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# taz.de -- Papst fordert Fluchthilfe: Im zweiten Namen der Liebe
> Jede Gemeinde solle eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen, fordert Papst
> Franziskus. Davon sind Berlins Kirchen weit entfernt.
Bild: Schützende Hände für die Flüchtlinge
Beim Angelusgebet am Sonntag griff Papst Franziskus zu einem altbekannten
Bibelzitat: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt
ihr mir getan“. Er meinte es ganz konkret: Jede Pfarrgemeinde in Europa
solle eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen, sagte der oberste Kirchenmann.
Jeder Bischof solle dieses Anliegen in seiner Diözese unterstützen und
daran denken: „Barmherzigkeit ist der zweite Name der Liebe.“
In Berlin ist der Bischofssitz gerade vakant – erst in zwei Wochen tritt
Heiner Koch die Nachfolge von Rainer Maria Woelki an. Laut Stefan Förner,
Sprecher des Erzbistums, engagieren sich aber viele Gemeinden von sich aus:
„Etwa die Hälfte der Pfarreien tut bereits etwas für Flüchtlinge und hat
auch schon Unterkünfte angeboten.“ Zentral koordiniert werde das nicht.
Unterm Strich sei man weit davon entfernt, den päpstlichen Appell zu
erfüllen, räumt Förner ein: „Da können wir noch nicht Vollzug melden.“
Gerade Brandenburger Gemeinden böten sich durch ihre räumliche Lage auch
nicht unbedingt an. Im Erzbistum, das neben Berlin große Teile Brandenburgs
und die Region Vorpommern umfasst, gibt es 105 Gemeinden mit 211
Kirchengebäuden.
Aber ist denn der Wunsch des Oberhirten Befehl? „Der Papst hat da etwas
bekräftigt, was ohnehin Pflicht ist“, sagt Förner. Ob man die Quote
tatsächlich erfüllen könne, werde sich zeigen. „Es gibt da keine
Sanktionen, aber der Appell hat eine Verbindlichkeit, aus der sich keiner
herausnehmen kann.“ Menschen, die in Not sind, nicht abzuweisen, sei ja bei
Christen „im Gründungsprogramm angelegt“.
Jenseits der Gemeinden ist das katholische Sozialwerk Caritas seit langem
in der Arbeit mit Flüchtlingen tätig. Es hat auch die Trägerschaft von
Flüchtlingsheimen inne – seit Kurzem gibt es eine Caritas-Unterkunft auf
dem Gelände des St.-Hedwig-Krankenhauses in der Großen Hamburger Straße, wo
bis zu 100 Flüchtlingen vorübergehend wohnen können. Rund um das Landesamt
für Gesundheit und Soziales (Lageso) hat die Caritas inzwischen das
Platzmanagement übernommen.
## Keine Hintergedanken
Die Vermutung, dass die kirchlichen Helfer Flüchtlinge christlichen
Glaubens bevorzugten oder andere missionierten, weist Bistumssprecher
Förner von sich: „Wir kümmern uns um jeden, ohne Hintergedanken.“ Als ein
Priester zum Jahreswechsel ins Hedwig-Krankenhaus kam, um nach altem Brauch
die Gebäude mit Weihwasser zu segnen, habe man bei der
Flüchtlingsunterkunft bewusst darauf verzichtet: „Jemand hätte das als eine
Art Zwangstaufe interpretieren können.“
Wie sieht es bei der zahlenmäßig weitaus stärkeren evangelischen Kirche
aus? „Ich erlebe eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft“, sagt Propst
Christian Stäblein, einer der Leiter der Landeskirchen-Verwaltung. Die
Gemeinden in Berlin und Brandenburg zeigten großes Engagement für
Flüchtlinge, „dafür bin ich sehr dankbar“.
Laut Heike Krohn, Sprecherin der Evangelischen Landeskirche (EKBO), hat die
Landessynode – sozusagen das Mitglieder-Parlament – im Herbst 2014 eine
halbe Million Euro für die Unterstützung der kirchlichen Flüchtlingsarbeit
freigegeben. Ebenso viel sei für den für den kommenden Haushalt vorgesehen.
Damit werde die Arbeit von Kirchengemeinden und Einrichtungen der Diakonie
unterstützt.
In jüngster Zeit, so Krohn, seien „hunderte Ehrenamtliche“ aktiv, um die
Ankommenden mit dem Nötigsten zu versorgen. „Kirchen und Gemeinderäume“
seien aber „in aller Regel nicht geeignet, Flüchtlinge menschenwürdig
dauerhaft unterzubringen“. Noch im September werde dafür in der Kreuzberger
St.-Simeon-Kirche eine „Flüchtlingskirche“ entstehen, wo Beratung angeboten
werde.
## Verschlossene Türen
Dass nicht jede Gemeinde ihre Türen öffnet, hat der Musikjournalist Alex
Samuels erfahren, der für die Initiative „Moabit hilft“ Flüchtlinge vom
Lageso zu Privatunterkünften fährt. Ihm stieß sauer auf, dass die Kirchen
des Kleinen Tiergartens verschlossen blieben, als im Park teilweise
hunderte Menschen nächtigten, darunter Familien mit kleinen Kindern. „Ich
habe dann bei einer geklingelt und der Pastorin gesagt, wie unverständlich
ich das finde“, erzählt Samuels. Antwort: Es sei nicht die Funktion einer
Kirche, Leute unterzubringen. „Immerhin hat sie sich für den ‚Input‘
bedankt“, so der Helfer.
7 Sep 2015
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Papst Franziskus
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Schwerpunkt Flucht
Flüchtlingshilfe
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Schwerpunkt Flucht
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