# taz.de -- Elektro: Der Moserer und die Mäuse | |
> Mark E. Smith und Mouse on Mars nennen sich Von Südenfed. Und ganz | |
> nebenbei heben sie den Gegensatz zwischen Rock und Electro auf. | |
Bild: Chef Mark E. Smith (rechts)und die Marsmäuse | |
Allein schon der Bandname! Von Südenfed! Das kann kein Engländer | |
aussprechen, auch den Russen wird es schwerfallen, vermutlich auch den | |
Chinesen. Lustigerweise fällt es aber auch den Deutschen schwer. Dabei soll | |
es ein deutscher Name sein. Und er wird vermutlich auch überall als | |
deutscher Name erkannt werden. Wegen des merkwürdigen Umlautes. Allein | |
schon der Albumtitel: "Tromatic Reflexxions"! Allein schon der Titel der | |
ersten Single, "Fledermaus cant get enough"! Wie bescheuert ist das denn? | |
Was will eine Band mit solchen Titeln erreichen? Zu vermuten ist: nichts | |
Bestimmtes. Dennoch machen diese komischen Wortbildungen einen Eindruck. | |
Allein darum scheint es der Band zu gehen. | |
Allein schon das Video zur ersten Single! Drei wunderschöne Tunten oder | |
Tuntendarsteller mit viel Schminke und Bart singen Playback und tanzen zu | |
dem Stück "Fledermaus cant get enough", das ein ziemlich mitreißender | |
Stampfer ist. Dabei klimpern sie aufs Aufreizendste mit den Augen und | |
blecken die Zähne, denn sie haben ein Problem: der Sänger, dessen Worte sie | |
nachsingen sollen, lallt, er schimpft, bellt und hustet die Worte hinaus, | |
und vieles ist einfach völlig unverständlich. Singt er "I cant get enough, | |
cause I cant get it" oder singt er "I cant get enough, but I can get it" | |
oder singt er "I cant it know, but I can get it"? Die Playbacksänger | |
entscheiden sich für ein entschlossenes Verlallen und für dramatisches | |
Münderverziehen. | |
Und schließlich: Allein schon diese Band! Sie wird gebildet von Jan St. | |
Werner und Andi Toma, die normalerweise als das Duo Mouse on Mars | |
auftreten, und von Mark E. Smith, der vermutlich mehr Bandmitglieder aus | |
seiner Band The Fall hinausgeworfen hat, als er je Hemden besaß. Eine | |
Supergroup sei Von Südenfed, so jedenfalls wird überall annonciert. | |
Und sie ist tatsächlich eine Supergroup. Mouse on Mars beweisen seit Jahren | |
in ihren Liveshows, dass sie keine Lust haben, als Superschlaumäuse zu | |
gelten, sondern dass es ihnen um die Party geht. Die rohe Schönheit eines | |
satten, deepen Bassgewummers ziehen sie der fragilen Steifheit der | |
musikalischen Frickelkunst allemal vor. Seit einigen Jahren auch zunehmend | |
auf ihren Alben, die längst nicht mehr beweisen sollen, dass St. Werner und | |
Toma mal was Tolles gelesen haben und eine exquisite Soundkollektion auf | |
ihren Laptop geladen haben. | |
Bei Von Südenfed nun, wo sie ganz allein für die Musik verantwortlich | |
zeichnen - während Mark E. Smith als Texter firmiert -, wurden sie von | |
ihrem Sänger, dieser merkwürdigen, unlängst 50 Jahre alt gewordenen | |
Rampensau, jedoch zu noch weiteren Einschränkungen gezwungen. Der Sänger, | |
der auch den Mitgliedern seiner Fall-Bands in einem engen Rahmen die | |
größtmögliche Freiheit lässt, sofern nur am Ende etwas anderes als Pop | |
herauskommt, hat, so berichten Toma und St. Werner in Interviews, die | |
beiden, während sie an den Sounds arbeiteten, öfter mal mit der Aussage | |
überrascht, dass es jetzt gut sei. Mittendrin, im Arbeitsprozess. Einfach | |
so. Und dann war es auch gut. | |
Die logische Folge: Überproduziert ist "Tromatic Reflexxions" bestimmt | |
nicht. Aber es ist auch nicht zu wenig gemacht worden: Der Sound ist satt, | |
der Beat fett, die Melodien sind ansprechend. Von Südenfed haben eine | |
Platte gemacht, die noch vor wenigen Jahren wohl unter Big Beat eingeordnet | |
worden wäre. Eine derbe Partymusik mit Anklängen an den Sound eines Fatboy | |
Slim. Dann aber wieder wird zur guten alten Gitarre, tja, hm, sagen wir | |
mal: gebrüllt. Arbeiterklasseseidank klingt das Album zugleich wie ein | |
weiteres Album der Band The Fall. Mark E. Smith hat fast allen großen | |
Bands, für die er je als Gastsänger fungierte, jeweils eine Art | |
nichtoffizielles Fall-Stück abgerungen, einzig Long Fin Killie und Prefab | |
