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# taz.de -- Sportwissenschaftler über Dopingskandal: „Wie in Sizilien“
> Die Aufklärung der Freiburger Dopingvergangenheit wird massiv behindert.
> Warum zwei Wissenschaftler nun aussteigen, erklären sie hier.
Bild: Hingsen, Klümper, Hochsprung-Bundestrainer Dragan Tancic, Aufnahme aus d…
Eine Untersuchungskommission sollte Licht in die Dopingaktivitäten der
Sportmedizin an der Uni Freiburg bringen. Auslöser war der Dopingskandal um
die Radprofis des Teams T-Mobile. Auch Leichtathleten, Fußballer,
Wintersportler und Gewichtheber wurden von den Koryphäen Joseph Keul und
Armin Klümper und deren Assistenten und Nachfolgern gedopt. Noch vor Abgabe
des Abschlussberichts wurde der Kommission vom Rektor der Freiburger
Universität Hans-Jochen Schiewer ein Maulkorb verpasst. Aus Protest traten
fünf der sechs Kommissionsmitglieder zurück. Zwei von ihnen, Gerhard
Treutlein und Fritz Sörgel, sprechen über die Erkenntnisse, die sie trotz
mannigfacher Behinderungen gewonnen haben.
taz: Herr Treutlein, Herr Sörgel, gibt es nun die Kommission noch oder
nicht?
Gerhard Treutlein: Fünf Kommissionsmitglieder sind zurückgetreten, die
Kommissionsvorsitzende Letizia Paoli ist aus vertragstechnischen Gründen
weiter im Amt. Die Kommission existiert also noch formal.
Warum haben Sie und die anderen Kommissionsmitglieder das Handtuch
geworfen?
Treutlein: Es gibt zwei Gründe. Wir bestehen auf der absoluten
Unabhängigkeit der Kommission und der Kommissionsmitglieder. Zum anderen
hat der Rektor in den letzten Monaten massive Vorwürfe gegen die
Kommissionsvorsitzende Letizia Paoli erhoben und sie so an sinnvoller
Sacharbeit gehindert.
Von wem und wodurch ist Ihre Unabhängigkeit bedroht worden?
Treutlein: Der Rektor will die absolute Unabhängigkeit jetzt auf
„inhaltliche Unabhängigkeit“ einengen. Das würde bedeuten, wir geben
Gutachten und auch einen Schlussbericht an die Uni ab und haben dann mit
dem, was dann noch passiert, nichts mehr zu tun. Wenn dann nachträglich
noch redigiert oder etwas geschwärzt wird, haben wir keinen Einfluss mehr.
Fritz Sörgel: Die Universität müsste uns das hinterher nicht einmal mehr
zeigen. Und das geht nicht.
Welche Stellen könnten denn geschwärzt werden?
Treutlein: Es dreht sich um die Verantwortlichkeiten innerhalb der
Universität. Klümper hat in einer Autobiografie dem Klinikum und der
Universität den Vorwurf gemacht, er sei ja kein Abteilungsleiter gewesen
und man hätte ihn besser kontrollieren müssen. Die große Frage ist, wer ist
auf der Universitätsebene verantwortlich, wer auf der Ebene der
Landesregierung und wer auf der Ebene der Bundesregierung. Von dort sind ja
die Gelder geflossen. Man kann doch nicht sagen: „Wir haben zwar das Geld
gegeben, aber wenn wir das gewusst hätten, was damit passiert, dann hätten
wir natürlich kein Geld gegeben.“ Es ist die Frage, ob sie wirklich nichts
gewusst haben.
Immer wieder hatte die Kommission Schwierigkeiten, Einsicht in relevante
Akten zu bekommen oder mit wichtigen Zeugen reden zu können. Welche
Vorgänge betraf das ganz besonders?
Treutlein: Wir hätten bis Dezember 2012 fertig sein müssen. Dann sind aber
Ende Juli 2012 drei laufende Meter Akten von Joseph Keul aufgetaucht. Und
es hat sich herausgestellt, dass sie fünf Jahre lang in den Privaträumen
einer hohen Angestellten des Rektorats gebunkert waren. Das war der eine
krasse Fall. Der andere Fall betraf Armin Klümper. Zwischen 1984 und 1988
wurden Ermittlungen gegen ihn durchgeführt. Aus der Staatsanwaltschaft hieß
es, Akten dazu seien nicht mehr vorhanden. Im Dezember 2014 sagten sie
plötzlich, sie hätten in einem Außenlager noch einen Aktenordner gefunden.
14 Tage später hieß es, sie hätten jetzt noch 30 Aktenordner.
Sörgel: Es wusste jeder, dass das brisante Akten sind und nicht nur
gesammeltes Büromaterial.
Das ist ja wie in einer Bananenrepublik.
Treutlein: Die Kommissionsvorsitzende Letizia Paoli, die viel zu
organisierter Kriminalität forscht, machte einmal den Vergleich mit
Sizilien. Dort hätte sie solche Verhaltensweisen erwartet, nicht aber in
Deutschland.
Was haben Sie trotz alledem herausgefunden?
Treutlein: Freiburg war ein wesentliches Zentrum des Dopings in
Westdeutschland. Die Dopingbetreuung hat Ende der 60er Jahre dort
angefangen. Wir wissen, dass in den 80er Jahren 90 Prozent der
Leichtathletiknationalmannschaft zu Klümper gegangen ist. Das heißt nicht,
dass alle 90 Prozent dort gedopt wurden. Aber ein wesentlicher Teil wurde
von Klümper gedopt. Stark vertreten sind auch die nordischen
Skidisziplinen, weil ihr nationales Leistungszentrum Herzogenhorn in der
Nähe von Freiburg liegt. Dann sind über Keul die Gewichtheber gekommen und
auch die Radsportler sind betreut worden.
Zur Aufgabe der Kommission gehörte auch, die wissenschaftliche Qualität der
Arbeit des Instituts für Sportmedizin zu beurteilen. Wie sah es damit aus?
Sörgel: Es gibt Hinweise und Verdachtsmomente, die wissenschaftliches
Fehlverhalten nicht ausschließen. Wir haben erhebliche Zweifel, ob an der
Sportmedizin die gleichen wissenschaftlichen Standards eingehalten wurden
wie in anderen Fakultäten der Universität oder im nationalen und
internationalen Vergleich.
Gab es Reaktionen darauf, Aberkennung von Titeln zum Beispiel?
Treutlein: In einem Fall, dem von Herrn Dickhut, dem zwischenzeitlichen
Leiter der Freiburger Sportmedizin, wurde wegen Plagiatsvorwürfen die
Habilitationsschrift aberkannt. Ansonsten ist nichts passiert, obwohl wir
vor fünf Jahren bereits der Universitätsleitung weitere Namen von
Doktoranden und Habilitanden nannten, gegen die ähnliche Verdachtsmomente
bestanden.
3 Mar 2016
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Doping
Antidopingkampf
Uni Freiburg
Doping
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