# taz.de -- Nachruf James Last: Der Nonstop-Tänzer | |
> James Last war der Erfinder des modernen Partysounds. Er war ein | |
> deutscher Bandleader mit amerikanischer Rezeptur. | |
Bild: Ein letzter Gruß – James Last im März 2015. | |
Anfänglich hatte er Schwierigkeiten, sein Projekt bei seiner Plattenfirma | |
zu lancieren. Die Polydor konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ein | |
Orchester, ein Klangkörper mit namenlosen Musikern, auf der Bühne steht, | |
spielt – und dem massenhaften Publikum gefällt. Nicht nur das. Umstritten | |
war auch die Art der Performance. Die Zuhörenden sollten tanzen können, als | |
wären sie bei einer Party. Nein, man blieb skeptisch. | |
Fehlt es da nicht an einem Star, einem Sänger, einer Sängerin? Mitte der | |
sechziger Jahre hatte die Musikindustrie doch gerade durch die Fluten des | |
Beats, des Rock und überhaupt des angloamerikanischen Krachs gelernt, dass | |
selbst die Beatles Namen tragen mussten. Aber einfach nur: James Last und | |
sein Orchester? | |
Der Mann, gebürtiger Bremer – das Idiom dieser Stadt hörte man dem Musiker | |
auch nach vielen Jahrzehnten in Hamburg noch an –, ahnte aber, dass er ein | |
Erfolgsding zu verkaufen haben würde. Es war das, was später der typische | |
„Non Stop Dancing“-Sound werden würde. | |
„Non Stop Dancing“, so hieß sein Durchbruchsalbum von 1965, der | |
Kassenknüller für die Polydor schlechthin; mit einem Klang, der | |
Liedermacher wie Franz Josef Degenhardt erst bei dieser Schallplattenfirma | |
möglich machte: eine ewige, nie endende Tonspur auf LP-Seitenlänge, ein | |
Klangkörper, der sich keine Pause zwischen den Liedern erlaubt, ein | |
kurzweiliges Potpourri, bei dem alles in die Last’sche | |
Klangeinebnungsmaschine gepackt wurde, um wie eine Dauerschleife zu wirken. | |
Party eben. Last hatte diese Idee gemeinsam mit seiner Frau Waltraud. | |
## Popstar von nebenan | |
Beide, ein feierlustiges Paar in den nicht mehr bleiernen Sixties, hatten | |
öfters Freunde und Kollegen in ihren Bungalow eingeladen – man feierte | |
zusammen. Sie ließen die Geräusche auch jenseits der Musik aufnehmen und | |
mischten sie bei einer Produktion mit den direkt eingespielten | |
Orchesterstücken. Heraus kam eine absolut innovative Art, Musik ins | |
gesellige Leben zu hieven, es mit diesem und für es zu unterfüttern. | |
Und wenn Last auf der Bühne stand, so sah er nicht wie ein Popstar aus – | |
eher hätte er der Nachbar aus dem nächsten Bungalow sein können. Nie wurde | |
bei James Last und seiner Musik gefadet, etwas beendet, ein Punkt gesetzt. | |
Alles lief weiter – es war ein Sound, der Jimi-Hendrix-Lieder ebenso | |
aufgriff wie Stücklein aus Volkstümlichem wie „Ännchen von Tharau“, Songs | |
der Beatles, aktuelle Popsongs oder Schlager. Alles war vor allem: tanzbar. | |
Beinahe jede der „Non Stop Dancing“-Scheiben, von denen weitere folgten, | |
oder die meisten der anderen fast unzählbaren Tonträger hatte diese | |
Anmutung zu verkörpern: als sei jedes Lied dazu da, dass man sich zu ihm | |
körperlich bewegt. Das Gemurmel auf den Platten, das Geklapper, die leicht | |
angeheizte Partyatmosphäre wurde als Konzept der Beifälligkeit mit Absicht | |
implementiert. Es sollte sich nicht anfühlen wie eine kleinbürgerliche | |
Variante eines klassischen Konzerts oder wie eine Swing-Vorstellung mit | |
festen Solopartien. Es sollte das Air einer Strandfete haben: Musik, die | |
