# taz.de -- Glühbirne: Die kleine Sonne verlischt | |
> Die Glühbirne soll ausgedient haben, weil sie zu viel Energie verbraucht. | |
> Wir erzählen ihre Geschichte, in der Syndikate, Terroristen und | |
> Siemens-Vorstände vorkommen. | |
Bild: Vater der Gühbirne: Thomas Alva Edison (1847-1931) | |
## Die kleine Sonne verlischt | |
## Die Glühbirne soll ausgedient haben - weil sie zu viel Energie | |
verbraucht. Lassen wir sie noch einmal leuchten. Und erzählen ihre | |
Geschichte, in der Syndikate, Terroristen und Siemens-Vorstände vorkommen | |
VON HELMUT HÖGE | |
In Europa gehen die Lichter aus - mindestens die Glühbirnen, das wünscht | |
sich der Bundesumweltminister. Und prompt wurde im Feuilleton landauf, | |
landab das Ende der Glühbirne - als weltweit gültiges Symbol für | |
Fortschritt, Erfindungsgeist, Ideen und Sozialismus - gefeiert. Der | |
Umweltminister Sigmar Gabriel will es mit seinem "Glühbirnenverbot" | |
Australien nachtun, wo sein Kollege im dort besonders aussichtslosen Kampf | |
gegen das Ozonloch und den Klimawandel alle Glühbirnen des Kontinents bis | |
2010 durch so genannte Energiesparlampen ersetzen will. | |
Die Glühbirne aber ist unsterblich. Obwohl oder weil sie eine | |
Energieeffizienz hat, die umgekehrt proportional zu der des Glühwürmchens | |
ist. Das infolge der Klimaerwärmung sich langsam bis Skandinavien | |
ausbreitende Leuchtinsekt wandelt 93 Prozent der Energie in Licht und nur 7 | |
Prozent in Wärme um, während die Glühbirne eher ein Heizgerät ist. Durch | |
das Glühen ihrer Wolframwendel - "Seele" genannt - im Inneren des | |
gebärmutterförmigen Glaskolbens - entsteht eine Sonne en miniature. Das | |
macht ihr Licht so angenehm. Im Gegensatz zu dem der Energiesparlampe, die | |
nur eine umgebogene Leuchtstoffröhre ist, zudem giftstoffhaltig, was sie | |
beim Zerbrechen gefährlich und ihre Entsorgung teuer macht. Und sie ist | |
sauhässlich, ebenso ihr Licht. Außerdem hat man ihr, wie der Glühbirne, | |
einen "geplanten Verschleiß" eingebaut - im Sockel: Sie lässt sich nicht | |
beliebig oft an- und ausschalten und bei Frost springt sie manchmal nicht | |
an. All das ließe sich marktwirtschaftlich "regeln". Von dort kommt jedoch | |
der größte Einwand gegen den "Energiesparlampenschwindel": Privathaushalte | |
verbrauchen heute nur noch etwa 8 Prozent der Elektrizität für Licht, der | |
Rest wird für immer mehr Elektrogeräte und Elektronik benötigt. | |
Als die Glühbirne sich mit dem Edison-Patent - das ein ganzes System vom | |
Wechselstromgenerator über das Leitungsnetz und den Schalter bis zur | |
Wendelgeometrie der Birne umfasst - langsam durchzusetzen begann, gab es in | |
den G[Glühbirnen]-7- Ländern, heute sind es 8 (mit dem exsozialistischen | |
Russland, das eine eigene ruhmreichere Glühbirnengeschichte hat), nur | |
Monopolbetriebe im Westen. In Deutschland war das die von Werner von | |
Siemens und Emil Rathenau gegründete Firma Osram. Die beiden | |
Elektropioniere zerstritten sich an der Frage der Glühbirnen-Vermarktung. | |
Gaslicht war billiger, und noch Anfang der Dreißigerjahre konnte sich ein | |
Arbeiterhaushalt höchstens eine 15-Watt-Birne leisten, die nur wenige | |
