# taz.de -- Protest in Südafrika: Mal brennen Stühle, mal die Fabriken | |
> Johannesburg, Kapstadt, nun auch Mandeni: Der Protest gegen soziale | |
> Ungleichheit und staatliche Unfähigkeit wird zum Flächenbrand. | |
Bild: Protest in Kapstadt, Archivbild vom 11. Februar 2016. | |
BERLIN taz | Die Proteste verärgerter Bürger in zahlreichen Gemeinden | |
Südafrikas werden täglich gewaltsamer. Der Frust über mangelnde soziale | |
Versorgung in der Gemeinde Mandeni an der Küste Kwazulu-Natals ist das | |
jüngste Beispiel. | |
Am Montag verbarrikadierten mehr als 3.000 Menschen die Straßen der 45.000 | |
Einwohner zählenden ländlichen Küstenstadt Isithebe mit Autoreifen und | |
Felsbrocken. Vier Fabriken gingen am späten Abend durch Benzinbomben in | |
Flammen auf, eine davon brannte komplett nieder. Die industrielle | |
Bekleidungsproduktion in dem kleinen Ort kam zum Stillstand. Die | |
aufgebrachten Demonstranten schossen auf Feuerwehrleute und bewarfen | |
Polizeifahrzeuge mit Steinen. Sie setzten einen Lastwagen und fünf | |
Container in Brand. 120 Menschen sind festgenommen worden. | |
„Seit den 80er Jahren, als ich noch Polizist war, habe ich ein derartiges | |
Ausmaß an Gewalt nicht mehr erlebt“, sagte Dylan Meyrick, Chef einer | |
privaten Rettungseinheit in Isithebe. „Das ist Anarchie.“ Die Lage in | |
Isithebe ist weiterhin angespannt. Schulen und Geschäfte blieben auch in | |
den vergangenen Tagen geschlossen. Eine Gruppe marschierte zur | |
Polizeistation und forderte die Freilassung der Festgenommen. | |
Das sei eine unrealistische Forderung, sagte ANC-Sprecher Mdumiseni Ntuli | |
in Kwazulu-Natal. Eine ANC-Delegation hatte sich bereit erklärt, am | |
Mittwoch in der Gemeindehalle Gespräche mit den Anwohnern zu führen. Doch | |
die Politiker kamen erst mit zwei Stunden Verspätung. Da brannten bereits | |
einige Stühle. „Die Politiker mussten aus der Halle evakuiert werden“, | |
berichtete Meyrick. | |
## Abschaffung von Afrikaans als Unterrichtssprache | |
Die Ursachen für die gewaltsamen Ausschreitungen haben nicht nur mit | |
unzureichenden staatlichen Dienstleistungen zu tun. Viele Einwohner waren | |
laut Berichten wütend über die Ernennung eines nicht erwünschten | |
traditionellen Gemeindeführers. Auch die erneute Nominierung des | |
Exbürgermeisters für die anstehenden Kommunalwahlen war ihnen nicht recht. | |
Sie klagen über Vetternwirtschaft und Korruption – ein Übel, das in vielen | |
Gemeinden in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Die soziale | |
Ungleichheit hat sich unter der Regierung des Afrikanischen | |
Nationalkongresses (ANC) nicht verringert. Immer mehr Menschen äußern ihre | |
Verzweiflung durch aggressive Proteste und Übergriffe in vielen Orten des | |
Landes. Immer häufiger, insbesondere an den Lehranstalten, kommt es dabei | |
zu rassistischer Polarisierung. | |
So kam es bei Studentenunruhen im vergangenen Monat zu regelrechten | |
Verwüstungen auf dem Gelände der Universität Kapstadt. Eigentlich ging es | |
um fehlende Unterkünfte für Studenten: Von 27.000 eingeschriebenen | |
Studenten finden nur 6.000 dort Unterbringung. Schwarze Studenten sind am | |
stärksten betroffen, denn sie können häufig keine anderen Unterkünfte in | |
der teuren Touristenmetropole am Kap zahlen. | |
Auch in Johannesburg kam es zu ähnlichen Unruhen. Seit Öffnung der | |
Witwatersrand-Universität im Februar kontrollieren private | |
Sicherheitskräfte mit kugelsicheren Westen die Flure der Lehranstalt, heißt | |
es in Daily Vox, der Studentenzeitung der Uni. An der Freistaat-Universität | |
in Bloemfontein kam es sogar zu Schlägereien zwischen weißen und schwarzen | |
Studenten über Diskriminierung im Alltag. Im Zentrum steht dabei der von | |
einigen schwarzen Aktivisten geäußerte Wunsch nach Abschaffung von | |
Afrikaans als Unterrichtssprache – wie bei den blutigen Schüleraufständen | |
1976 in Soweto. | |
10 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Martina Schwikowski | |
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