# taz.de -- Bayreuth (1): Eine Familientragödie | |
> Morgen haben die "Meistersinger" Premiere, von Katharina Wagner | |
> inszeniert. Das Ergebnis entscheidet über die Nachfolge von Wolfgang | |
> Wagner als Festspielchef | |
Bild: Katharina (li.) und nicht Eva (m.) oder Nike (re.) soll die neue Cosima w… | |
In einer Zeit, die längst vergangen ist, kamen den Deutschen die gekrönten | |
Häupter abhanden. Doch entwickelten die Medien immer neue Techniken der | |
Übertragung. Wenn Tafelsilber und Ehen einer semiprominenten Gloria | |
Victoria abgegrast, Seitensprünge und -hiebe von irgendeinem dummen Ernst | |
August nicht mehr auszupressen sind, taucht periodisch eine Familienkomödie | |
im Blätterwald auf: Die Wagners geben Sommertheater. Vergnüglicher Streit | |
zur Weißbierzeit. | |
Einst hat der Uropa Richard W. das aus der Ära der deutschen Romantik | |
herüberragende Unternehmen mit Weltgeltung angerührt, dessen Gattin Cosima | |
- Tochter des großen Pianisten Franz Liszt - die Firma mit Rechtsdrall | |
fortgeführt, die Schwiegertochter Winifred die Wagner-Festspiele im | |
nationalsozialistischen Beziehungsgeflecht an führender Stelle | |
positioniert. Ihr Sohn Wieland schlüpfte - nach Schließung des | |
kontaminierten Betriebs im Jahr 1945 - mit Geschick zu angeblich | |
ideologiefreien Sichtweisen auf das große Erbe hinüber. Seit 1966 ist der | |
kleine Bruder Wolfgang als Festival-Impresario auf Lebenszeit tätig: Er | |
steuerte in den 70er-Jahren erfolgreich um die Klippen des Zeitgeistes, war | |
dann aber auch für den vielfach als bedrohlich beschriebenen Abfall des | |
Niveaus von Inszenierungen und musikalischen Qualitäten verantwortlich. | |
Bereits 1995, als er 75 wurde, wurden verschärfte Fragen nach Wachablösung | |
auf dem Grünen Hügel laut. Und seither noch mehr. | |
Ein(e) Wagner soll es sein - auch fürderhin genießt die Familie Vorrechte | |
bei der Besetzung der Leitungsposition. So sehen es die zwischen | |
öffentlichen Händen und dem Wagner-Clan ausgehandelten Verträge vor. Die | |
Wettbewerbslage ist seit zwei Jahrzehnten fast unverändert: Favoritin ist | |
allemal ein Mitglied aus Wolfgang Wagners Kleinfamilie. Als sie noch jünger | |
war, sollte es die Zweitgattin Gudrun werden (der zuständige Stiftungsrat | |
akzeptierte die ehemalige Sekretärin allerdings wg. mangelnder | |
Qualifikationen nicht). Daraufhin wurde deren Tochter Katharina (29) | |
aufgebaut: Sie kam durch Protektion zu etwas Theatererfahrung in Würzburg | |
etc., legte aber als Regisseurin bislang noch kein Gesellenstück vor. Dazu | |
bietet sich am Mittwoch im Bayreuther Festspielhaus noch eine Chance: Papi | |
hat sie auf "Die Meistersinger" losgelassen. Und erst im Herbst kann die | |
Spitzenpersonalfrage entschieden werden. | |
Mit im Rennen sind, da aus dem etwas weiteren Familienkreis stammend, noch | |
zwei Tanten: Eva und Nike. Eva Wagner-Pasquier (62) zieht beim Festival in | |
Aix-en-Provence die Strippen, ist verantwortlich für die Akquirierung der | |
Sänger - zuletzt ohne glückliche Hände. Die umfassendsten und besten | |
Voraussetzungen bringt Nike Wagner (ebenfalls 62) als Leiterin des | |
Kunstfestes Weimar mit. Doch dürfte auch ihr durch des Onkels Aussitzen der | |
Probleme die Zeit davongelaufen sein. Allerdings ist der oberfränkische | |
Erbfolgekrieg noch nicht entschieden. | |
Allzu großen Unterhaltungswert hat die Prozedur, die auf Katharina zuläuft, | |
freilich längst nicht mehr: Diese Erbin ist zwar nicht mit nennenswerter | |
Intelligenz, Kunstsinnigkeit und Brillanz öffentlich aufgefallen, aber | |
augenscheinlich einfach dran. Basta. | |
24 Jul 2007 | |
## AUTOREN | |
Frieder Reinighaus | |
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