# taz.de -- Die Wahrheit: Der Spaßvogel Žižek | |
> „Treffen sich zwei Hegelianer...“: Philosophen sollten besser keine Witze | |
> erzählen. Das gilt auch für einen slowenischen Tausendsassa. | |
Er gilt als der Überflieger der zeitgenössischen Philosophie – der | |
slowenische Tausendsassa Slavoj Žižek. Kein Thema lässt er aus, kommt vom | |
Hölzchen nicht nur aufs Stöckchen, sondern schiebt auch schon mal ganze | |
Balken vor die Ohren seiner Zuhörer. | |
Sieht man ihn in Fernsehinterviews, sitzt er im verschwitzten T-Shirt auf | |
einem unbequemen Stuhl und zischelt ohne Punkt und Komma über irgendetwas | |
her: mit Betonung auf „zischelt“, denn leider hat sein sch-zentrierter Name | |
schwer auf seinen Duktus abgefärbt. Eigentlich scheint er als Entertainer | |
wie geschaffen zu sein für den Durchbruch der Philosophie zur neuen | |
Comedy-Sparte. | |
Aber dann dies Buch, das vor einem Jahr auf Deutsch erschienen ist! Ein | |
Weihnachtsgeschenk, das irgendwie in die Keksdose mit den alten | |
Weihnachtsplätzchen geraten sein muss, denn erst kürzlich fiel es da heraus | |
und wieder ins Auge. Dabei ist es ihm wie den Plätzchen ergangen: Sein | |
Inhalt wurde nicht frischer. | |
Auf Deutsch trägt es den Titel: „Treffen sich zwei Hegelianer . . .“, und | |
der rückwärtige Klappentext verspricht „Die besten Witze von Slavoj Žižek… | |
Aber ist überhaupt ein Witz von ihm? Nach der Lektüre kann man behaupten: | |
nein! Die meisten stammen aus Jugoslawien und der alten Sowjetunion, den | |
Rest besorgen Anleihen an den jüdischen Humor und Witze über Jesus und | |
Maria. Und was das Schlimmste ist: Jede Pointe – wenn überhaupt eine zu | |
erkennen ist – wird von Žižek zunichte doziert. | |
## Jahaa, wir haben es verstanden! | |
Seine postpointischen Erläuterungen lassen nur den Schluss zu, dass er dem | |
Gag an sich letztlich doch nicht über den Weg traut. Eines der kürzeren (!) | |
Beispiele mag das belegen. Žižek schreibt: „Als der kommunistische | |
rumänische Schriftsteller Panait Istrati Mitte der dreißiger Jahre, der | |
Zeit der großen Säuberungen und Schauprozesse, die Sowjetunion bereiste, | |
wollte ein Verteidiger des Regimes ihn von der Notwendigkeit überzeugen, | |
mit Gewalt gegen den Feind vorzugehen, und berief sich dabei auf das | |
Sprichwort: ,Man kann kein Omelette zubereiten, ohne ein paar Eier zu | |
zerschlagen.‘ Istratis knappe Antwort lautete: ,Nun gut, die zerschlagenen | |
Eier sehe ich; aber wo ist euer Omelette?‘ “ So weit verstanden und okay. | |
Doch dann fügt Žižek erklärend an: „Genau dasselbe sollten wir auch zu den | |
vom Internationalen Währungsfonds verordneten Sparmaßnahmen sagen. Die | |
Griechen haben jedes Recht zu fragen: ,Nun gut, wir zerschlagen unsere Eier | |
für ganz Europa, aber wo ist das Omelette, das ihr uns versprochen habt.‘ “ | |
Jahaa, wir haben es ver-stan-den! | |
Der gelehrte Mann findet aus seiner Rolle leider nicht heraus, da hätte der | |
Titel schon Warnung genug sein können. Ausgerechnet den triefäugigen | |
preußischen Staatsphilosophen Hegel und dessen Anhänger zu bemühen, ist | |
eigentlich schon Spaßbremse genug. Wenn’s überhaupt einen deutschen | |
Idealisten mit Humorzugang gegeben hat, dann war das wohl Kant. Dessen | |
Definition des Lachens als „Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer | |
