# taz.de -- Sekten: Flucht vor Scientology | |
> Eine 14-Jährige Mädchen setzt sich von ihren Scientology-Eltern nach | |
> Hamburg ab. Nun tobt ein Streit über die Frage, warum es in Berlin bisher | |
> keinen Scientology-Beauftragten gibt. | |
Bild: Mai 2019: Ein Mann demonstriert am Potsdamer Platz gegen eine Veranstaltu… | |
Das wird US-Schauspieler Tom Cruise nicht geschmeckt haben. Erst mokieren | |
sich die Berliner über seine Filmrolle als Hitler-Attentäter Graf von | |
Stauffenberg. Nun läuft dem Frauenschwarm auch noch eine junge Anhängerin | |
davon. An seinen schauspielerischen Qualitäten wird es nicht gelegen haben. | |
An der Scientology-Sekte, zu der auch Cruise gehört, dagegen schon. | |
Wie Anfang der Woche bekannt wurde, hat eine 14-jährige Berlinerin mit | |
ihrem elf Jahre älteren Bruder die Stadt verlassen, um in Hamburg beim | |
dortigen Jugendamt Hilfe zu suchen. Zuvor war der Bruder aus der | |
Scientology-Sekte ausgestiegen. Das Mädchen habe ein striktes Kontaktverbot | |
zu ihm befürchtet und wollte nicht dem Wunsch der Eltern folgen, auf ein | |
Scientology-Internat in Dänemark zu wechseln, berichtet die Leiterin der | |
Arbeitsgruppe Scientology, Ursula Caberta, in Hamburg. | |
Bei dem Mädchen handelt es sich nach Behördenangaben um die Stieftochter | |
einer Scientology-Direktorin in Berlin. Nun tobt in der Hauptstadt ein | |
Streit über die Frage, warum die 14-Jährige in Berlin keine entsprechende | |
Anlaufstelle fand, sondern nach Hamburg ging. "Eine solche Anlaufstelle | |
gibt es", sagte gestern die Sprecherin der Berliner Innenverwaltung, | |
Isabelle Kalbitzer. Sie verwies auf die Jugendämter. Dort werde allen | |
Bürgern Hilfe und Unterstützung im Umgang mit Sekten angeboten, | |
insbesondere mit Scientology. Es sei "misslich", dass dies dem Mädchen | |
nicht bekannt war. | |
Der Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, | |
Thomas Gandow, hatte den Senat dagegen scharf angegriffen und kritisiert, | |
dass es in Berlin keine Möglichkeit gebe, bei einer staatlichen Stelle eine | |
solide Beratung in Sachen Scientology zu bekommen. Gandow bezeichnete die | |
Organisation als "weltweit organisierten Psychokonzern", der Aussteiger | |
brutal unter Druck setze. Er plädierte für eine Verbotsdiskussion zu | |
Scientology. | |
Auch die oppositionelle CDU schloss sich der Kritik an: Die Flucht der | |
14-jährigen in die Hansestadt zeige, wie dringend Berlin eine feste | |
Anlaufstelle für Scientology-Aussteiger brauche, sagte der | |
Sicherheitsexperte der CDU im Abgeordnetenhaus, Frank Henkel. Die CDU sieht | |
es als ihr Verdienst an, dass der Berliner Verfassungsschutz die Sekte | |
überhaupt wieder beobachtet. Das Land Berlin hatte die Beobachtung von | |
Scientology 2003 als Konsequenz aus Gerichtsurteilen eingestellt. | |
Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Dirk Behrendt, sprach sich zwar | |
ebenfalls dafür aus, dass der Senat "mehr machen" könne. Anders als die CDU | |
plädierte er jedoch dafür, sich nicht so viel Gedanken über Überwachung zu | |
machen, sondern sich auf die Hilfe für Ausstiegswillige zu konzentrieren. | |
Scientology wurde 1954 von dem Sciencefiction-Autor Ron Hubbard gegründet. | |
Seit Anfang des Jahres befindet sich in Charlottenburg die | |
Deutschland-Zentrale. Die Zahl der Mitglieder soll sich nach Angaben von | |
Scientology seit Jahresbeginn um mehrere hundert auf 1.000 Mitglieder | |
erhöht haben. Isabelle Kalbitzer von der Innenverwaltung bestreitet diese | |
Zahl: "In Berlin beißt Scientology auf Granit." | |
1 Aug 2007 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
Felix Lee | |
## TAGS | |
Sekte | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gefährliche Sekten in Berlin: Der Nährboden ist da | |
Immer mehr christliche Fundamentalisten tummeln sich in Berlin mit | |
verführerischen Angeboten, sagt die landeseigene Sekteninfo. | |
Scientology: Hamburg betreut Berliner Aussteiger | |
Der Sohn und die Stieftochter der Berliner Scientology-Direktorin sind nach | |
Hamburg geflüchtet. Eine Anlaufstelle in Berlin gibt es nicht. | |
Sekten: "Es gibt kaum neutrale Beratungsstellen" | |
Der Sektenberater Ingo Heinemann hält das Beratungsangebot zu Scientology | |
in Berlin nicht für ausreichend. Er fordert eine staatliche Anlaufstelle | |
wie in Hamburg. |