# taz.de -- Kommentar: Auch Provinzler kommen an die Macht | |
> Der SPD und Kurt Beck geht es besser, als es den Anschein hat. Mit der | |
> Mindestlohn-Debatte schenkt Merkel den Sozialdemokraten ein | |
> Wahlkampfthema. | |
Die SPD scheint derzeit von einer Krise in die nächste zu taumeln. Bei | |
Umfragen schneidet sie miserabel ab, über ihren Chef Kurt Beck wird | |
gespottet und sogar bei der SPD-Basis ist Angela Merkel beliebter als Beck. | |
Hinzu kommt anscheinend ein strategisches Dilemma: Wenn die SPD - wie nach | |
dem Mindestlohn-Kompromiss - die Union angreift, kommt das schlecht an. | |
Typisch SPD, heißt es dann, eine Regierungspartei kann doch nicht so tun, | |
als wäre sie in der Opposition. Doch lässt sie dies und fügt nur kleinlaut | |
hinzu, dass mehr leider nicht drin war, treibt die Linkspartei sie | |
genüsslich vor sich her. So ungefähr steht es in vielen Zeitungen, und so | |
sieht es auch aus. Allerdings ist vieles daran übertrieben, manches falsch. | |
Der Affront gegen Kurt Beck hat alle Züge einer medialen Kampagne, die sich | |
selbst verstärkt. Merkel macht derzeit bella figura, Beck wirkt in Berlin | |
noch immer provinziell. Je öfter das so in der Zeitung steht, umso mehr | |
nimmt es den Charakter einer Tatsache an, umso öfter steht es in der | |
Zeitung etc. Doch solche Kampagnen kommen und gehen. Der Kernvorbehalt | |
gegen Beck wirkt jedenfalls eher bescheiden. Wenn Provinzialismus ein | |
Stolperstein auf dem politischen Weg nach ganz oben wäre, dann hätte es 16 | |
Jahre Helmut Kohl nie geben dürfen. Und: Die Umfragen mögen für die SPD | |
mies sein, die Wahlaussichten sind es nicht. In Hessen, wo neben | |
Niedersachsen in sieben Monaten gewählt wird, kann die SPD schaffen, was | |
vor einem Jahr noch völlig undenkbar war: Roland Koch besiegen. | |
Beck hat jetzt beim Programmparteitag in Hannover die SPD als | |
Sozialstaatspartei gegen die Union in Stellung gebracht. Das ist die | |
richtige Richtung, der Mindestlohn das richtige Thema. Denn das Dilemma der | |
SPD, den Mindestlohn in dieser Regierung nicht durchsetzen zu können, hat | |
auch eine erfreuliche Seite. Merkel hat damit der SPD ein glänzendes | |
Wahlkampfthema geschenkt, mit dem die SPD die Union an einer empfindlichen | |
Stelle treffen wird: der Gerechtigkeit. Die SPD kann die Koalition ohne | |
absolut zwingenden Grund nicht platzen lassen - und muss trotzdem klare | |
Trennungslinien zur Union ziehen. Das gelingt ihr gar nicht so schlecht. | |
25 Jun 2007 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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