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# taz.de -- Zur Neutralität verurteilt: Ein Maulkorb für die Handelskammer
> Die Hamburger Handelskammer war beim Volksentscheid gegen den Rückkauf
> der Energienetze durch die Stadt. Das war rechtswidrig.
Bild: Politische Statements werden künftig Seltenheitswert haben: Die Hamburge…
HAMBURG taz |Wann immer in Hamburg politische Weichen gestellt werden, ist
Hans-Jörg Schmidt-Trenz dabei. Natürlich warb der Hauptgeschäftsführer der
Hamburger Handelskammer nach Kräften für die Bewerbung um die Olympischen
Spiele und war auf allen Bildern, die die Riege der Verlierer nach dem
Referendum zeigte, in der ersten Reihe zu sehen. Kaum war das Ringen um
Olympia verloren, kommentierte er die Niederlage im Namen der Handelskammer
als „schweren Rückschlag für die Zukunftsgewandtheit unserer Stadt“.
Ungewohnt schweigsam hingegen reagierte Schmidt-Trenz auf ein
Gerichtsurteil in eigener Sache. Vergangene Woche nämlich verhängte das
Hamburger Verwaltungsgericht der Handelskammer und ihrem meinungsstarken
Frontmann einen Maulkorb. Die Handelskammer habe sich mit politischen
Statements zurückzuhalten, befand das Gericht.
Geklagt hatte der Unternehmer und Grünen-Chef von Hamburg-Eimsbüttel
Dominik Lorenzen. Der 38-Jährige hatte sich „total über die polemische
Kampagne der Handelskammer“ gegen den Rückkauf der Energienetze geärgert,
über den beim bislang letzten Hamburger Volksentscheid im September 2013
abgestimmt wurde. Die Kammer hatte sich damals der Initiative „Nein zum
Netzkauf“ angeschlossen und Schmidt-Trenz hatte einen Rückkauf als
„Schildbürgerstreich“ und als „Verplempern“ von Steuergeldern bezeichn…
Doch dieses einseitige Engagement der Kammer sei nicht mit geltendem Recht
und Gesetz vereinbar, urteilte nun das Gericht.
In ihrem Urteil führt die Kammer 17 des Verwaltungsgerichts aus, dass der
Beitritt der Kammer zur Initiative „Nein zum Netzkauf“ genauso rechtswidrig
gewesen sei wie die Verwendung des Handelskammer-Logos im Rahmen der
Anti-Rückkauf-Kampagne. Auch die Schmidt-Trenz-Äußerungen seien, da er sie
nicht als Privatperson gemacht habe, eindeutig „rechtswidrig“. „Der Richt…
hat der Kammer die rote Karte gezeigt“, freute sich Kläger Lorenzen, dessen
Antrag das Gericht nun in allen Punkten stattgab.
Lorenzen hatte sich in seiner Klage auf ein Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts von 2010 bezogen, in dem diese die Beteiligung
der hessischen Industrie- und Handelskammern an einer Grundsatzerklärung
zum Wirtschaftsstandort Hessen für rechtswidrig erklärt hatte. Zudem hatte
das Gericht den Kammern ins Stammbuch geschrieben, bei Meinungsäußerungen
„das höchstmögliche Maß an Objektivität walten zu lassen“ und starke
„Zurückhaltung“ bei allgemeinpolitischen Stellungnahmen zu wahren.
Dies sei auch wegen der Zwangsmitgliedschaft der Handelsunternehmen in der
Kammer nötig, die auch dann nicht austreten können, wenn ihnen die
politischen Äußerungen der Kammer nicht passen. Auch deshalb müssten
politische Statements zuvor von der Vollversammlung der Kammern genehmigt
werden, urteilte das Gericht.
„All das ließ sich nicht mit dem Handelskammer-Handeln beim Thema
Netzrückkauf in Deckung bringen“, begründete Lorenzen seine Klage.
Schmidt-Trenz hatte Anfang des Jahres im Gespräch mit der taz noch betont:
„Unsere Position zum Rückkauf der Netze ist von sämtlichen Gremien der
Kammer legitimiert worden.“
„Wir werden nun die schriftliche Begründung des Gerichts abwarten und dann
entscheiden, ob wir Berufung einlegen“, kündigte der Sprecher der Kammer,
Jörn Arfs, an. „Die zuständigen Kammer-Gremien werden zu gegebener Zeit
damit befasst.“ Doch welche das sind, darüber hüllt sich der Sprecher auch
auf Nachfrage in Schweigen. Kläger Lorenzen fordert, dass das Plenum der
Kammer, in dem auch die oppositionelle Gruppierung „Die Kammer sind wir“
vertreten ist, als höchstes Kammerorgan „breit darüber debattiert, ob die
Kammer das Urteil annimmt“ und ihre Außendarstellung fortan verändert. Das
würde ihr politisches Auftreten deutlich einschränken. Und Schmidt-Trenz
wider Willen ruhigstellen.
2 Dec 2015
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Handelskammer Hamburg
Urteil
Politik
Hamburg
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