ostdeutschen Vorzeigebetriebe | |
war ihm auf den Leib geschneidert: Zwar mussten 15.000 Arbeitsplätze | |
abgebaut werden, aber mit Mut, Chuzpe und enormen staatlichen Hilfsgeldern | |
meisterte er diese Aufgabe. | |
Das Ärmelaufkrempeln war ihm zur zweiten Natur geworden, zur | |
Weltanschauung, das Alte und Bekannte war für den untypischen Konservativen | |
mit dem Mitgliedsbuch der IG BAU eher lästig: „Mir war das alles zu eng, | |
deshalb bin ich in der ganzen Welt herumgerannt.“ | |
18 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Johanna Henkel-Waidhofer | |
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