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# taz.de -- Ringen in Deutschland: Angst vorm Untergang
> Traditionsvereine wie Schifferstadt, Weingarten und Nendingen haben große
> Finanzsorgen. Die Bundesliga schrumpft.
Bild: Leichtgewicht-Weltmeister von 2015: Frank Stäbler (r.).
Niemand, sagt Ralph Oberacker, könne ihm erzählen, dass Dart interessanter
sei als Ringen. Dass der Kneipensport aus England mittlerweile ein
weltweites Fernsehereignis ist, eine olympische Kernsportart in Deutschland
hingegen kaum noch überleben kann, ärgert den Vorsitzenden des SV Germania
Weingarten.
Die Vorfreude auf die Finalkämpfe um die Deutsche Meisterschaft der
Ringer-Bundesliga, die an diesem Samstag für die Germania mit dem
Auswärtskampf beim alten Rivalen ASV Nendingen beginnen, will sich
Oberacker aber trotz der zuletzt wieder einmal schlechten Nachrichten nicht
nehmen lassen.
Nach dem Abstieg des KAV Mansfelder Land gaben jüngst der KSV Schriesheim
und nach über dreißig Erstligajahren auch die RWG Mömbris/Königshofen aus
finanziellen Gründen ihren Rückzug aus der Bundesliga bekannt. Damit
starten kommenden Herbst nur noch neun Mannschaften in einer eingleisigen
Bundesliga. Der Vorschlag der verbliebenen Erstligaklubs, zusammen mit den
Zweitligisten vier regionale Staffeln zu bilden, wurde jüngst beim
Verbandstag des Deutschen Ringer-Bunds (DRB) nicht beachtet.
„Die Lage ist bedrohlich, vor zehn Jahren hat es noch zwanzig
Erstligavereine gegeben“, warnt Oberacker. Auch die Teams aus Adelhausen,
Luckenwalde und Schifferstadt dachten über einen Rückzug nach, entschlossen
sich dann aber doch, „das Wagnis“, wie die Schifferstädter Ringerlegende
Markus Scherer sagt, weiter einzugehen. Auch er befürchtet ein „Ausbluten“
der Bundesliga.
## Bloß nicht umsonst
Scherer, 53, Trainer des Bundesligisten VfK 07 Schifferstadt, weiß, wovon
er spricht. Im dritten Jahr ringen die Pfälzer nun wieder erstklassig,
nachdem sie 2007 in die Insolvenz mussten. Die Schifferstädter bleiben der
Bundesliga erhalten, weil sie keinem ihrer selbst ausgebildeten deutschen
Nachwuchsringer den Gang in die Oberliga zumuten wollten. „Und wir hatten
schon eine zweite Chance, eine dritte hätten wir nicht bekommen“, glaubt
Scherer, Olympia-Silbermedaillengewinner 1984 in Los Angeles.
Die schwierige Aufbauarbeit nach der Insolvenz soll nicht umsonst gewesen
sein. Scherer erklärt: „Wir haben lange gebraucht, uns wieder
heranzutasten, das wollten wir nicht aufgeben.“ Rund 200.000 Euro
investiert der VfK in die Bundesligamannschaft.
Die Budgets der Finalteilnehmer werden auf das Doppelte (Weingarten) oder
gar Dreifache (Nendingen) geschätzt. Die Vereine trügen auch eine Mitschuld
an der Misere, sagt Scherer, weil sie an der Preisspirale drehten. Sechs
deutsche Ringer sind ab der Saison 2017/18 vorgeschrieben, in der neuen
Saison sind noch fünf im Zehnerteam verbindlich.
## Kein gemeinsamer Sponsor
Die Ausländerplätze werden von Welt- und Europameistern vorwiegend aus
Osteuropa belegt. Sie machen die Bundesliga zur sportlich besten Liga der
Welt. Die Vereine überbieten sich gegenseitig im Wettlauf um die
Verpflichtung der internationalen Spitzenleute. „Die Preistreiberei, die
auch wir betrieben haben, tut der Gesamtstruktur nicht gut“, gibt Ralph
Oberacker zu. In der Szene wird gemunkelt, dass manche Vereine schon wieder
Antrittsprämien von 2.500 Euro aufwärts für Topstars zahlen.
Für die Verpflichtung von Ausländern müssen die Klubs Lizenzgebühren beim
europäischen Verband Cela zahlen. Für einen Olympiasieger oder Weltmeister
sind rund 2.500 Euro fällig, bei manchen Klubs machen allein diese Lizenzen
um die 20.000 Euro aus.
Dennoch sieht Oberacker vor allem den DRB in der Pflicht. Die Liga krankt
schon lange daran, keinen großen, gemeinsamen Sponsor zu haben. Was
Vermarktung angeht, stecke der DRB noch in der Steinzeit, ätzt er. Nur rund
30.000 Euro brachten die Erlöse für die TV-Rechte von SportA. Auch dass
alle drei Zweitliga-Regionalmeister lieber zweitklassig bleiben, sei ein
hausgemachtes Problem. Weil keine Aufstiegspflicht bestehe, fehle der
sportliche Anreiz und der Druck von unten, meint Oberacker. Warum
DRB-Präsident Manfred Werner die zweite Liga als „unantastbar“ bezeichnet,
ist sowohl Oberacker als auch Scherer ein Rätsel.
Oberacker glaubt, man müsse dem Ringen einen gebührenden Rahmen geben; nur
wegen des Sports käme kaum ein Zuschauer. In Weingarten funktioniert das
Modell, weil sie dort 2007 eine moderne Ringerhalle mit Gaststätte,
VIP-Raum und eigenem Barbetrieb bauten. Und wenn der ASV Nendingen nächste
Woche zum Finalrückkampf kommt, wird in einem riesigen Zirkuszelt neben der
Halle gerungen, wie schon in den Jahren zuvor. All das mache den Sport
vielleicht nicht besser, sagt Oberacker, aber ohne ein klein wenig
Spektakel gehe es eben nicht mehr.
22 Jan 2016
## AUTOREN
Tobias Schächter
## TAGS
Ringen
Kampfsport
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Mixed Martial Arts
Hakenkreuz
Kampfsport
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