Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neuerscheinung zu van Gogh: Ceci n’est pas un van Gogh
> Stefan Koldehoff macht sich in „Ich und van Gogh“ auf die Spurensuche der
> Bilder des niederländischen Meistermalers.
Bild: Vicent van Gogh: „Eisenbahnbrücke über die Avenue Montmajour in Arles…
Die Geschichte klingt filmreif. Luigi Grosso, einem unbekannten
italienischen BBC-Journalisten, springt in einem Londoner Trödelladen das
Gemälde eines Bauernhauses ins Auge, davor eine gebückte Bäuerin in
leuchtend blauem Kleid. Irgendetwas an der Haltung dieser Frau sei ihm
bekannt vorgekommen, wird Grosso später sagen. Er überredet den Händler,
ihm das Bild für 40 Pfund zu überlassen.
Zwei Jahre später versteigert er es für mehr als das Tausendfache. Denn als
Experten einen Blick auf den vermeintlichen Trödel warfen, erkannten sie,
dass das Gemälde von einem Meister seines Fachs stammte. Am unteren Rand
trug es sogar noch die Signatur: Vincent stand da, das Kürzel des
niederländischen Malers Vincent van Gogh (1853 bis 1890), dessen
Pinselstrich eine Epoche prägte.
„Es gibt sie also selbst beim weltberühmten van Gogh, die berühmten
Flohmarkt- und Dachbodenfunde“, erzählt Stefan Koldehoff in der Villa
Liebermann am Berliner Wannsee, wo er kürzlich sein neues Buch vorstellte.
„Ich und van Gogh“ heißt der Erzählband, und der Titel ist Programm. Denn
in Koldehoffs Buch geht es auch, aber nicht in erster Linie, um das
exzentrische Malergenie mit dem abgeschnittenen Ohr. Vornehmlich
interessieren ihn die Personen, die mit einem van Gogh in Berührung
gekommen sind.
Die 43 kurzen Geschichten in „Ich und van Gogh“ handeln vom Sammeln und
Horten, Entdecken und Verstecken, Verhandeln und Verschandeln der Gemälde.
Von Glückspilzen wie Luigi Grosso und von Pechvögeln, die glaubten einen
echten van Gogh in den Händen zu halten, während sie von Betrügern geprellt
wurden. Denn nicht immer war, wo Vincent draufstand, auch Vincent drin.
## Ein Zigarrenloch soll die Echtheit bezeugen
Kunstfälscher ließen sich haarsträubende Geschichten einfallen, um die
Echtheit der vermeintlichen Kunstschätze zu beweisen, mal durch ein rotes
Haar in der Farbe, mal durch ein eingebranntes Zigarrenloch in der
Leinwand. Van Gogh rauchte mit Vorliebe Pfeife.
Nicht alle Löcher in der Leinwand sind aber Versuche eines Kunstbetrugs: Am
besten weiß das ein Kasinobesitzer in Las Vegas, der seinen Armen etwas zu
viel Freiraum ließ, als er auf einer Privatparty euphorisch den Verkauf
seines teuren Gemäldes verkündete. Das Bild, das direkt hinter ihm hing,
verlor wortwörtlich auf einen Schlag massiv an Wert. Andere
Van-Gogh-Besitzer fassten ihre Schätze nur mit Samthandschuhen an.
Die amerikanische Filmdiva Elizabeth Taylor wachte darüber, dass ihr van
Gogh unbeschadet an Bord kam, wenn sie in ihrer Privatjacht zu Dreharbeiten
nach England schipperte. Mehr als ein halbes Jahr dauerte die Überfahrt auf
dem Dampfschiff nach Tokio, die 1921 ein japanischer Baumwollunternehmer in
Kauf nahm, um an seinen van Gogh zu gelangen.
Das Bild war in einem neobarocken Rahmen eingefasst statt in den von van
Gogh vorgesehenen Holzleisten. Wegen dieses zentnerschweren Prunks konnte
das Gemälde nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden und wurde 1945
durch amerikanische Bomben zerstört.
## Wirkliche abenteuerliche Geschichten
Die weidlich abenteuerlichen Geschichten basieren auf tatsächlichen
Begebenheiten, recherchiert und zusammengetragen von einem Experten: Stefan
Koldehoff, Kulturredakteur beim Kölner Deutschlandfunk, hat bereits ein
Buch zum Geschäft mit NS-Raubkunst, das auch den Fall des Kunsthändlers
Gurlitt beleuchtet, veröffentlicht (“Die Bilder sind unter uns“) sowie zum
Fall des Kunstfälschers Beltracchi (“Falsche Bilder, echtes Geld“, mit
Tobias Timm).
Sein aktuelles Buch schafft den Spagat zwischen fundierter Faktentreue und
Unterhaltsamkeit. Koldehoff weiß pointiert und kurzweilig zu erzählen. Und
der Autor weiß, wovon er spricht, wenn er fast beiläufig anhand der
Geschichte der Bilder auch über die Eskapaden des Kunstmarkts, gefälschte
Bilder und das dunkle Kapitel NS-Raubkunst schreibt.
Vor allem Letzterem räumt Koldehoff viel Platz ein. Sein Buch klingt mit
der Geschichte des jüdischen Kunsthändlers Franz von Mendelssohn aus, der
vor dem Zweiten Weltkrieg fast zwanzig van Goghs besaß, die teilweise bis
heute nicht wieder aufgetaucht sind. Ein anderes Kapitel widmet sich den
„Kunsttouren“ Herrmann Görings im besetzten Frankreich.
Dieses Thema verbindet Koldehoff mit Kulturstaatsministerin Monika
Grütters, Vorsitzende des NS-Raubkunstzentrums in Magdeburg. In ihrer
Ansprache bei der Buchpräsentation sagte sie, dass die Provenienz eines
Kunstwerks immer auch mit dem Schicksal einer Person verbunden sei: „Dieses
Schicksal aufzudecken ist noch wichtiger als die materielle Entschädigung
der Opfer.“ In diese Richtung macht „Ich und van Gogh“ einen weiteren
Schritt.
14 Jun 2015
## AUTOREN
Mirja Gabathuler
## TAGS
Schwerpunkt Cornelius Gurlitt
Schwerpunkt Cornelius Gurlitt
NS-Raubkunst
Kulturhauptstadt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Gurlitt-Schlussbericht: Zuviel Politik im Spiel
Nationale und internationale Medien sprechen bei der Gurlitt-Taskforce von
Misserfolg und Blamage. Doch es gibt auch einen Erfolg zu vermelden.
Schwabinger Kunstfund: Auch ein politisches Signal
Der Abschlussbericht der Taskforce im Fall Gurlitt liegt nun vor. Raubkunst
wurde kaum entdeckt, umso mehr fanden sich „Signale für Transparenz“.
Raubkunst aus der Nazizeit: Sammleroase Schweiz
Das Kunsthaus Zürich will in einem neuen Anbau Werke aus der Stiftung
Bührle zeigen. Weil viele als Raubkunst gelten müssten, ist das umstritten.
Bilder der Woche 9. - 15. Februar: Tiger, Orangen und van Gogh
Mit Zitrusfrüchten kann man sehr unterschiedliche Dinge anstellen. Mit
Schnee und Raubkatzen auch.
Kulturhauptstadt Mons: Mit Van Gogh in die Zukunft reisen
Das belgische Mons ist die heimliche Hauptstadt Europas. Erstes Highlight
im Kulturjahr: Eine Ausstellung über einen jungen Prediger, der Maler wird.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.