# taz.de -- 100 Jahre Schwarzwälder Kirschtorte: Sie hat einen Schuss | |
> Vor 100 Jahren schuf ein Schwabe, der im Rheinland Konditor war, die | |
> berühmteste Schwarzwälderin der Welt: Happy Birthday, Torte! | |
Bild: Ein wahres Floskelfestmahl. Guten Appetit! | |
FREIBURG dpa | Sie hat einen Schuss und ist ein ganzes Jahrhundert alt. Die | |
Schwarzwälder Kirschtorte ist neben Bollenhut, Kuckucksuhr und Schinken das | |
Symbol des Schwarzwalds. In diesem Jahr ist sie 100 Jahre alt. Altbacken | |
ist die Sahnetorte mit Biskuitboden und hochprozentigem Zusatz dennoch | |
nicht. Sie ist in der Region nahezu in aller Munde. Obwohl sie eigentlich | |
„eine Zugereiste“ ist, wie es im Schwarzwald heißt, wenn etwas nicht von | |
hier stammt. | |
„Das Backen von Schwarzwälder Kirschtorte ist mein Tagesgeschäft.“ Freddy | |
Boch, Chef vom Hotel Engel in Todtnauberg im Südschwarzwald bei Freiburg, | |
braucht kein Rezeptbuch, wenn er Torte macht. Mehrere Exemplare entstehen | |
jeden Tag allein in seiner Küche. Der Griff zur Schnapsflasche schon am | |
frühen Morgen ist fester Bestandteil. Denn in jede Torte gehört ein | |
kräftiger Schuss Kirschwasser. Das Hochprozentige gibt der Torte ihren | |
unverwechselbaren Geschmack. | |
Und das was man nicht nur im Südwesten: „Die Schwarzwälder Kirschtorte ist | |
die bekannteste Botschafterin unserer Region“, erklärt Christopher Krull, | |
Geschäftsführer der Schwarzwald-Tourismus-Gesellschaft in Freiburg: „Und | |
sie ist die bekannteste und beliebteste Torte Deutschlands.“ Ob in Cafés, | |
Restaurants oder auch in Wanderhütten: Die kalorienreiche Spezialität | |
gehört zu den am häufigsten bestellten Süßspeisen. Und ist, nicht nur wegen | |
des Namens, untrennbar mit dem Schwarzwald verbunden. Auch in Australien, | |
Asien und Südafrika kennt man sie. Nur die Sachertorte aus Wien hat einen | |
ähnlichen Bekanntheitsgrad. | |
Vor 100 Jahren wurde sie erfunden. Der gängigen Geschichte nach schuf der | |
aus dem schwäbischen Riedlingen an der Donau stammende Konditor Josef | |
Keller (1887-1981) die Sahne-Kirchen-Kirschwasser-Kombination erstmals in | |
Form einer Torte. Keller arbeitete damals im Café Ahrend in Bad Godesberg, | |
dort wurde die Spezialität von ihm im Jahre 1915 geschaffen und erstmals | |
serviert. Das Café gilt als die Geburtsstätte der Schwarzwälder | |
Kirschtorte. Es besteht noch heute. Es heißt inzwischen Café Agner – und | |
Bad Godesberg ist ein Stadtteil von Bonn. | |
## Das Originalrezept liegt in Triberg | |
Keller zog später nach Radolfzell am Bodensee und eröffnete sein eigenes | |
Café. Die Tortenspezialität wurde auch dort zum Renner. Die Torte traf den | |
Geschmack, machte ihre Runde und sich weltweit einen Namen. Einer von | |
Kellers Lehrlingen nahm das [1][Originalrezept] mit. Heute liegt es in | |
Triberg im Schwarzwald in einer Konditorei. | |
Im Schwarzwald lässt man sich von dem schwäbischen Konditor, der im | |
Rheinland die Schwarzwälder Spezialität schuf, nicht den Appetit verderben. | |
Denn eindeutig sei die Sache nicht, heißt es. So erhebt das schwäbische | |
Tübingen ebenfalls den Anspruch, den Tortenklassiker erfunden zu haben – | |
allerdings erst 1930, und damit 15 Jahre nach Bad Godesberg. Das | |
Grundrezept war schon früher im Schwarzwald bekannt. Eingekochte Kirschen | |
wurden mit Milchrahm und manchmal auch mit etwas Schnaps serviert – jedoch | |
als einfaches Dessert, nicht als Torte. | |
Von gestern ist die Torte auf jeden Fall nicht, wie Boch sagt. Im | |
Gegenteil. Es werde mehr gegessen als früher, das Angebot ist reichhaltig: | |
„Wir profitieren vom Trend hin zu regionalen und unverwechselbaren | |
Lebensmitteln“, so der 46 Jahre alte Gastronom und Hotelier, der in | |
Todtnauberg die Torte zum Markenzeichen gemacht hat, unter anderem mit der | |
größten Kirschtorte der Welt: „Wichtig ist, dass sie handwerklich korrekt | |
hergestellt und gut gemacht wird.“ Am Rezept hat sich in 100 Jahren nichts | |
geändert. | |
Ernährungsexperten stören sich zwar an der Kalorienlast. Doch die Torte | |
enthalte regionale und natürliche Inhaltsstoffe, sagt der Konditormeister | |
Franz-Josef Koszinowsky. Die Kirschen stammen von hier. Und das Kirchwasser | |
wird aus Schwarzwälder Obst gebrannt. | |
„Wir haben die Kirschtorte lange als selbstverständlich angesehen, heute | |
rücken wir sie in den Mittelpunkt“, sagt Boch. So gibt es ein | |
Kirschtortenfestival, das alle zwei Jahre in Todtnauberg organisiert wird – | |
das nächste im April 2016. Es läuft unter Bochs Regie. Zudem erklären Boch | |
und andere Konditoren Touristen und Einheimischen in regelmäßigen Kursen | |
und Seminaren, wie aus dem Trio Kirschen, Sahne und Kirschwasser eine runde | |
Sache wird. Dieses Angebot ist gefragt. | |
Markenrechtlich geschützt ist die Torte nicht, produziert werden darf sie | |
überall auf der Welt – auch mit Veränderungen. Ein Schwarzwälder | |
Bäckermeister etwa hat aus den Originalrezepten der Torte vor fünf Jahren | |
einen Kuchen in der Dose entwickelt. | |
12 Oct 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.cafe-schaefer-triberg.de/deutscheversion/schwarzwaelderkirsch/in… | |
## AUTOREN | |
Jürgen Ruf | |
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