# taz.de -- Interview: "Die Quote ist unverzichtbar" | |
> Es ist falsch, dass keiner der Vorsitzenden der neuen Linkspartei | |
> weiblich ist, sagt die Vizevorsitzende Katja Kipping. Selbst kandidieren | |
> will sie vorerst aber trotzdem nicht | |
Bild: Zwischen ihren Männern: Katja Kipping | |
taz: Frau Kipping, wenn an diesem Wochenende eine vereinigte Linkspartei | |
entsteht, wird auf dem Parteitag eine rein männliche Führungsspitze | |
gewählt. Wie geht es Ihnen als Farbtupfer für eine Riege älterer Herren? | |
Katja Kipping: Mal ganz abgesehen davon, dass das eine Unterstellung ist, | |
geht es mir gut. | |
Ist es in Ordnung, dass die Fraktions- und Parteivorsitzenden | |
ausschließlich Männer sind und Frauen nur Stellvertreter werden dürfen? | |
Dass ich Stellvertreterin bleibe, wenn ich gewählt werde, ist völlig in | |
Ordnung. Wir können froh sein, dass wir Männer wie Oskar Lafontaine, Gregor | |
Gysi und Lothar Bisky haben. Aber dass es in der Spitze keinen Platz für | |
Frauen gibt, ist ein politischer Fehler - dazu kann ich schon aus | |
Parteiräson nicht schweigen. Es entspricht nicht den Grundsätzen der neuen | |
Linken, die für feministische Positionen kämpft. | |
Warum haben Sie dann nicht selbst für den Vorsitz kandidiert? | |
Weil es naiv ist, zu glauben, ich könnte mit knapp 30 Jahren eine Partei | |
führen. Auf solchen Posten braucht man eine gewisse Lebenserfahrung. Aber | |
ich bin überzeugt davon, dass es in unserer Partei auch Frauen mit | |
Lebenserfahrung gibt. Darum streben wir an, die derzeitige Situation zu | |
korrigieren. Die Männer könnten allerdings auch sehr an Größe gewinnen, | |
wenn sie dieses Anliegen aktiv mit befördern. | |
Brauchen Politiker nicht weniger Größe als Macht, wenn sie Dinge verändern | |
wollen? | |
Das ist keine Macht-, sondern eine Grundsatzfrage. Inzwischen häufen sich | |
in der Partei Anfragen aus den Regionen, die wissen wollen, warum sie sich | |
an die Frauenquote halten sollen, wenn die Spitze das nicht tut. Aber eine | |
linke Partei, die auch für junge moderne Linke eine Adresse sein möchte, | |
kann nicht auf die Quote verzichten. | |
Um das zu beeinflussen, braucht es Macht. Warum fordern die Frauen in der | |
Linkspartei die nicht konsequenter ein? | |
Ich kann da nur für mich sprechen: weil es auch andere Dinge gibt, die mir | |
wichtig sind, und weil es für alles ein gewisses Alter gibt. | |
Das heißt, die Männer können Sie gern mal schimpfen lassen, weil man sie | |
danach problemlos wieder einfangen kann? | |
Der Vorwurf, mich als das weibliche freche Feigenblatt durchzumogeln, | |
begleitet mich schon von Anfang an. Solch taktisches Verhalten ist mir aber | |
fremd. Gerade weil ich derzeit nicht ganz an die Spitze will, habe ich die | |
Freiheit, Probleme anzusprechen. | |
Sie denken also nie an Karriere? | |
Doch. Ich arbeite gerade hart an meiner Karriere als Hobbytänzerin. In ein | |
paar Tagen habe ich meinen ersten Auftritt. | |
Ihnen ist das Tanzen wichtiger als die Partei? | |
Wie gesagt, um einen Chefposten kann ich mich auch mit 40 oder 50 bewerben, | |
aber beim Tanzen muss der Durchbruch jetzt kommen. Dafür brauche ich | |
einfach mehr Zeit, als ein noch höheres Amt erlauben würde. | |
