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# taz.de -- Einschränkung der Grundrechte: „Gift für die Versammlungsfreihe…
> Schleswig-Holsteins neues Versammlungsgesetz erlaubt Videoüberwachung
> friedlicher Demos. Für Bürgerrechtler ein Versuch der Abschreckung.
Bild: Könnte künftig über Demonstrierenden kreisen: Polizeidrohne.
Hamburg taz | „Wir haben das modernste Versammlungsrecht in Deutschland
geschaffen“: So lobt die schleswig-holsteinische Regierungskoalition aus
SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) ihr neues
Versammlungsgesetz - und nennt es deshalb gerne
„Versammlungsfreiheitsgesetz“. Aus Sicht der Kieler Landesregierung sind
die Regelungen eindeutig liberaler als das bisher geltende Bundesrecht.
Im Zuge der Föderalismusreform ist das Demonstrationsrecht seit 2006 Sache
der Länder. Als erstes legte sich daraufhin Bayern ein neues Gesetz zu -
das 2009 prompt im Eilverfahren vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurde
- denn die Gesetzesnovelle sah unter anderem anlasslose Bildaufzeichnungen
des Versammlungsgeschehens vor.
Auch gegen Niedersachsens neues Versammlungsgesetz, das die damalige
CDU-FDP-Regierung 2010 erlassen hatte, ist eine Klage der Initiative
„Versammlungsfreiheit für Niedersachsen“ beim Bundesverfassungsgericht
anhängig, unter anderem wegen der Regelung zu Ton- und Videoaufnahmen.
Ebenfalls vor das Verfassungsgericht gezogen sind Piraten-, Grünen- und
Linksfraktion in Berlin, weil das dortige Landesgesetz der Polizei
„Überblicksaufnahmen“ von Demonstrationen gestattet. Anders die Grünen in
Schleswig-Holstein: Sie stießen sich nicht an einem entsprechenden Passus,
sondern tragen die Novellierung mit.
Die erlaubt der Polizei künftig, Bild- und Tonübertragungen als
Übersichtsaufnahmen live von „öffentlichen Versammlungen unter freiem
Himmel und ihrem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes“
anzufertigen, wenn dies „wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der
Versammlung erforderlich“ sei.
Oder wenn es Anhaltspunkte für die Annahme gebe, dass von Demonstrierenden
eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen können. Dafür dürfen
Kameras mit Weitwinkel-Objektiven in der Ebene oder auch Hubschrauber und
Mini-Drohnen aus der Luft eingesetzt werden.
Burkhard Peters, innen- und rechtspolitischer Sprecher der Kieler
Grünen-Landtagsfraktion, nennt das neue Gesetz „mustergültig“. Es sei
eindeutig ein Kompromiss zwischen Bürgerrechten und dem Schutz bei
Demonstrationen.
Ganz anders sieht es die Piratenfraktion: „Das ist Gift für die
Versammlungsfreiheit“, kritisiert der Abgeordnete Patrik Breyer. „Erstmals
wird in Schleswig-Holstein der Polizei erlaubt, alle Teilnehmer an größeren
Demos videozuüberwachen, selbst wenn nur bei Einzelnen von ihnen vermutet
wird, dass von ihnen eine erhebliche Gefahr ausgehen könnte.“
Das sei „inakzeptabel“, so Breyer weiter. „Videoüberwachung von
Demonstrationen schüchtert ein und hält Menschen vom Demonstrieren ab.“
So sehen es auch jene Kläger in Hannover, die gegen das niedersächsische
Gesetz klagen: „Ich kenne Leute, die wirklich nicht zu einer Demo gegangen
sind, weil sie Angst vor dem Filmen hatten“, sagt Michael Ebeling vom
„Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung“.
Und das Oberverwaltungsgericht Münster hat in einem anderen Verfahren
festgestellt: Selbst wenn die Bilder nicht gespeichert werden, stellt das
Übertragen von Bildern auf einen Monitor einen Eingriff in Grundrechte und
eine Verletzung des Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
Carsten Gericke vom Republikanischen Anwaltsverein (RAV), der gerade in
Hamburg erfolgreich Klage gegen die dortigen polizeilichen Gefahrengebiete
geführt hat, zeigt sich erschüttert über das neue Gesetz im nördlichen
Nachbarland.
Zusammen mit seinen RAV-Kollegen Sven Adam, Anna Luczak und Verina Speckin
hatte der Jurist im Gesetzgebungsverfahren ein Gutachten für den Kieler
Landtag erstellt - und auf bedenkliche Punkte im Entwurf hingewiesen. „Es
ist ein repressives Versammlungsgesetz geworden“, sagt Gericke der taz.
„Was sich die Grünen dabei denken, ist mir rätselhaft.“
26 May 2015
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Göttingen
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