# taz.de -- Urbanisierung: Die Mehrheit lebt in der Stadt | |
> Der Weltbevölkerungsbericht der UNO: Das Wachstum der Städte liegt | |
> weniger an der Landflucht, vielmehr an höheren Geburts- als Sterberaten | |
Bild: Immer mehr Menschen leben in Städten. | |
Zum ersten Mal in der Geschichte werden im kommenden Jahr mehr Menschen in | |
Städten als in ländlichen Gebieten leben. Das schreibt der | |
UN-Bevölkerungsfonds Unfpa in seinem neuen Weltbevölkerungsbericht, der am | |
Mittwoch vorgestellt wurde. Von 3,3 Milliarden StadtbewohnerInnen 2008 | |
berichtet der Unfpa. Er prophezeit, dass sich diese Zahl bis 2030 auf fast | |
5 Milliarden Menschen erhöhen wird. | |
Dabei korrigieren die AutorInnen des Berichtes gleich mehrere Ansichten | |
über Verstädterungsprozesse: Die Städte wachsen heute weniger durch | |
Migration vom Land in die Stadt als vielmehr in erster Linie dadurch, dass | |
die Geburtsraten in den Städten selbst höher sind als die Sterberaten. 60 | |
Prozent des städtischen Wachstums sind darauf zurückzuführen. Wer diesen | |
Prozess verlangsamen wolle, müsse "auf die Faktoren abzielen, die einen | |
Rückgang der Fertilität bewirken - gesellschaftliche Entwicklung, | |
Investitionen in Gesundheit und Bildung, die Stärkung von Frauen und | |
besserer Zugang zu Dienstleistungen der reproduktiven Gesundheit". | |
Sowohl gesamtgesellschaftlich als auch individuell sei die Entscheidung für | |
die Stadt rational und hilfreich. In Städten seien die Chancen wesentlich | |
größer, die Infrastruktur für die Versorgung von Menschen bereitzustellen, | |
als auf dem Land. In Lateinamerika, wo die Verstädterungsprozesse | |
wesentlich früher einsetzen als in Asien und Afrika, zeigen sich inzwischen | |
gutes Wachstum und mehr Entwicklungsmöglichkeiten der städtischen | |
Bevölkerung. Wenn die lateinamerikanischen Regierungen nicht jahrelang u. | |
a. mit repressiven Mitteln versucht hätten, gegen Landflucht vorzugehen, | |
sondern sie als Realität akzeptiert hätte, wäre es nicht zur extensiven | |
Slumbildung gekommen. | |
Dennoch geht der Unfpa-Report davon aus, dass vor allem die arme | |
Bevölkerung in den Städten weiter wachsen wird. In Afrika leben 72 Prozent | |
der städtischen Bevölkerung unter Slumbedingungen, in Südasien 56 Prozent. | |
Das Wachstum der Städte, wie das Wachstum der Weltbevölkerung überhaupt, | |
wird sich in den kommenden Jahrzehnten in Entwicklungsländern abspielen. | |
Dabei sind es aber nicht die bekannten Megacitys, die am stärksten wachsen | |
werden, sondern vor allem Städte mit derzeit unter 500.000 EinwohnerInnen. | |
52 Prozent der derzeitigen weltweiten Stadtbevölkerung leben in Städten | |
dieser Größenordnung. Sie werden "in absehbarer Zukunft den Löwenanteil an | |
der städtischen Bevölkerung stellen". Das Problem: Gerade diese Städte und | |
Stadtverwaltungen sind bei der Schaffung der Infrastruktur oft finanziell | |
und organisatorisch überfordert. | |
Armutsbekämpfung, so die zentrale Aussage des Berichts, muss die | |
Verstädterung akzeptieren. Sie muss in den Städten ansetzen und die Armen, | |
gerade die Frauen, so stärken, dass sie in den Städten ihr Leben verbessern | |
können. | |
28 Jun 2007 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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