Stunden am Tag brennen durfte. | |
Der jüdisch-protestantische Rathenau wollte das Bedürfnis nach dem neuen | |
Licht auf gut amerikanische Art mit Reklame "wecken". Zu diesem Zweck | |
illuminierte er z. B. kostenlos ein Theater in München und in Berlin das | |
Café Bauer Unter den Linden, wo er selbst im Keller den Generator mit | |
Wasser kühlte, als der sich überhitzte. Siemens setzte dagegen | |
preußisch-militaristisch auf Beeinflussungsstrategien - gegenüber Staaten | |
und Verwaltungen. Rathenau zog sich bald aus dem Osram-Abenteuer zurück. | |
Die Firma gehört bis heute zu Siemens, im Zuge der Nazieroberungen | |
verleibte der Elektrokonzern sich vorübergehend auch noch Philips und | |
Tungsram ein. In der einstigen "Stadt des Lichts" werden seit der Wende | |
keine Glühbirnen mehr hergestellt: 1994 wurden im alten | |
Osram-Glühlampenwerk an der Warschauer Brücke, das zu DDR-Zeiten "Narva" | |
hieß, sämtliche "Arbeitsplätze im Licht", wie man dort sagte, abgewickelt, | |
und 2004 verlegte man die Glühbirnenproduktion im Spandauer Osramwerk in | |
das Elsass: "Wir sind jetzt ein High-Tech-Betrieb!", meinte die | |
Telefonistin kichernd. Es werden dort jetzt Hochdrucklampen, u. a. für | |
Straßenlaternen, hergestellt. Der wahre Osram-High-Tech findet im | |
Regensburger Werk statt - in der Leuchtdioden-Entwicklung (die Fertigung | |
befindet sich in Malaysia). Bei den so genannten LEDs meldet Siemens | |
(Deutschland) seit langem mal wieder laufend Patente an. Und sie werden | |
wohl bald auch - zu ganzen "Lichtwänden" geclustert und in | |
lebensverkürzender Weise hochgetrimmt - die Glühbirnen ersetzen. | |
Ironischerweise ging der von Rathenau einst gegründete AEG-Konzern nicht an | |
einem Mangel an Patenten pleite, sondern an der schlechten Vermarktung | |
seiner Produkte. Schon Rathenau war mit seiner AEG dem Konkurrenten Siemens | |
entgegengekommen: Erst gründeten sie zusammen mit Edison (General Electric) | |
u. a. ein europäisches und dann ein internationales Elektrokartell: die IEA | |
(International Electrical Association), mit Sitz in Pully bei Lausanne. | |
Kartellexperten gehen davon aus, dass dieses Syndikat, das weltweit die | |
Preise festlegte, Konkurrenten mit Dumpingpreisen und Patentrechtsprozessen | |
niederkämpfte und gemeinsam festlegte, welches Land was produzieren durfte, | |
sich erst 1999 auflöste. Mir selbst schrieb die IEA, sie hätte sich bereits | |
1989 aufgelöst. Dies wurde jedoch allgemein als zu schön, um wahr zu sein, | |
bezeichnet. Wahr ist jedoch, dass General Electric Anfang der | |
Achtzigerjahre unter Jack Welch aus der IEA austrat - und er den ganzen | |
Konzern umkrempelte. Ende der Neunzigerjahre versuchte der Siemens-Chef von | |
Pierer sich an einem ähnlichen "Konzernumbau", "10-Punkte-Programm" von ihm | |
genannt, das dann von seinem Nachfolger Kleinfeld fortgeführt wurde - und | |
wird: 2005 ließ er die Handysparte erst für 350 Millionen Euro bei dem | |
taiwanesischen Konzern BenQ zwischenlagern und dann mit noch einmal 30 | |
Millionen Euro abwickeln. Und nun wird der Communication-Bereich in ein | |
Joint Venture mit Nokia ausgelagert, wobei Siemens wegen des unklaren | |