Verraten Sie uns, wo Sie auftreten werden? | |
Ich werde den Teufel tun und das der Presse sagen. Ich traue mich zwar vor | |
80.000 Leuten zu reden, aber ich bin schrecklich aufgeregt, wenn ich vor 80 | |
tanzen soll. | |
Warum machen Sie es dann? | |
Wegen der Musik und des gemeinsamen sozialen Erlebnisses. Beim Jazzdance | |
tanzt man mit einer ganzen Truppe. Und das sieht nur gut aus, wenn es ein | |
gutes Teamwork gibt. | |
Wie sehr wird dieses Teamwork in Ihrer Partei noch funktionieren, wenn | |
Oskar Lafontaine die Macht übernimmt? | |
Bisher klappt das doch ganz gut. | |
Sehen das die Landesverbände in Sachsen-Anhalt und Berlin genauso, die | |
Lafontaine angeraunzt hat, weil sie nicht seine Positionen vertreten? | |
Abkanzeln sollte nicht typisch für die neue Linke werden. Die Leistung von | |
Oskar Lafontaine besteht aber darin, dass er eines deutlich gemacht hat: | |
Pluralität darf nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden. In der | |
Linkspartei ist, auch aus der historischen Erfahrung der SED, Vielfalt | |
lange so wichtig gewesen, dass es manchmal schwer war, noch die Grundsätze | |
zu entdecken. | |
Und die Alternative ist ein Basta von Lafontaine? | |
Nein, die liegt zwischen den Extremen. Wir müssen uns auf einen | |
Konsenskorridor verständigen, der von bestimmten Grundsätzen begrenzt wird. | |
Dazu gehören für mich die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, die | |
Ablehnung von Repressionen gegenüber Erwerbslosen und konsequent | |
antimilitaristische Positionen. | |
Aber es kommt ja nicht nur Lafontaine, sondern auch eine WASG mit einer | |
Staatsfixierung und einem autoritären Parteiregime, das manche an die SED | |
erinnert. Wird die Linke durch die Genossen aus dem Westen wieder ostiger? | |
Dieses einseitige Bild von der WASG ist falsch. Ich habe das Netzwerk | |
Grundeinkommen mit WASG-Mitgliedern gegründet. Es gibt dort so viel | |
Basisdemokratie, dass es sogar mir als Radikaldemokratin manchmal zu viel | |
wird. Mit Sicherheit werden sich aber viele DDR-sozialisierte | |
PDS-Mitglieder mit den gewerkschaftsnahen WASG-Leuten gut verstehen. Das | |
hat vor allem mit einem ähnlichen Bild von Erwerbsarbeit als Mittelpunkt | |
des Lebens zu tun. | |
Und was setzen Sie dagegen? Die sogenannte Jugendbrigade, mit der Sie sich | |
aus Dresden bis zur Vizevorsitzenden hochgekämpft haben? | |
Die Jugendbrigade ist ein klassischer Fall von selbst erfüllender | |
Prophezeiung. Sie hat nie als geschlossene Gruppe existiert. Aber da wir | |
Jüngeren von einigen betagteren Genossen immer in Sippenhaft genommen | |
wurden, haben wir uns dann tatsächlich stärker abgesprochen - schon aus | |
Selbstschutz. Heute sind wir etwas verstreuter, aber wir haben mit der | |
emanzipatorischen Linken eine bundesweite Diskussionsplattform für Themen, | |
die uns wichtig sind, geschaffen. Vor persönlichen Entscheidungen beraten | |
wir uns gegenseitig. | |
Bei der Frage, wer wen heiratet? | |
Eher dabei, welche Schwerpunkte man für eine Rede setzen sollte oder welche | |
Kinofilme empfehlenswert sind. Heiraten wäre uns wohl allen zu bürgerlich. | |
INTERVIEW: DANIEL SCHULZ | |
15 Jun 2007 | |
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