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# taz.de -- Interview: "Schäden am Immunsystem"
> In vielen Alltagssubstanzen verbergen sich Gifte, die das Hormonsystem
> stören. Vor allem Kinder sind gefährdet, sagt die Toxikologieprofessorin
> Gisela Degen
Bild: Auch im Quietscheentchen lauern Spielverderber.
taz: Was bewirken endokrine Disruptoren (EDs) im Körper?
Gisela Degen: Sie greifen in den Sexualhormonhaushalt ein, verstärken oder
blockieren die Wirkung von Östrogenen oder Androgenen.
Welche Gesundheitsschäden sind beim Menschen bewiesen?
Die Stoffe wirken sich in hohen Mengen negativ auf die Fortpflanzungsorgane
aus. Das Paradebeispiel ist das Östrogen Dietylstilboestrol (DES). DES
wurde als Medikament in den 50er- bis 70er-Jahren schwangeren Frauen
verabreicht, um Fehlgeburten zu verhindern. In der Folge erkrankten die
Kinder dieser Mütter häufiger an Krebs und es fanden sich vermehrt
Anomalien am Genitaltrakt. Das ist der einzige Schaden, der für EDs
tatsächlich nachgewiesen ist. Befürchtungen gibt es dagegen viele. Bei
jungen Männern sind zum Beispiel nicht voll abgestiegene Hoden mit
Chemikalien in Verbindung gebracht worden, genannt: Kryptorchismus. Einige
Wissenschaftler vermuten Schäden am Immun- und am Nervensystem.
Könnten solche Schäden an die nächste und übernächste Generation
weitergegeben werden?
Ob entsprechende Tierversuche auf den Menschen übertragbar sind, wird
aktuell heftig diskutiert. Die meisten Wissenschaftler sind jedoch
skeptisch, dass epigenetische Veränderungen durch EDs beim Menschen
auftreten.
Muss ein Chemikalien-Hersteller neue Stoffe auf hormonelle Wirkungen
testen?
Ja. Man prüft das heute zum Beispiel in Zellkulturen. Seit Ende der
80er-Jahre sind mögliche hormonelle Schadwirkungen bekannt, aber man hat
sich jahrelang darauf fixiert, ob Chemikalien Krebs erzeugen.
Wer testet Kombinationseffekte?
Die EU finanziert Projekte von diversen Arbeitsgruppen. Es hat sich aber
bislang nicht bewahrheitet, dass sich mehrere Chemikalien in ihrer Wirkung
multiplizieren. Bei Tests mit bis zu zehn Stoffen traten lediglich additive
Wirkungen auf.
Fließt das Wissen über diese Stoffe ausreichend in die Gesetzgebung ein?
Meiner Meinung nach ja. Im Rahmen der neuen Chemikalienverordnung REACH
müssen nun auch viele Altstoffe auf ihre hormonelle Wirkung getestet
werden.
Müsste nicht das Vorsorgeprinzip in der Gesetzgebung gelten?
Wenn Sie das Prinzip für EDs anwenden wollen, müsste dies auch für die in
der Natur vorkommenden hormonell-aktiven Stoffe gelten, das heißt, man
müsste etwa Sojamilch für Kleinkinder verbieten. Beim Phthalat-Verbot in
Kinderspielzeug ist das Prinzip bereits angewendet worden. Hier gab es ja
auch keine konkreten Beweise.
In welchen Alltagsgegenständen kommen EDs vor?
Kosmetika, Spielzeug, Plastikgegenstände im Haushalt, Nahrungsmittel, Obst-
und Gemüseverpackungen. In Kosmetika verstecken sich häufig Phthalate -
wünschenswert ist das nicht. Tabakrauch enthält unter anderem messbare
Mengen an Cadmium, das auch zu den EDs zählt.
Welche Bevölkerungsgruppen sind besonders gefährdet?
Kinder im Mutterleib, etwa wenn die Mutter raucht. Aber auch Kleinkinder.
Sie befinden sich in empfindlichen Entwicklungsphasen, die durch Eingriffe
in den Hormonhaushalt gestört werden können. Beim Erwachsenen ist die
körpereigene Produktion der Geschlechtshormone viel wesentlicher als das,
was man aus der Umwelt aufnimmt.
22 Jun 2007
## AUTOREN
Kathrin Burger
## TAGS
Spielzeug
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