# taz.de -- Die Wahrheit: Deniz und der deutsche Sprachmüll | |
> Was tun, wenn einem ein Nichtbiodeutscher die peinlichen Verhunzungen | |
> antirassistischer Zunge um die Ohren schlägt? Ja, was tun …? | |
Bild: Im Nettnapf der Höflichkeitshölle. | |
Deniz legt großen Wert auf das Getto-Z in seinem Namen, und auch sonst ist | |
er äußerst sensibel, was Sprache angeht. Stößt er wieder mal auf eine | |
semantische Peinlichkeit, bin ich der Erste, dem er die Schandtat um die | |
Löffel haut. Wenn er zum Beispiel das Wort „AlltagsrassistInnen“ aus einem | |
antirassistischen Flugblatt vorliest, klatscht er mir jede einzelne Silbe | |
um die Ohren wie einen nassen Butt, als trüge ich die gesamte Verantwortung | |
für jeden achtlos dahingeschluderten deutschen Sprachmüll. Leider reagiere | |
ich auch diesmal zu träge. | |
Erst Stunden später wird mir einfallen, dass Deniz Deutscher ist, einen | |
größeren deutschen Wortschatz besitzt als 90 Prozent der sogenannten | |
Biodeutschen; dass er wahrscheinlich noch Windeln trug, als er zuletzt | |
seine Mutter- und Vatersprachen, Kurdisch und Armenisch, gesprochen hat; | |
dass sein deutscher Pass ihn mittlerweile als volljährig ausweist; und dass | |
er in Steilshoop aufgewachsen ist, einer Art Hamburger Bonsai-Ausgabe von | |
Marzahn-Hellersdorf. | |
Doch ich falle wieder mal auf seine „Migrant entdeckt typisch deutschen | |
Sprachmist“-Nummer herein. Ist das Binnen-I nicht aus Respekt vor Frauen | |
entstanden? Selbstverständlich lässt er mir keine Chance, die Frage zu | |
beantworten. Was ist das für ein Respekt, die Frauen mit in die | |
Rassisten-Kloake zu schubsen? Na ja, irgendwie ist das ja konsequent | |
bescheuert! Da wäre es einfacher, Rassist zum Neutrum zu erklären – wie | |
Arschloch. Oder gleich „Rassistenarschlöcher“ zu schreiben oder | |
„Alltagsrassistenarschlöcher“. Die ganz Eifrigen würden wohl | |
„AlltagsrassistenarschlöcherInnen“ daraus machen, ihr Deutschen seid ja | |
echt bekloppt, spricht der Deutsche Deniz. Überhaupt, Alltagsrassimus, was | |
soll das sein? Montag bis Freitag Hassbotschaften posten und am Sonntag zur | |
Gospelmesse pilgern? | |
Wieder kriege ich keine Chance auf Antwort. Beherrschen den | |
Alltagsrassismus nicht besonders gut Innenministerdarsteller, die unsere | |
deutschen Neger wunderbar finden, wenn diese dem weißen Massa mit ihren | |
Negerkunststückchen die Zeit vertreiben? Und wenn man es für nötig hält, | |
unter Rassisten zu differenzieren, was für eine Sorte Rassisten sind dann | |
die anderen? SonntagsrassistInnen? Berufsrassisten? | |
Ich taumele, tief getroffen von der Schuld, ein deppertes Volk mit einer | |
verhunzten Sprache zu repräsentieren. Deniz spürt meine Schwäche und gibt | |
mir den Rest, indem er auf süffisant umschaltet: Außer den Nazis waren auch | |
viele „AlltagsrassistInnen“ beim Pegida-Auflauf, zitiert er affig | |
übertrieben. „AlltagsrassistInnen“ bellen nur und beißen nicht, es sind ja | |
nur besorgte Bürger und gar keine richtigen Rassisten. Und Frauen dürfen | |
auch mitspielen. | |
Meine kleinlauten Einwände – die Flugblattmacher sind doch die Guten, | |
besser Antifaschist mit Rechtschreibschwäche als AfD-Professor – verhallen | |
ungehört. Absolution erhalte ich erst durch die Übernahme der Zeche: acht | |
Bier, zweimal Schnipo Schranke (auf Deutsch: Schnitzel mit Pommes | |
rot-weiß). | |
5 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Joachim Frisch | |
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