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# taz.de -- Bundeswehr-Daten: Für immer geheim
> Opposition und Experten zweifeln an den Erklärungen für den Datenschwund.
> Auch Material über den Antiterrorkampf soll betroffen sein.
Bild: Deutsche Soldaten in Afghanistan
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und sein Amtsvorgänger
Peter Struck (SPD) müssen sich auf unbequeme Nachfragen der Opposition im
Bundestag einstellen. Die überraschende Mitteilung des Ministeriums, wonach
alle geheimen Datenbestände der Bundeswehr mit Berichten der
Nachrichtendienste zu Auslandseinsätzen in den Jahren 1999 bis 2003 spurlos
verschwanden, stößt nicht nur bei Computerexperten auf Skepsis (siehe
Interview). Auch FDP, Grüne und Linke äußerten am Dienstag erhebliche
Zweifel.
Es mache sie "nachdenklich", dass ausgerechnet derart wichtige Daten nur
unzureichend gesichert worden sein sollen, erklärte die FDP-Fraktionsvize
Birgit Homburger und forderte eine "lückenlose Aufklärung". Der
verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Paul Schäfer, sagte:
"An einen versehentlichen und unwiederbringlichen Verlust der Daten zu
glauben, fällt schwer."
Das Misstrauen der Opposition gründet sich auf die Vermutung, dass die
verschwundenen Akten brisante Informationen über deutsche Aktivitäten im
Antiterrorkampf enthielten - etwa über den Einsatz des Kommandos
Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr, das seit 2001 geheime Operationen in
Afghanistan durchführte. Möglicherweise hätte es in den Daten auch
Antworten zu Fragen gegeben, die im BND-Untersuchungsausschuss bisher nicht
geklärt werden konnten: So möchte die Opposition wissen, ob der
Militärische Abschirmdienst (MAD) und der Bundesnachrichtendienst (BND)
2001 an Verhören und Misshandlungen von Terrorverdächtigen in einem
US-Lager im bosnischen Tuzla beteiligt waren. Der Aktenschwund hat die
Neugier der Opposition noch verstärkt. Sie will den Aspekt Tuzla jetzt noch
vor der Sommerpause auf die Tagesordnung im Untersuchungsausschuss setzen.
Der Linken-Politiker Schäfer äußerte den Verdacht, dass die laut
Ministerium unrettbar vernichteten Daten "mehrere klare Rechtsbrüche
dokumentieren". Für ihn dränge sich der Schluss auf, dass die Regierung
weiter nach dem Grundsatz verfahre: "Tricksen, tarnen, täuschen". Schäfer
kritisierte auch die Öffentlichkeitsarbeit der früheren rot-grünen
Vorgängerregierung: "Die Informationspolitik über den KSK-Einsatz war von
Anfang an intransparent."
Der Grünen-Politiker Christian Ströbele sagte, er habe in der Vergangenheit
immer wieder nach Akten zu den KSK-Einsätzen gefragt. In den knappen
Antworten sei von einem Verlust der Akten nie die Rede gewesen. Das stimme
ihn misstrauisch. Die Bundeswehr versuche womöglich, "Informationen nicht
nach außen zu geben".
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags
(PKG), Max Stadler, kündigte an, er werde bei der nächsten Sitzung am
kommenden Mittwoch weitere Auskünfte verlangen. "Nach den gesetzlichen
Bestimmungen muss die Bundesregierung über alle wichtigen Vorgänge, die die
Arbeit der Geheimdienste betreffen, Bericht erstatten", sagte der
FDP-Politiker der taz.
Von dem angeblichen Verlust der kompletten Datenbestände aus den Jahren
1999 bis 2003 berichtete das Verteidigungsministerium jedoch erst, nachdem
der Untersuchungsausschuss im Mai Akten zu dem Fall Murat Kurnaz
angefordert hatte. Dabei ging es um den Vorwurf des früheren
Guantánamo-Häftlings, er sei 2002 von deutschen KSK-Soldaten in Afghanistan
misshandelt worden. Ein Vorwurf, der aus Sicht der Staatsanwaltschaft
Tübingen nicht ausreichend erhärtet werden konnte. Sie hat das Verfahren
eingestellt. Neue Hinweise wird sie nun wohl kaum mehr bekommen -
jedenfalls nicht aus Bundeswehrakten.
26 Jun 2007
## AUTOREN
Lukas Wallraff
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