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# taz.de -- Vertane Chance: Kampf gegen die Bagger verloren
> Nach langem Ringen um das ehemalige Kraftwerk am Großen Hafen in
> Wilhelmshaven beginnt der Abriss.
Bild: Wird plattgemacht: die seit 1987 unter Denkmalschutz stehende Südzentral…
Wilhelmshaven taz | Wilhelmshaven ist pleite. Bereits im dritten Jahr in
Folge bekommt die Stadt Geld aus dem kommunalen Finanzausgleich, weil sie
ihre Ausgaben nicht mehr allein decken kann. Klar, dass in derart prekärem
Klima die Denkmalpflege ganz hintenanstehen muss. So durfte der vergangene
Woche begonnene Abriss des Baudenkmals Südzentrale am Großen Hafen dann
auch niemanden wirklich überrascht haben. Schließlich liegen der
Gemeinschaft der Eigentümer aus dem westfälischen Ibbenbühren seit Jahren
immer wieder genehmigte Abrissanträge vor. Trotzdem hatten die Abrissgegner
bis zuletzt die Hoffnung nicht aufgeben wollen, den zerzausten Bau doch
noch retten zu können.
Das ehemalige Kraftwerk der kaiserlichen Marine wurde ab 1909 in mehreren
Bauphasen zu einem der seinerzeit leistungsstärksten Stromerzeuger Europas
ausgebaut. Seit 1987 steht die Südzentrale unter Denkmalschutz. Ein
Wilhelmshavener hatte das beantragt, nicht etwa die Kommune. Aber auch
dieser Denkmal-Status konnte nicht verhindern, dass das Gebäude seit der
Betriebsaufgabe 1993 der Verwahrlosung und dem Verfall preisgegeben wurde.
Und dass, obwohl der bauhistorische Wert des Gebäudes unter Fachleuten
unumstritten ist.
Im Ensemble mit der 1907 erbauten Kaiser-Wilhelm-Brücke, die die Stadt 2010
bis 2013 für gut sieben Millionen Euro aufwendig restauriert hat, sehen
manche gar Potenzial zum Unesco-Weltkulturerbe. Weil das Ensemble den
militärisch-industriellen Entwicklungsschub im deutschen Kaiserreich
symbolisiere. Aber statt Welterbe zu werden, verschwindet die Südzentrale
nun.
Dass der heruntergekommene Bau überhaupt so lange stehenblieb, ist
verschiedenen Initiativen und einem lokalen Förderverein zu verdanken, der
sich 2011 gründete und derzeit gut 400 Mitglieder zählt. Dieser Verein
zeigte Ende 2014 auch finanzielles Engagement und bot den Eigentümern
800.000 Euro für die Südzentrale. Eine Genossenschaft als Träger der
Immobilie stand seither in den Startlöchern. Ganz hoffnungsvoll verliefen
auch Gespräche des Vereins mit Vertretern der Landespolitik, etwa mit dem
niedersächsischen Umweltministerium. Man könne sich vorstellen, hieß es
dort, das Kompetenzzentrum des Unesco-Weltnaturerbes Wattenmeer in der
Südzentrale einzurichten. Das Sekretariat und ein Besucherzentrum sind ja
bereits in Wilhelmshaven.
Aber die administrativen Mühlen mahlen, zumal bei internationalen
Abstimmungen, recht gemächlich. Und sowieso wäre für eine langfristige
Anmietung letztlich nur ein Instand gesetztes Objekt infrage gekommen und
kein heruntergekommenes Gebäude. Aber es war eben der besagte Silberstreif
am Horizont, an den sich die Abrissgegner da klammerten. Vorher waren schon
andere Luftschlösser geplatzt, etwa das Lebenswerk des Malers Rainer
Fetting, gebürtiger Wilhelmshavener, in der Südzentrale auszustellen.
Drei seltene Fledermaus-Arten, die seit Jahren ihr Winterquartier in der
Südzentrale bezogen, brachten zuletzt neben denkmalpflegerischen auch
naturschutzrechtliche Aspekte ins Spiel und sorgten für zusätzlichen
zeitlichen Spielraum bis zu diesem Sommer. Diese Zeit ließen die
Wilhelmshavener Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung, wie schon
seit gut 20 Jahren, ungenutzt verstreichen. Nicht einmal Finanzmittel, etwa
aus dem Städtebauförderungsprogramm des niedersächsischen
Sozialministeriums, wurden jemals für eine Standortentwicklung des
Baudenkmals beantragt. Immerhin bekommt Wilhelmshaven in diesem Jahr für
seine Südstadt aus diesem Topf 1,6 Millionen Euro.
Und wegen der ungenutzten Chancen verstört der Abriss der Südzentrale dann
doch: Nicht nur, weil die Eigentümer von Beginn an von ihrer
Instandhaltungspflicht gemäß niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes
entbunden wurden. Sondern auch, weil das Argument, der Erhalt der
Südzentrale sei wirtschaftlich unzumutbar, durch das Kaufangebot des
Fördervereins entkräftet wird. Die einzige Legitimierung für die Zerstörung
eines Kulturdenkmals ist also nicht mehr gegeben und der Abriss hätte von
der zuständigen Denkmalschutzbehörde gar nicht mehr genehmigt werden
dürfen.
Bei den Vereinsmitgliedern ist die Enttäuschung entsprechend groß. Immer
wieder sei man Aufforderungen der Kommune gefolgt, doch selber aktiv zu
werden, erzählen sie. 2014 etwa wurden 20.000 Euro für ein Gutachten einer
Hamburger Beratungsagentur aufgebracht, das touristisch-kulturelle
Entwicklungschancen für die Südzentrale auslotete. Vor Verwaltung und
Politik verpuffte das aber schlichtweg. Ein anderes Beispiel: Studierende
der Jade-Hochschule fertigten ein 3-D-Laserscanning-Aufmaß an, das Ende
2014 die Standfestigkeit des Tragwerks der Südzentrale belegte. Nun haben
die Eigentümer eben diese Tragfähigkeit infrage gestellt und Einwände der
Stadt blieben aus.
Auch das Los der geschützten Fledermaus-Arten interessiert nicht, es könne
ja ein baulicher Rest als weiteres Quartier erst einmal stehen bleiben,
heißt es von offizieller Seite. Denn Druck, so ließen die Eigentümer
verlautbaren, laste auf ihrer Planung für eine Nachnutzung des
freigeräumten Grundstückes nicht. Was dort geschehen soll? Darüber
schweigen Eigentümer und Kommune bisher.
11 Aug 2015
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Wilhelmshaven
Denkmalschutz
Wilhelmshaven
Kulturpolitik
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