nicht kunstreligiös staunen lässt, sondern wie eine Nebensache daherkommt, | |
cool und lässig. | |
James Last hat wie kein anderer Orchesterleiter die Klang- und damit | |
Fantasiewelten der sozialliberalen Ära in Noten gegossen. Kein deutscher | |
Angestelltenhaushalt der späten sechziger bis frühen achtziger Jahren | |
kaufte nicht stetig ein Produkt, auf dem die Gattungsbezeichnung „James | |
Last“ in verschatteter Schrift stand. Mit seiner Musik im Hintergrund – | |
eben nicht: erhöht, als Kunstgenuss – waren die gar nicht trägen Siebziger | |
versehen. | |
## Hitparade und Dreigroschenoper | |
James Last, als Hans Last am 17. April 1929 geboren, war Kind eines | |
Seefahrers, Bandoneon-Musikers und Beamten in Bremen sowie einer, wie es | |
heißt, eher unmusikalischen Mutter. Er lernte an der Heeresmusikschule in | |
Frankfurt am Main noch während der Nazizeit Fagott und Kontrabass und kam, | |
nach 1945 – als Berufsmusiker, der an den Soundtracks der amerikanischen | |
Besatzer interessiert war – zu ersten Engagements. Spielte in Clubs, bei | |
Radio Bremen, 1953 auch auf dem Deutschen Jazzfestival mit späteren | |
Berühmtheiten wie Paul Kuhn, Max Greger und Günter Fuhlisch zusammen. | |
Jazz allerdings, das wusste Last, darf nicht bildungsbürgerlichen | |
kanonisiert werden – ihm ging es natürlich ums Geldverdienen und um Erfolg. | |
Last hat Schlagersterne produziert wie Freddy Quinn, Caterina Valente oder | |
Wencke Myhre, göttlich einschmeichelnde Filmmusiken komponiert, auch das | |
Intro zur ZDF-Hitparade oder für den Popsender Radio Luxemburg: Last, ein | |
in eine Fülle von Ländern gereister Mann, Weltbürger zu einer Zeit, als das | |
Wort noch nicht zur abgegriffenen Chiffre für jeden Provinzmenschen | |
verkommen war, hat sogar für eine Produktion der Brecht’schen | |
„Dreigroschenoper“ 1969 den Deutschen Schallplattenpreis erhalten. | |
Kurt Weills Komposition, so Last, sei doch arg erwartbar, es klimpere zu | |
schlicht, spielte man es wie im Original. So machte er aus der | |
lumpenproletarischen Story eine Glamour-Produktion mit Karin Baal, Helmut | |
Qualtinger und Franz Josef Degenhardt: Diese „Dreigroschenoper“ klang | |
erstmals nicht pädagogisch. | |
## Godfather der Technoenkel? | |
Vor zwei Dekaden ist seine Musik unter dem Rubrum „Easy Listening“ wieder | |
wahrgenommen worden, wie es nun heißt. Freilich war ein Comeback nicht | |
nötig, dieser Musiktitan war ja nie weg. Nur, dass die juvenilen Kreise ihn | |
nun entdeckten. Die neueren Produktionen von James Last klangen im Übrigen | |
eher unfrisch. Computer statt Musiker im Studio – da war es eher unangenehm | |
zuzuhören. | |
Für die Kulturwissenschaften allerdings könnte es sich lohnen, sich mit | |
Last zu beschäftigen. Und zu fragen, ob die Art der Soundproduktion James | |
Lasts nicht ein Vorläufer dessen war, was Techno und Loveparade abbildeten: | |
Klänge am laufenden Band, alles auf einem Track, a never ending party | |
story, alles Klangwesen vermanscht zu einer Spur der Töne, ob an Stränden, | |
auf Straßen oder in Clubs. James Last ist der Godfather all seiner | |
Technoenkel. | |
Der Bremer ist am Mittwoch im Alter von 86 Jahren in Florida gestorben. | |
10 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
## TAGS | |
Orchester | |
Tanz | |
Techno | |
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