Sprout gelang es, den Sänger in ihr Soundnetz einzufangen. | |
Mouse on Mars nun sind dem Mythos Mark E. Smith offensichtlich in vielerlei | |
Hinsicht erlegen, die Platte - die kein Einzelstück bleiben soll - ist | |
sogar aufgebaut wie eine Fall-Platte. Es gibt ein Fieldrecording-Stück | |
("Jbak Lois Lane"), das alle, die die Platte so nebenbei weghören wollen, | |
aufschrecken und nerven wird. Es ist gewissermaßen der Hidden Track, der | |
allerdings nicht am Ende der CD versteckt ist, sondern mitten in den Fluss | |
des Wummerns und Bellens hineingelegt wurde. Es gibt das beinahe | |
versöhnliche "Dear Dear Friends", und das zur Gitarre eingesungene "Chicken | |
Yiamas", das am Ende wunderbar wegtickt. Nur die für Fall-Alben so | |
obligatorische Cover-Version sucht man vergebens. | |
Auch verhält es sich mit dem Aufbau der einzelnen Stücke so, wie es sich | |
mit Fall-Stücken verhält. Ein ziemlich hüftsteifer Beat wird aufgenommen | |
und erbarmungslos über drei, vier Minuten durchgehalten, dazu machen dann | |
Keyboards und Gitarre allerlei Sperenzchen. Wäre diese Platte eine | |
Fall-Platte, wäre sie am besten im Jahr 1997 erschienen, nach dem im | |
Wesentlichen von der damaligen Keyboarderin und Programmiererin Julia Nagle | |
mitgestalteten Fall-Album "Levitate". Dieses war in einer Weise | |
elektronisch, dass es die Rockisten, die The-Fall-Fans normalerweise sind, | |
nachhaltig verstörte. The Fall, die der göttliche Radio-DJ John Peel stets | |
in uneingeschränkter Verehrung für Mark E. Smith, "the migthy Fall" nannte, | |
haben stets eher Tracks als Songs eingespielt. Schon bei der ersten | |
Fall-Platte "Live at the Witch Trials" (1979) zeigte sich, dass der | |
Einfluss von Krautrock und amerikanischen Experimentalrockern auf diese | |
Band mindestens genauso groß war wie der Eindruck, den Punk hinterlassen | |
hatte. | |
Doch blieb es beim Rock. "Levitate" nun war eines der spannungsreichsten | |
Alben in der Fall-Geschichte, eben weil Smith schon geradezu nachlässig | |
seiner Keyboarderin freie Hand ließ, für einige der Stücke zeichnet sie | |
sogar als alleinige Komponistin, während sonst fast immer auch Smith als | |
Komponist mitgenannt werden will. Wäre die Band von diesem Album aus nicht | |
wieder zurück zum Rock gekommen, und hätte sie nicht wenig später, aber | |
nach diversen Bandumstellungen im Jahre 2001 das ziemlich elende Album "Are | |
You Are Missing Winner" veröffentlicht, auf dem sich die Band schon beinahe | |
in Richtung Schweinerock verirrte, wäre wohl "Tromatic Reflexxions" auch | |
als Fall-Album möglich gewesen. So aber hat sich, wieder nach diversen | |
Bandumstellungen, The Fall in den letzten Jahren als beinahe stoische | |
Superrockgruppe neu erfunden, während Von Südenfed nun wohl das | |
elektronische Arbeitsfeld von Mark E. Smith darstellt. | |
Es ist also nicht so, wie man zunächst vermuten sollte, dass mit The Fall | |
und Mouse on Mars Gegensätze aufeinandertreffen. Vielmehr haben sich hier | |
zwei gleichgesinnte Parteien getroffen. Denn man täte Toma und St. Werner | |
unrecht, würde man sagen, diese Platte ist einzig und allein vom Willen des | |
sehr verehrten Meisters geprägt. Smith gilt als Misanthrop, ist aber wohl | |
eher ein Zyniker und als solcher heimlich melancholisch. Er besteht auf | |
seine Arbeiterklassenherkunft, hasst Rechte wie Linke und bleibt mit seinem | |
Gebell und Gelall vor allem unbequem. Ein Musikrezensent schrieb vor | |
einiger Zeit den dummen, aber dennoch wahren Satz: "Ich verstehe die Texte | |
nie, weiß aber immer was er will." Mouse on Mars nun haben den Grantler | |
heiter gestimmt, sie sind ihm, aller Verehrung zum Trotz, offensichtlich | |
auf Augenhöhe begegnet. Die beiden waren schon vorher Stars, und Mark E. | |
Smith kann sie auch nicht feuern. Das scheint ihm zu gefallen. | |
Herausgekommen ist ein Album, das seinesgleichen sucht, und wohl immer | |
dann, wenn in den nächsten Monaten gefeiert werden soll, zu hören ist. Das | |
ist schön. | |
Von Südenfed: "Tromatic Reflexxions" (Domino/Rough Trade) | |
18 May 2007 | |
## AUTOREN | |
Jörg Sundermeier | |
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