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# taz.de -- Kommentar: Wie politisch ist die Kunst?
> Die documenta-Kuratoren Buergel und Noack glauben nicht an Kunst als
> Katalysator des Politischen. Dennoch zeigt die Ausstellung viel über die
> Gesellschaft.
Bild: Hunger? Das ist nicht bloß ein Kuchen. Das ist Kunst!
Das Publikum erwartet von einer Ausstellung wie der documenta, dass sie
Position bezieht zu Fragen, die sich täglich stellen. Sie soll auf
irgendeine mysteriöse Weise politisch sein, uns aufklären, agitieren oder
trösten. Die documenta-Macher Roger Buergel und Ruth Noack sehen das
anders. Sie glauben, dass die Kunst kein Reparaturbetrieb für soziale und
politische Defizite ist - und auch nicht sein soll.
Damit haben sie völlig recht. Denn würden Künstler diesen Reparaturbetrieb
aufnehmen, akzeptierten sie die Grundannahme der "Postpolitik": Es gibt auf
dem Feld des Politischen nichts Grundsätzliches mehr zu verhandeln, die
Demokratie ist ja schon da. Für grundsätzliche Fragen sei die Religion oder
eben ihre säkulare Verwandte, die Kunst, zuständig.
Wir kennen das Problem auch aus der Arbeit von
Nichtregierungsorganisationen, die immer wieder dazu missbraucht werden,
Probleme zu managen, die die Politik lösen müsste.
Die Kunst soll vielmehr, so Buergel und Noack, die Kategorien
überschreiten, in denen wir Gesellschaft denken. Auch das ist gut gedacht,
und eben daran muss sich diese documenta messen lassen. Diese Ausstellung
ist an vielen Orten, an denen man es nicht vermutet, in ebendiesem Sinn
politisch. Und oft ist sie erschreckend unpolitisch, wo sie sich politisch
gibt.
Inwiefern soll etwa eine tote, ausgestopfte Giraffe, die aus dem
Westjordanland stammt, die Koordinaten unseres Denkens über den
Nahostkonflikt verändern? Solche Arbeiten lassen einen auf dieser documenta
bestenfalls ratlos zurück.
Andererseits sind hier 50 Prozent der Kunstschaffenden Frauen. Das kann man
nur als Sensation bezeichnen. Allein durch die Anwesenheit ihrer Werke wird
die beliebte Behauptung dementiert, es gebe nur wenig gute Künstlerinnen.
Noch ein Beispiel für Politik im Sinne der Macher: Louise Lawler
fotografiert die Werke anderer Künstler, etwa einen Pollock, der von seinen
Eigentümern mit edlem Porzellan zu einem hübschen Arrangement im Wohnzimmer
vereint wurde. Lawler verweist damit auf den Stellenwert von Kunst als
Designstück, Statussymbol und Ware. Da tut sich was im Koordinatensystem
unseres Denkens.
16 Jun 2007
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
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