# taz.de -- Konsum: Von wegen regional | |
> Auf der regionalen Produktbörse der IHK bieten Start-ups exotische | |
> Nascherein an. Aus der Region kommt nur ein Bruchteil der Lebensmittel. | |
Bild: Koawach-Erfinder Daniel Duarte und Heiko Butz aus Köln: Sie mischen, was… | |
Es riecht nach Kakao, während Lina Zuppke die Milch erwärmt. „Kuhmilch | |
wollten Sie, keine Sojamilch, richtig?“ Sie hat eine hellbraune Kakaotüte | |
mit der Aufschrift „Koawach“ geöffnet und füllt zwei Löffel in den | |
Pappbecher. Vier Besucher schauen ihr zu, sie haben sich um den | |
Koawach-Messestand versammelt. „Das ist die klassische Sorte, wir haben | |
aber auch Kakao mit Zimt- und Chillinoten“, erklärt Zuppke. | |
Klingt exotisch. Doch so besonders schmeckt der Koawach gar nicht. Eher wie | |
profaner Kakao aus dem Supermarkt. „Das Besondere an unserem Kakao ist der | |
belebende Guarana-Extrakt“, sagt Zupke. Guarana ist [1][ein | |
südamerikanisches Seifenbaumgewächs], das ähnlich wie Koffein eine | |
aufputschende Wirkung hat. Schön und gut, aber kann man da nicht gleich | |
Kaffee trinken? „Nein, denn Guarana ist viel gesünder und wirkt länger als | |
Koffein“, sagt sie. Aha. | |
## Affenbrotbaum aus Afrika | |
Auf der Produktbörse für regionale Lebensmittel-Unternehmen der | |
[2][Industrie- und Handelskammer (IHK)] jedenfalls komme der „Koawach“ gut | |
an. Zupke erzählt von „zahlreichen Kontakten“, die sie hier schon zu | |
Supermärkten geknüpft habe. | |
Rund 200 Unternehmen schlendern am Dienstag durch den ersten Stock des | |
IHK-Gebäudes in der Fasanenstraße. Unter ihnen Einzel- und Großhändler | |
sowie Köche und Catering-Dienste; alle auf der Suche nach angesagten | |
Produkten. An den 43 Ständen verköstigen sie Speiseeis, Salatsoßen oder | |
Detox-Smoothies. Zum dritten Mal veranstaltete die IHK die vierstündige | |
Minimesse. | |
Das Besondere an der Produktbörse: Für die regionalen Aussteller ist sie | |
kostenlos. So können auch kleine, neu gegründete Lebensmittelunternehmen, | |
sogenannte Start-ups, ihre Produkte vorstellen. „Wir bieten die Messe als | |
eine Art Service für unsere Mitglieder aus dem Handel an und fördern | |
zugleich die Start-up-Szene in der Lebensmittelbranche“, sagt Organisatorin | |
Simone Blömer von der IHK. | |
Koawach ist so ein Start-up. In einer Kölner WG mischten zwei Studenten aus | |
Jux Guarana-Pulver in ihren Kakao. Eine Produktidee war geboren. Die beiden | |
zogen nach Kreuzberg und gründeten Koawach. Natürlich werden alle Zutaten | |
fair gehandelt und biologisch angebaut. Sie stammen unter anderem aus der | |
Dominikanischen Republik und Brasilien. Köln und südamerikanische Rohstoffe | |
– das klingt nicht wirklich nach einem regionalen Produkt. Na ja, | |
vielleicht kommen die „Smoothies aus der Dose“ am Stand nebenan ja aus | |
Berlin. Berlin Organics heißt die Frima. | |
## „Berlin Beef Balls“ ohne Bio-Siegel | |
Klaas Koolmann hat sie Anfang des Jahres gegründet. Er stellt Pulver her, | |
mit dem man Smoothies mixen kann. In seinem blauen Sakko beugt er sich über | |
verschiedenfarbige Dosen auf dem Tisch. Es gibt mehrere Sorten: | |
„Kraftpaket“ stärke die Muskulatur, „Schutzschild“ sei gut für das | |
Immunsystem. „Es enthält Baobab-Pulver, das ist unter Veganern der letzte | |
Schrei“, sagt Klaas Koolmann. Es stamme vom Affenbrotbaum. Affenbrotbaum? | |
Der wächst aber nicht im Spreewald, oder? „In Afrika“, sagt Koolmann und | |
rückt sein Sakko zurecht. Afrika, ach so. | |
An anderen Ständen zeigt sich: Kaowach und das Baobab-Pulver sind keine | |
Ausnahmen. Nur ein Bruchteil der Produkte hier stammt tatsächlich aus der | |
Region Berlin-Brandenburg. „Die einzige Bedingung für die Teilnahme an der | |
regionalen Lebensmittelproduktbörse ist der Unternehmenssitz“, sagt Simone | |
Blömer von der IHK. In Berlin oder Brandenburg gemeldet zu sein reicht | |
also, um vermeintlich regionale Produkte bei der IHK vorstellen zu können. | |
Drei Stände vom Smoothie-Pulver entfernt schieben sich gerade drei Herren | |
in Anzügen Hackfleischbällchen rein. Nein, „Berlin Beef Balls“ heißen die | |
Teile. „Aus Liebe zum Hack“ lautet der Werbespruch. Dieses Hack komme aus | |
Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg, erfährt man von einem der Beef Boys – | |
so nennen sich die Gründer. Ist das Fleisch bio? „Wir bemühen uns noch um | |
eine Zertifizierung“, sagt der Anbieter. | |
Für die IHK brauchen sich die Beef Boys da keine Mühe zu machen. „Das | |
Biosiegel ist für die Produktbörse kein Ausschlusskriterium – wir sind da | |
relativ offen“, sagt Blömer. | |
15 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Guaran%C3%A1 | |
[2] https://www.ihk-berlin.de/ | |
## AUTOREN | |
Julian Rodemann | |
## TAGS | |
Trend | |
Biofach | |
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