Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Komödie mit Einheimischen: Der Angriff der Klickmonster
> Wenn ein Youtube-Star aus der schleswig-holsteinischen Provinz sich
> langweilt, dreht er einen Film, in dem Zombies eine Schulhof-Liebe
> gefährden.
Bild: Flucht über die Schulflure: Leo Weiß (r.), seine Freunde und die Virus-…
Am Sonntag herrschte Ausnahmezustand in der schleswig-holsteinischen
Provinz: In Heide wurde die Premiere des Spielfilms „Kartoffelsalat“
gefeiert, und dazu waren 5.000 Fans angereist, überwiegend minderjährig,
die zum Teil so kreischten und hyperventilierten wie früher junge Mädchen
bei den Beatles oder späteren Boygroups.
Heute sind es Youtube-Stars, die Zwölfjährige so aus dem Häuschen bringen.
Und deren geballte Begeisterung ist so beängstigend, dass die eigentlich im
Sony Center am Potsdamer Platz geplante Premiere abgesagt werden musste:
Die Berliner Verwaltung wollte für die erwartete Stampede hysterischer
Teenager keine Genehmigung erteilen. Auch in Hamburg und Essen winkten die
Zuständigen ab, und so besann man sich darauf, dass Heide mit seinem
„größten unbebauten Marktplatz Deutschlands“ mit den erwarteten
Menschenmassen wohl fertig werden könnte.
## Internet-Star kommt auf die Leinwand
Heide ist aber auch der Heimatort des Regisseurs Michael David Pate. Dieser
hatte dort seinen ersten Film „Gefällt mir“ gedreht, „Kartoffelsalat“ …
entstand im 15 Kilometer entfernten Wesselbüren, wo wiederum der Star des
Films lebt und wirkt: Torge Oelrich. Als „Freshtorge“ produziert er kleine
witzige Videos, die im Internet zu, gelinde gesagt, Publikumserfolgen
wurden: Mit mehr als 240 Millionen Views und knapp anderthalb Millionen
Abos ist er einer der erfolgreichsten Youtube-Stars in Deutschland.
Wie geschickt er auch die traditionellen Unterhaltungsmedien zu nutzen
versteht, hat er schon gezeigt, als sein Popsong „Superstar“ zu einem
kleinen Hit und sein Taschenbuch „Tagebuch“ zu einem Bestseller wurde. Da
war ein Kinofilm wohl der nächste logische Schritt.
Oelrich verfasste das Drehbuch, spielt nicht nur die Hauptrolle, sondern
auch noch – in abenteuerlichen Verkleidungen – eine Frau sowie einen
Schwulen. Oelrich war es auch, der Pate als Regisseur anheuerte, das junge
Kinotalent aus der Nachbarstadt. Zudem war er so klug, viele andere
Youtube-Performer wie Bibi, Dagi Bee.
Y-Titty und Simon Descue mitspielen zu lassen, sodass auch deren Fans sich
den Film ansehen dürften. Und schließlich erkannte gar ein alter Hase des
Showgeschäfts wie Otto Waalkes das Potenzial solch eines Projekts: Er
unterstützt „Kartoffelsalat“ nicht nur als „Executive Producer“, sonde…
tritt auch selbst auf: als dösbaddeliger Dorfpolizist sowie in einigen
anderen kleinen Rollen. Und noch andere Comedy-Stars alter Schule wollen
die Revolution nicht verschlafen, und so sind Maddin Schneider, Katrin
Karrenbauer sowie Norbert Heisterkamp mit dabei, und Jenny Elvers sagt
sogar gleich ein paarmal in die Kamera, dass sie gerade „auf Entzug“ sei.
Gedreht wurde so kostengünstig wie möglich in Wesselbüren, vor allem in der
dortigen Schule, und viele Einwohner wirkten als Laiendarsteller oder
Statisten mit. Weil die zuweilen billige, absichtsvoll amateurhafte
Arbeitsweise der Youtuber, bei der Fehler eher amüsieren als stören, als
Stilmittel genutzt wurde, war der Film mit einem Budget von knapp einer
Million Euro sehr kostengünstig hergestellt.
