# taz.de -- Mädchenarbeit: „Alltägliche Diskriminierung“ | |
> Das Junglesbenzentrum aus dem Karoviertel hat einen internationalen Preis | |
> bekommen. Die Auszeichnung ehrt Projekte mit jungen Frauen. | |
Bild: Viel zu lachen: Projektleiterinnen Vanessa Lamm und Gila Rosenberg | |
taz: Frau Lamm, warum ist es immer noch bemerkenswert, wenn ein lesbisches | |
Projekt eine internationale Auszeichnung bekommt? | |
Vanessa Lamm: Gerade im internationalen Bereich ist es für manche | |
Organisationen schwierig, auch wegen der politischen Lage, sich im | |
Zusammenhang mit Lesben-, Bi-, und Trans- (LBT) Organisationen zu zeigen. | |
Der Gründer der Stars Foundation kommt etwa aus Saudi Arabien. Es sind ja | |
verschiedene Organisationen an der Stiftung beteiligt und es ist | |
ungewöhnlich, dass die ein Projekt wählen, das das Wort „lesbisch“ im Nam… | |
trägt. | |
Woraus besteht Ihre Arbeit? | |
Wir sind Treffpunkt und Beratungsstelle für LBT-Mädchen und junge Frauen | |
bis 25. Es gibt einen offenen Treff, als Kennenlernpunkt, als sicheren | |
Raum, wo sich Mädchen so frei wie möglich mit ihrer Sexualität | |
auseinandersetzen können. Gleichzeitig verstehen wir uns auch als | |
politische Interessenvertretung, um lesbische Themen und Bedürfnisse in der | |
Öffentlichkeit sichtbar zu machen. | |
Was ist ein „sicherer Raum“? | |
Ein Raum, wo sich Frauen, Mädchen, Transpersonen sicher bewegen und Fragen | |
stellen können. Wir lassen nicht jeden rein, wir sind ein drogen- und | |
alkoholfreier und auch männerfreier Raum. | |
Richtet sich das Angebot auch an heterosexuelle Mädchen? | |
Die Mädchen definieren sich nicht als lesbisch, wenn sie durch die Tür | |
kommen. Aber es ist der Raum, wo sie Fragen dazu stellen und sich mit ihrer | |
Sexualität auseinandersetzen können. | |
Was haben sie für Ängste bezüglich ihres Coming Outs? | |
Sie haben nach wie vor die Angst vor sozialer Ausgrenzung, sei es aus der | |
Familie, dem Freundeskreis, der Schule oder dem Arbeitsplatz. Und je nach | |
Umfeld kommt die Angst vor körperlichen Angriffen hinzu, manchmal sogar die | |
Angst, mit dem Leben bedroht zu sein. Die Ängste sind immer verbunden mit | |
der Frage „Was passiert danach?“. Das ist tatsächlich heute oft nicht | |
anders als vor 20, 30 Jahren. | |
Was bedeutet es heute, lesbisch zu sein in einer Stadt, die sich tolerant | |
gibt und am Christopher-Street-Day Regenbogenflaggen am Rathaus hisst? | |
Auf der einen Seite erfährt man viel Unterstützung darin, sich offen | |
lesbisch zu zeigen. Auf der anderen Seite gibt es diese Verharmlosung: Die | |
Leute denken „Ihr seid ja nicht mehr ausgegrenzt, ihr werdet ja akzeptiert“ | |
– nur weil da einmal im Jahr die Regenbogenflagge am Rathaus hängt und uns | |
hilft, sichtbar zu sein. Aber es gibt ja noch 364 andere Tage im Jahr, wo | |
man versucht, seinem normalen Leben nachzugehen, wo man untergeht, | |
unsichtbar ist mit seinen Bedürfnissen und auf vielfältige Art | |
diskriminiert wird. | |
Ein Beispiel? | |
Das sind Abwertungen durch Sprüche, gezielte Anmachen, Pfiffe. Wenn man | |
zusätzlich Migrationshintergrund hat, hat man eine Mehrfachdiskriminierung | |
und weiß manchmal gar nicht, vor welchem Hintergrund man jetzt beleidigt | |
wird. Es ist auch die Selbstverständlichkeit der alltäglichen | |
Diskriminierung. | |
Was müsste sich auf politischer Ebene ändern? | |
Unser Wunsch wäre, dass es mehr Bewusstsein für die Bedürfnisse lesbischer | |
Mädchen und Frauen gibt. Lesbische Frauen mit ihren Problemen müssten | |
sichtbarer sein. Etwa auch mit solchen im Alter. | |
16 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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Lesben | |
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