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# taz.de -- Verfilmung „Am grünen Rand der Welt“: Augenweide ohne Schweiß
> Je unkonventioneller die Heldin auftritt, umso konventioneller gerät der
> Film: „Am grünen Rand der Welt“ von Thomas Vinterberg.
Bild: Die freiheitsliebende Bathsheba Everdene (Carey Mulligan)
Das Findelkind Heathcliff, das auszieht und als gemachter Mann auf den
Gutshof „Wuthering Heights“ zurückgekehrt, die kecke Elisabeth, die sich
gegen die viktorianischen Standesregeln in „Stolz und Vorurteil“ auflehnt,
sind mit der Leinwand längst vertraut. In schöner Regelmäßigkeit arbeiten
sich Regisseure an britischen Romanklassikern ab und überraschen nicht
selten mit gewagten risikofreudigen Interpretationen.
In ihrer Adaption von Emily Brontes „Sturmhöhe“ besetzte Andrea Arnold den
„dunkelhäutigen Zigeuner“ Heathcliff mit einem schwarzen Schauspieler, um
dessen Außenseitertum zu verdeutlichen, aber auch um die Rolle des British
Empire als Umschlagplatz für Sklaven ins Bild zu setzen. Nicht nur die
Kälte der Umgebung, ebenso die des Winters spiegelte sich in ihren
entsättigten Bildern wider, während die Kamera vor roten Nasen und
Frostbeulen nicht zurückschreckte.
Ang Lee wiederum machte sich in „Sinn und Sinnlichkeit“ einen Spaß daraus,
das Pathos der Vorlage lustvoll zu überhöhen, ohne dabei die wahrhaft
zerrissenen Gefühle seiner Heldinnen und Helden zu überspielen.
## Freiheitsliebende Farmerin
Natürlich ist man neugierig, wenn sich ein Regisseur wie der Däne Thomas
Vinterberg, Mitverfasser des Dogma-Manifests, einen Liebesroman von Thomas
Hardy vornimmt.
So präzise wie behutsam begleitet der britische Schriftsteller in seinem
1874 erschienenem Buch „Am grünen Rand der Welt“ eine jungen Frau in
ländlicher Umgebung bei der ehrlichen, ja schonungslosen Erkundung ihrer
Gefühlswelt. Natürlich ist eine Schauspielerin wie Carey Mulligan („Drive�…
„Shame“), die resolute Toughness mit tiefer Verunsicherung zu vereinen
weiß, die ideale Besetzung für die freiheitsliebende Bathsheba Everdene.
Entgegen den Konventionen der Zeit betritt das Energiebündel männlich
dominiertes Terrain. Bathsheba beschließt, ihr Erbe anzutreten und die Farm
ihres Onkel im Alleingang als Frau zu bewirtschaften. Natürlich beschert
uns dieser aus der Reihe tanzende Wille die eine oder andere hübsche
Einlage. Bei einer Auktion übersehen die Kunden die Jung-Farmerin und ihre
Produkte, bis sie lautstark die Stimme erhebt und ihr Getreide zum
angemessenen Preis an den hochnäsigen Mann bringt. Man freut sich mit ihr,
wenn sie am Ende des Monats am Tisch thront und mit der Verwalterin den
Arbeitern das zugesagte Gehalt auszahlt.
## Gerne mehr davon
Ohne großen filmischen Aufwand befreien sich in diesen Momenten die Szenen
aus dem Gewand des Kostümfilms, lassen die Zeit und Umstände hinter sich
und erzählen von einer Frau, die sicher ihrer selbst immer bewusster wird.
Gerne hätte man mehr davon gesehen!
Doch je unkonventioneller seine Heldin auftritt, desto konventioneller wird
Vinterbergs Filmsprache. Angesichts des biederen Bilderreigens könnte man
von einer visuellen Kontraproduktivität sprechen.
Nie macht sich Vinterberg die Mühe, den besonderen Blick von Hardy auf die
südenglische Landschaft mit ihren endlosen Weiden und steilen Klippen
aufzugreifen, sondern er begnügt sich mit einer abgefilmten
Postkartenästhetik. Selbst die Schwerstarbeit auf dem Hof wird zur
schweißfreien Augenweide.
Bereits die Vorstellung von Bathsheba Everdene entspricht dem banalen
Klischee des Wildfangs: Ausgelassen reitet sie, lässt sich dabei auf dem
Pferdesattel nach hinten fallen, schaut in den Himmel und in die
Baumkronen. Beobachtet wird sie dabei von dem Schäfer Oak (Matthias
Schoenarts). Prompt verliebt er sich in das ungestüme Wesen. Man kann sich
des Eindrucks nicht erwehren, dass der Film von Beginn an von der
wechselseitigen Bestimmung der beiden weiß.
## Verräterischer Vorsprung
Es ist ein Wissensvorsprung, der seine Heldin und auch die Objekte ihres
Begehrens letztlich verrät, weil man ihr einen Schritt voraus ist.
Man spürt, dass Batshebas stürmische Gefühle zu dem Herzensbrecher Troy von
diesem missbraucht werden und dass es eher Vernunftgründe sind, die sie zu
einem reichen Gutsnachbarn ziehen. Der Zuschauer wird in die Rolle des
Besserwissers gedrängt. Dabei hätte man sich viel lieber und in aller
Gegenwärtigkeit gemeinsam mit Bathsheba Everdene von ihren Gefühlen und
ihrer Sehnsucht nach einer anderen als der ihr zugewiesenen Lebensrolle
überwältigen lassen.
16 Jul 2015
## AUTOREN
Anke Leweke
## TAGS
Literatur
Thomas Vinterberg
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