Eine Handlung hat „Kartoffelsalat“ natürlich auch, oder zumindest Spuren
davon: Freshtorge spielt den extrem linkischen Schüler Leo Weiß, den keiner
an seiner Schule mag und der sich auch noch in die schlimmste blonde Zicke
in seiner Klasse verliebt. Dann bricht ein Virus aus, und die meisten
Mitschüler und Lehrer verwandeln sich in Zombies.
Es gibt tumbe Polizisten und lange Verfolgungsjagden durch die Flure der
Schule, bei denen weiße Kontaktlinsen, blau verschmierte Münder, verkrallte
Hände und das für Zombies typische Herumtapsen genügen, um brave
Wesselburener als gefährliche Untote erscheinen zu lassen. Leo Weiß wird
schließlich zum Helden, als er ein – erstaunlicherweise pädagogisch
wertvolles – Gegenmittel findet und wenn auch nicht die Welt, dann
zumindest seine Klasse rettet. Es gibt dann noch einen genretypischen Dreh
im letzten Akt, aber Leo kriegt sein Mädchen.
Otto Waalkes ist für all das schon der passende Schutzpatron, denn Vorbild
standen hier ganz offensichtlich seine eigenen, einst „Blödelfilme“
genannten, allerdings auch immens erfolgreichen Streifen. Statt auch nur zu
versuchen, einen dramatischen Spannungsbogen aufzubauen, haben Oelrich und
Pate Sketche aneinander gereiht – und lassen dabei keinen noch so blöden
Gag aus.
Gerne nimmt Oelrich etwa Redewendungen allzu wörtlich, und so wird bei dem
Befehl „Halt den Schnabel“ einem ausgestopften Vogel an den Schnabel
gefasst; auch ein Teufel wird tatsächlich in einem Schulzimmer „an die Wand
gemalt“. Es fehlt auch nicht der aus vielen Comicsendungen altbekannte
Gastauftritt der Kanzlerin, die von hinten mit Perücke und verstellter
Stimme einen banalen Kommentar zu Lage der Nation in die Kameras säuselt.
Frecher ist da schon ein Zitat, das auf die Fernsehserie „Breaking Bad“
verweist: Derval de Faria spielt einen alten gelähmten Latino, der nur noch
durch das Klingeln einer Glocke an seinem Rollstuhl kommunizieren kann.
Leider macht Oelrich nicht viel daraus: Statt zu parodieren, gibt er sich
mit dem bloßen Wiedererkennungseffekt zufrieden. Kartoffelsalat wird
übrigens in keiner einzigen Szene gegessen. Warum der Film dennoch so
heißt? Nicht dass der Untertitel es erklärte, aber er spricht es indirekt
an: „Nicht fragen!“
## Wiedererkennungseffekt statt Parodie
Genau mit dieser Art von Humor ist Freshtorge im Netz so erfolgreich
geworden. Er funktioniert nicht, obwohl, sondern weil er so flach und
vorhersehbar ist – und eine Komödie ist dann gelungen, wenn viele Zuschauer
darüber lachen. In diesem Sinne ist „Kartoffelsalat“, übrigens auch hier
ganz in der Tradition der Otto-Filme, komplett verrissresistent.
Es gibt aber einen anderen Widerspruch, der gegen einen Erfolg des Films an
den Kassen sprechen könnte: Gehen Youtuber überhaupt noch ins Kino? Im
Internet dürfte „Kartoffelsalat“ schon heute irgendwo zu finden sein, und
so wird sein Erfolg am Ende vielleicht eher in Klicks gemessen als in
Eintrittskarten.
23 Jul 2015
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Youtube
Komödie
Internet
Deutscher Film
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schlechte Bewertung für „Kartoffelsalat“: „Wir feiern das“
„Kartoffelsalat“ steht auf der Liste der schlechtesten Filme der Internet
Movie Database (IMDb) ganz oben. Der Regisseur versucht sich rauszureden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.