gespannten Erwartung in nichts“ hatte wenigstens auch noch für den | |
scheiternden Erzähler einen Ausweg parat: eben das Nichts. | |
Dabei soll Kant in seinen mittleren Jahren als Unterhalter regelmäßig im | |
Zentrum der Königsberger Gesellschaften gestanden haben. Schon damals hätte | |
es Žižek also sehr schwer gehabt. Witze werden leider nicht dadurch | |
philosophisch, dass sie ein Philosoph erzählt. | |
## Er erklärt allen Ernstes die Pointe | |
An der Göttinger Universität gab es im vorigen Jahrhundert den greisen | |
Philosophen „Ede“ Meyer. Der pflegte das antike und von Nicolai Hartmann | |
reaktivierte ontologische Kategorienmodell der Seinsarten den rund tausend | |
Anwesenden im Hörsaal zu erklären, speziell den Unterschied belebter und | |
unbelebter Materie: „Sie können ein Herren- und ein Damenfahrrad noch so | |
lange in einen dunklen Keller sperren – und Sie bekommen dennoch kein | |
Kinderfahrrad!“ Das hat gesessen, Herr Žižek! | |
Einen hätten wir noch: Karl Popper und Norbert Wiener treffen sich in der | |
Londoner U-Bahn. Popper ist sich unsicher und fragt nach: „Sagen Sie, sind | |
Sie nicht Wiener?“ Wiener gibt leicht irritiert zurück: „Ja, und Sie?“ �… | |
„Ich auch!“ | |
Natürlich kennt Žižek die Großen der zeitgenössischen Komik. Er zitiert die | |
Marx Brothers und Monty Python, er bringt Beispiele aus | |
Ernst-Lubitsch-Filmen, aber lustig bleibt’s nur, wenn er nichts dazu sagt. | |
So erklärt er etwa allen Ernstes die Pointe aus dem Monty-Python-Film „Sinn | |
des Lebens“, als zwei Männer vom „Institut für lebende Organspende“ bei | |
einem Ehepaar klingeln und die Leber des Ehemanns wollen. | |
Die Witze also, die er unkommentiert lässt, sind die besten. Verwiesen sei | |
etwa auf den auf Seite 115 über den früheren kroatischen Staatspräsidenten | |
Franjo Tudjman. Der ist gut. Aber es ist halt ein verflucht | |
exjugoslawischer . . . | |
16 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Umbach | |
## TAGS | |
Slavoj Zizek | |
Humor | |
Philosophie | |
Philosophie | |
Linke | |
Gedicht | |
Claus Weselsky | |
Joachim Gauck | |
Pferdesport | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Bizeps-Bekenntnis | |
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Heute darf sich die | |
Leserschaft an einem Poem zum Welttag der Philosophie erfreuen. | |
Philosoph Žižek in Hamburg: Gastspiel eines Hoffnungsträgers | |
Wenn Slavoj Žižek am Donnerstag ins Schaupielhaus kommt, wird er Hamburg | |
nicht nur mit postapokalyptischen Überlegungen konfrontieren. | |
Die Wahrheit: Tiere in größerer Menge | |
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Heute darf sich die | |
Leserschaft an einem Poem über Meuten, Rotten, Herden erfreuen. | |
Die Wahrheit: Gleisritters Rückkehr | |
Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL, überrascht mit einem | |
erstaunlichen beruflichen und privaten Neuanfang. | |
Die Wahrheit: Dunkeldeutschlands Erhellung | |
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Heute darf sich die | |
Leserschaft an einem Poem über ein tapfer ausgesprochenes Wort erfreuen. | |
Die Wahrheit: Der Fluch der Hinterhand | |
Heute ist außerplanmäßig Gedichtetag auf der Wahrheit. Die geneigte | |
Leserschaft darf sich an einem Poem über Spieler und Pferde erfreuen. |