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# taz.de -- Doku: Coming-out mit Lücken
> Rosa von Praunheims Dokumentation "Schau mir in die Augen, Kleiner" zeigt
> 40 Jahre schwul-lesbische Emanzipation im Film.
Bild: Durch die Brille in die Augen: Rosa von Prraunheim
Die souveräne Position ist mit dem ersten Bild schon besetzt: Der
Filmemacher John Waters ("Pink Flamingos") spricht als Elder Statesman des
schwulen Underground, der es längst bis weit hinein in den
Hollywood-Mainstream geschafft hat.
Souverän ist die Position, weil Waters gelassen politisch unkorrekte
Wahrheiten ausspricht wie die, dass der Spaß, den das schwule Kino machte,
größer war, als es noch auf heftigen gesellschaftlichen Widerstand traf.
Und dass Emanzipationsgewinne eben auch Reibungs- und Spaßverluste
bedeuten. Daraus folgt auch, so Waters, dass die Messlatte fürs schwule
Kino inzwischen weit jenseits schlichter Identifikationsangebote liegt:
"Gay is not enough anymore."
Solche Souveränität muss man sich freilich leisten können. Die lesbische
Community hat sich Vergleichbares erst in jüngerer Zeit erarbeitet, dafür
steht in André Schäfers Dokumentation zur Geschichte des schwul-lesbischen
Films Guinevere Turner, Autorin der Fernsehserie "The L Word". Sie gibt
aber auch, nicht als Einzige, zu bedenken: In westlichen, schon gar den
Entertainment-Milieus haben es schwul-lesbische Positionen weit gebracht,
aber in vielen Gegenden der USA und der Welt ist die Diskriminierung noch
lange nicht überwunden. Wer in Indien bei schwulem Sex erwischt wird, dem
droht nach wie vor lebenslange Haft, wie Onir, der indische Regisseur von
"My Brother Nikhil", des ersten Hindi-Mainstreamfilms mit schwuler
Thematik, versichert.
André Schäfers Doku kommt weit herum, von New York bis Bombay, von Berlin
bis San Francisco. Historische Etappen abgehakt, von den Stonewall Riots
bis zur Christopher Street; dann die Aids-Katastrophe. Neben John Waters
kommen auch die deutschen Klassiker zu Wort. So gibt es Ausschnitte aus
Wolfgang Petersens Film "Die Konsequenz" (1977), dessen Ausstrahlung der
Bayerische Rundfunk einst verweigerte, natürlich auch aus Rosa von
Praunheims "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in
der er lebt" von 1971. Wieland Speck erzählt, wie er 1987 mit Manfred
Salzgeber die Verleihung des "Teddy" ins Leben rief. Gus Van Sant, neben
Pedro Almodóvar der erste Teddy-Preisträger, ist für Schäfer Kronzeuge
eines Kinos, das nicht hauptamtlich, sondern mit beträchtlicher
Selbstverständlichkeit schwul ist.
Der Film lässt nichts Gängiges aus, reiht brav Filmausschnitte und talking
heads aneinander und klebt alles mit Musik und Voice-over-Kommentaren
zusammen. Ästhetisch nicht mehr, nicht weniger als biedere
Fernsehkonvention. Dazu kommt, dass Schäfer bei seiner Hatz durch Raum und
Zeit einen weiten Bereich ausblendet, und zwar den ästhetisch
interessantesten: Die Geschichte des schwulen amerikanischen Experimental-
und Undergroundfilms kommt, von John Waters abgesehen, nicht vor. Kein Wort
über Kenneth Anger, nichts über Jack Smith, gänzlich unerwähnt bleiben die
Schwulenpornos der Siebzigerjahre. Auch eine neunzigminütige Dokumentation
darf Lücken haben. Aber vielleicht doch besser nicht an den spannendsten
Stellen.
Im Anschluss: "Männer, Helden, schwule Nazis", Doku von Rosa von Praunheim
(D 2005), 23.20 Uhr, WDR)
5 Jul 2007
## AUTOREN
Ekkehard Knörer
## TAGS
Dokumentarfilm
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