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# taz.de -- Missmutige Fans in Hannover: „Wir sind immer noch da“
> Dass Hannover 96 die erste Liga verlassen muss, wird wahrscheinlicher.
> Was sagen die Fans in einer Kneipe über das Auswärtsspiel gegen
> Frankfurt? Ein Besuch.
Bild: Hat die „Roten“ noch nie ausgepfiffen: Waldemar (r.) beim Bier in der…
HANNOVER taz | Halbzeitpfiff, Waldemar geht erst mal eine rauchen. Es steht
1:0 im Kellerduell zwischen Eintracht Frankfurt und Hannover 96. Nein, es
läuft schon wieder nicht für „die Roten“. Vor der Tür der „Nordkurve�…
großen Fankneipe in Sichtweite der hannoverschen HDI-Arena, breitet
Waldemar die Hände aus, zieht die Augenbrauen hoch und grinst. „Wo soll ich
anfangen?“, fragt er. „Eigentlich vor Jahren mit Schmadtke“, sagt er dann
ernster: „Die Story beginnt da.“
Manager Jörg Schmadtke verließ 2013 nach Querelen mit Trainer Mirko Slomka
den Verein – für viele war das der Anfang vom Ende. Auch für Waldemar.
Kalter Wind weht ihm einzelne Haarsträhnen aus dem Pferdeschwanz, aber zu
frieren scheint er nicht in seiner Lederweste über dem 96-Trikot.
Der Abstieg der Roten wird immer wahrscheinlicher, nach 14 Jahren in der
ersten Liga. Viele Fans sind ziemlich sauer: Nach der letzten Heimpleite
gegen Köln mussten die Spieler ganz schön Ärger einstecken. Irgendwer
brachte sogar einen Galgen mit ins Stadion. „Das muss natürlich nicht sein,
diese Fankultur gehört da nicht rein“, findet Waldemar. „Ich habe meine
Mannschaft noch nie ausgepfiffen“, sagt er und zeigt mit der Kippe zur Tür.
„Hier am Fernseher, okay. Aber nicht im Stadion. Wenn ich da bin, dann um
die zu unterstützen.“
Wenn er etwas zu kritisieren hat, sagt der 55-Jährige es den Spielern
persönlich: beim Training. „In letzter Zeit bin da nicht mehr so oft“, auch
das sagt Waldmar. „Ich hab, ehrlich gesagt, gerade keinen Bock.“ Das letzte
Mal vor sechs Wochen, als Trainer Thomas Schaaf neu dabei war. „Da hat er
mich noch beeindruckt.“ Die Zigarette ist aufgeraucht: „Ich hol mir jetzt
noch ein Bier“, sagt Waldemar und geht rein.
Drinnen sitzt der Rest der Clique, am angestammten Tisch, vorne in der
Mitte, direkt vor der großen Leinwand. Karin, Brunhilde, Horst und Michael
sind heute da. „Eigentlich legen wir hier immer noch einen Schal auf den
Tisch“, sagt Karin, die einen weißen Kapuzenpulli mit 96-Logo drauf trägt.
„Aber heute waren wir irgendwie zu traurig.“ Überhaupt ist weniger los als
sonst. Karaman verliert den Ball, Waldemar fragt, ob er das im
Geheimtraining gelernt hat. „Das ist so geheim“, scherzt Michael, „dass s…
es selbst nicht mehr wissen!“
Um die 60. Minute rum geht ein Schwung Zuschauer – es fährt gerade ein Bus.
„Keine Bewegung, kein Einsatz, vorne passiert nichts.“ Waldemar ist
unzufrieden mit seinen Roten, die Frankfurter Eintracht dominiert das
Spiel. „Ich verstehe nicht, dass der Trainer nicht sieht, dass seine
Aufstellung falsch ist“, sagt Waldemar zunehmend erregt. „Schaaf ist ein
Supertyp, aber er kennt seine Mannschaft nicht!“ In der 69. Minute kommt
Saint-Maximin, Szenenapplaus. „Endlich – aber wie immer viel zu spät.“
Am Ende bleibt es beim 1:0, die „Nordkurve“ leert sich, alle wollen schnell
nach Hause. „Das haben wir Fans nicht verdient“, sagt Waldemar. An Hannover
in der ersten Liga habe er jetzt endgültig einen Haken gemacht.
Mittlerweile ist er schon ein bisschen heiser, er sitzt vor dem Rest von
seinem Bier und stützt den Kopf in die Hand. „Einmal Roter, immer Roter.
Der Verein ist mein Leben“, sagt er und holt eine Visitenkarte hervor: „Ich
bin 96“ steht da, unter seinem Namen. Als Beruf nennt er „Lebenskünstler�…
gelernt hat er mal bei Kaufhof, Einzelhandelskaufmann.
Waldemar kümmert sich um seine Eltern, die gerade Diamantene Hochzeit
gefeiert haben. Fit seien die noch: „Meiner Mutter sage ich immer: Du musst
erst 96 werden, dann kannst du sterben“, sagt Waldemar und lacht. Seit 30
Jahren ist er Dauerkartenbesitzer, sein erstes Spiel hat er 1972 gesehen.
„Auch gegen Frankfurt, damals haben wir gewonnen, 1:0 Siemensmeyer!“
Zehn Jahre alt war er da, und das Ticket hat er immer noch. „Ich gebe
meinen letzten Cent aus für den Verein.“ Gute Zeiten gab es ja auch: den
Pokalsieg 1992, oder die Europa-League-Zeit vor drei, vier Jahren. Da hat
er kein Auswärtsspiel verpasst. „Das war jedes Mal ein Erlebnis, neue
Stadt, neue Leute. Da bin ich auch dankbar, dass ich das mit dem Verein
erleben durfte.“
„Als Roter ist man Kummer gewöhnt. Aber wir sind immer noch da.“ Der
stämmige, kleine Mann wirkt jetzt fast ein bisschen weich. Eine Dauerkarte
kauft er sich auch in der nächsten Saison wieder. Und sei es für die zweite
Liga. „Ich gehe auch mit in die Regionalliga, wenn’s sein muss.“
20 Mar 2016
## AUTOREN
Garmin Wendt
## TAGS
Hannover 96
Hannover 96
Fußball
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