Ausgangs der ganzen Korruptionsermittlungen und -prozesse gegen den Konzern | |
noch einmal 300 Mio Euro drauflegte. Der Chefredakteur von Europolitan, | |
Marc Sondermann, nannte diese "Verschlankung": "eine der schwerwiegendsten | |
strategischen Weichenstellungen in der 160 Jahre langen Konzerngeschichte", | |
dazu noch im Hauruckverfahren durchgezogen, so dass der nunmehrige | |
Aufsichtsratschef von Pierer seinem Nachfolger Kleinfeld über die Presse | |
mitteilen ließ, solche "'Parforceritte' wie mit der Com-Sparte künftig | |
gefälligst ausbleiben" zu lassen. Deutlich werde dabei, so Marc Sondermann, | |
"dass Kleinfeld aus der Erkenntnis, seinem Hause lägen konsumentennahe, von | |
Marktinnovationen getriebene Technologiesprünge nicht, die radikalste aller | |
Konsequenzen geschlossen hat: vollständiger und totaler Abschied aus dem | |
Konsumentenmarkt". (Die Hausgeräte werden bereits im Joint Venture mit | |
Bosch produziert und das PC-Geschäft zusammen mit Fujitsu betrieben). | |
Dieser ganze Konzernumbau hat zum Ziel, Anschluss an die neuen | |
Kapitalströme zu finden. Vorher war Siemens eine Aktiengesellschaft, deren | |
Aktionäre an "langfristigen Gewinnen durch Dividenden" interessiert sein | |
mussten, denn von einer "Performance der Siemens-Aktie" konnte genau | |
genommen keine Rede sein - sie ähnelte einer Staatsanleihe. Und der | |
multinationale Konzern war ja auch noch eng mit "seinem" Nationalstaat | |
verknüpft. Nach seinem "Umbau" wurde der Konzern auch für "Investoren" | |
interessant, die nur auf "kurzfristige Gewinne aus Aktienmärkten" | |
spekulieren. Die Aktionäre profitieren sogar davon, wenn Siemens sich | |
weltweit mittels Schmiergeldern Aufträge verschafft, die er dann mit | |
erhöhten Preisen wieder reinholt: So kosten z. B. medizintechnische Geräte | |
von Siemens in Russland doppelt so viel wie in Deutschland. Und hier | |
wiederum hält sich der Konzern am Finanzamt schadlos, wie die | |
Spiegel-Journalisten H. R. Martin und H. Schumann in ihrem Buch "Die | |
Globalisierungsfalle" meinen: "So verlegte z. B. Siemens seinen Konzernsitz | |
steuerrechtlich ins Ausland. Von den 2,1 Milliarden Mark Gewinn des | |
Geschäftsjahres 1994/95 bekam der deutsche Fiskus nicht einmal mehr 100 | |
Millionen, im Jahr 1996 zahlte Siemens gar nichts mehr." Auch anderswo | |
nicht: "Das Imperium Siemens führte noch 1991 fast die Hälfte des Gewinns | |
an die 180 Staaten ab, in denen es Filialen unterhält. Binnen vier Jahren | |
schrumpfte diese Quote auf nur noch 20 Prozent." Gleichzeitig vermehrten | |
sich bei der Bank aller Banken "Clearstream" in Luxemburg die | |
"unveröffentlichten Konten" von Siemens, über die wahrscheinlich ein | |
Großteil seiner Schmiergeldzahlungen abgewickelt wurde: "Die Aufnahme von | |
Siemens sorgte für Wirbel" in dieser den Banken vorbehaltenen Metabank, | |
erinnert sich der ehemalige "Clearstream"-Manager Ernest Backes. Daneben | |
hat sich Siemens auch in andere Richtung vorgearbeitet - und dabei stets | |
die dicksten deutschen Forschungsgelder, Dritte-Welt-Entwicklungsprojekte | |
und - nach der Wende - die meisten DDR-Betriebe abgegriffen. Daneben | |
