# taz.de -- Türkischer Ex-Präsident Demirel ist tot: Siebenmal Ministerpräsi… | |
> Er hat die Politik in der Türkei geprägt wie wenige andere im vergangenen | |
> halben Jahrhundert. Süleyman Demirel starb am Mittwoch im Alter von 90 | |
> Jahren. | |
Bild: Zweimal wurde seine Amtszeit durch einen Militärputsch beendet (Archivbi… | |
ANKARA ap | Der ehemalige türkische Präsident Süleyman Demirel ist tot. Er | |
starb am frühen Mittwochmorgen im Alter von 90 Jahren in der Hauptstadt | |
Ankara an Herzversagen und einer Atemwegsinfektion, wie Ärzte des | |
Güven-Krankenhauses im türkischen Fernsehen erklärten. Demirel war eine der | |
einflussreichsten türkischen Politiker der vergangenen 50 Jahre. Zwischen | |
1993 und 2000 war er Staatspräsident der Türkei, was den Höhepunkt seiner | |
vier Jahrzehnte andauernden politischen Karriere bildete. | |
Er diente zuvor insgesamt siebenmal als Ministerpräsident seines Landes – | |
zwei seiner Amtszeiten endeten in einem Sturz der Regierung durch | |
Militärputsche. Bei der Verkündung des Todes sagte seine persönliche Ärztin | |
Aylin Cesur: „Unser angesehener Präsident, der von dem Wasser, das wir | |
trinken, bis zum Strom, den wir nutzen, von Schulen, an denen wir gelernt | |
haben, zu diesen Krankenhäusern (...) und den Flughäfen dauerhafte Spuren | |
hinterlassen hat, ist dahingeschieden.“ | |
In Demirels Regierungszeit fällt der Wandel des Landes von der durch | |
Landwirtschaft geprägten hin zu einer industrialisierten und städtischen | |
Gesellschaft. Das bedeutete für viele Türken eine Erhöhung ihres | |
Lebensstandards. Seine Kritiker monierten jedoch, Demirel habe eine Kultur | |
symbolisiert, in der Macht wichtiger sei als Prinzipien. | |
Ihm wurde zudem vorgeworfen, er habe bei der Etablierung von | |
Klüngelwirtschaft und Bestechung geholfen. Seine Gegner verwiesen dabei oft | |
auf ein berüchtigtes „Familienfoto“, das Demirel mit Verwandten und | |
Partnern aus der Geschäftswelt zeigt – einige der Abgelichteten kamen | |
später wegen Korruption ins Gefängnis. | |
## Jüngster Ministerpräsident | |
Demirels politische Laufbahn begann nach dem Militärputsch 1960, der die | |
Regierung von Adnan Menderes entthronte. Menderes und zwei | |
Kabinettsmitglieder wurden hingerichtet, anderen Spitzenkräften ihrer | |
Partei wurde jegliches politisches Amt verboten. Dies sorgte für ein Vakuum | |
im gemäßigt rechten Spektrum der türkischen Politik. In diese Lücke drang | |
der bis dato politisch unbekannte Demirel ein, der gebürtig als Ingenieur | |
ausgebildet worden war. | |
Im Alter von gerade einmal 40 Jahren wurde Demirel überraschenderweise zum | |
Chef der neu formierten Gerechtigkeitspartei gewählt, die als | |
Nachfolgepartei des Menderes-Bündnis angesehen werden kann. 1965 wurde er | |
jüngster Ministerpräsident seines Landes. | |
Sein populistischer Stil und sein Einsatz für den Islam brachten „Sulu, dem | |
Hirten“, wie er wegen seiner Herkunft genannt wurde, viele Stimmen von | |
Konservativen ein. Die Entwicklung des Landes hin zur Industriegesellschaft | |
war fortan eine der größten Herausforderungen für die Regierung. | |
## Aus dem Amt gedrängt | |
1970 sah sich Demirel in der Defensive: Studenten und Gewerkschaften | |
forderten radikale Reformen, während Demirel von rechts von neuen | |
nationalistischen und islamistischen Parteien bedrängt wurde. Als der | |
ideologische Konflikt in Gewalt umschlug, griff das Militär ein – Demirel | |
wurde so 1971 aus dem Amt gedrängt. | |
1975 kehrte er an die Macht zurück, doch seine Koalition konnte den Weg der | |
Türkei ins Chaos nicht verhindern. Dutzende Menschen wurden jede Woche bei | |
Kämpfen zwischen linken und rechten Banden getötet. Die Türkei taumelte | |
schließlich einem weiteren Militärputsch im Jahr 1980 entgegen. | |
Demirel wurde bis Ende der 80er Jahre aus der Politik verbannt, 1991 dann | |
aber erneut Regierungschef. 1993 wurde er dann Präsident, nach dem Tod | |
seines Vorgängers Turgut Özal. | |
In Erinnerung wird auch eines seiner Lieblingszitate bleiben, mit dem er | |
Kritikern begegnete, die ihm Kehrtwenden und Unbeständigkeit vorgeworfen | |
hatten: „Gestern war gestern – und heute ist heute.“ | |
17 Jun 2015 | |
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Schwerpunkt Türkei | |
Ex-Präsident | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
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