versuchte der Konzern erst das DDR-Glühlampenkombinat Narva auf die | |
Abwicklungsliste der Treuhand zu setzen. Als der Betrieb dennoch neu | |
ausgeschrieben wurde, teilten sie allen Interessenten mit, sie bräuchten | |
sich nicht zu bewerben, denn sie würden das Werk selbst übernehmen - dabei | |
hatten sie gar keine Kaufofferte abgegeben. Als dann General Electric den | |
DDR-Vorzeigekonzern Elpro privatisieren wollte, überredete Siemens einen | |
Tag vor Vertragsunterzeichnung die GE-Manager in Belgien, vom Kauf | |
zurückzutreten, dafür wollten sie ihnen helfen, wieder im Iran ins Geschäft | |
zu kommen. Als Samsung den Ökokühlschrankhersteller Foron übernehmen | |
wollte, schrieben die Siemensianer den Koreanern in alter | |
Elektrokartellführermanier, sie würden das als einen unfreundlichen Akt | |
ansehen. Samsung zog daraufhin seine Kaufofferte zurück. Und als die | |
Stromspannung wegen der EU von 220 auf 230 Volt erhöht wurde, verkürzte | |
sich auch noch die Lebensdauer der Glühbirnen von 1.000 auf 800 Stunden. In | |
der Vergangenheit hatte das Elektrokartell immer wieder | |
Lebensdauerverkürzungen beschlossen - von 5.000 auf zuletzt 1.000, während | |
die Glühbirnen im Ostblock bis zu 2.500 Stunden brannten und die in China | |
5.000. Den lebensdauerverkürzenden Kampf des Elektrokartells aus Gründen | |
der Profitsteigerung schilderte Thomas Pynchon in seinem Roman "Die Enden | |
der Parabel" - aus der Sicht einer Glühbirne, die dagegen erfolgreich | |
Widerstand leistete. Er dachte dabei konkret an eine Birne in der | |
Feuerwehrwache von Livermore (Kalifornien), die dort bereits seit 1901 | |
brennt (man kann sie sich im Internet anschauen). In Berlin erfand der | |
Elektroniker Dieter Binninger 1983 eine Glühbirne, die 150.000 Stunden | |
brannte - etwa so lange wie die DDR. Er baute sich - ständig von Osram | |
molestiert - eine kleine Birnenproduktion in Kreuzberg auf und wollte dann | |
zusammen mit der Commerzbank Narva übernehmen - stürzte jedoch kurz nach | |
Abgabe ihrer Kaufofferte mit seinem Flugzeug ab. Laut Bild-Zeitung hatte | |
auch die Ermordung des Treuhandchefs Detlef Rohwedder, der Narva wieder von | |
der Abwicklungsliste genommen hatte, etwas mit Glühbirnen zu tun: In dem | |
Moment, als er in seinem Wohnzimmer eine kaputte Birne durch eine neue | |
ersetzt hatte und diese anknipste, wurde er erschossen. Günter Grass | |
arbeitete diese plötzliche "Verdunklung" später in seinen Treuhandroman | |
"Ein weites Feld" ein. Beizeiten bereits schrieb der Philosoph Ernst Bloch: | |
"Die Glühbirne im schattenarm gewordenen Zimmer hat die Anfechtungen des | |
Nachtgrauens weit gründlicher geheilt als etwa Voltaire." Der | |
Immer-noch-Siemens-Chef Kleinfeld schwor kürzlich beim Bundeskartellamt, | |
Siemens werde den Anfechtungen der Korruption schon bald gewachsen sein: | |
"Die Leute sollen in fünf Jahren sagen können, wie Siemens das gehandhabt | |
hat, ist ein Maßstab, wie man es machen sollte." Bulbshit! | |
10 Apr 2007 | |
## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
## TAGS | |
Kolonialismus | |
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