# taz.de -- Sekten: "Es gibt kaum neutrale Beratungsstellen" | |
> Der Sektenberater Ingo Heinemann hält das Beratungsangebot zu Scientology | |
> in Berlin nicht für ausreichend. Er fordert eine staatliche Anlaufstelle | |
> wie in Hamburg. | |
Bild: Die Hauptstadt-Niederlassung von Scientology in Berlin | |
taz: Herr Heinemann, vor einigen Monaten hat Scientology eine | |
Deutschlandzentrale in Charlottenburg eröffnet. Wie schätzen Sie die Ziele | |
der Sekte in Berlin ein? | |
Ingo Heinemann: Scientology will sicherlich von Berlin aus Einfluss auf die | |
Politik nehmen. Dafür spricht allein schon die Größe der Einrichtung: Sie | |
ist viel zu groß, als das es eine normale Filiale sein könnte. | |
In welcher Form versucht Scientology, Einfluss auf die Politik und die | |
Politiker zu nehmen? | |
Insbesondere wird versucht, Gesetze zu verhindern, die die Psychomethoden | |
der Sekte einschränken könnten - das ist der wichtigste Punkt. Außerdem | |
wird Scientology versuchen, die Psychiatrie im weitesten Sinne zu | |
bekämpfen, um selbst ein Monopol in diesem Bereich aufzubauen. Dafür ist | |
politische Einflussnahme erforderlich: Mit Briefen und | |
Informationssendungen an Abgeordnete, aber auch über direkte Gespräche wird | |
Scientology versuchen, an politische Entscheider heranzutreten, Lobby zu | |
machen. | |
Wie muss man sich die von Ihnen angesprochenen Psychomethoden vorstellen? | |
Das ist ein ganzes Konglomerat von Beeinflussungsmethoden, die aufeinander | |
aufbauen und jeweils mit vermeintlichen Tests abschließen. Diese Tests | |
belegen dann, dass weitere Behandlungen nötig sind - Schulungen und Kurse, | |
die zu weiterer Beeinflussung führen. Die Gefahr für den einzelnen | |
Betroffenen ist vielfältig. Erstens droht der Verlust der selbständigen | |
Entscheidungsfähigkeit. Zweitens besteht ein finanzielles Risiko - die | |
Behandlungen sind nicht gerade günstig, sie kosten viel Geld. Und drittens | |
besteht die Gefahr einer Abhängigkeit von Scientology, die mit einem | |
Realitätsverlust einhergeht. | |
Was kann man gegen einen solchen Teufelskreis tun? | |
Die Bürger sollten den gesunden Menschenverstand nutzen und sich umfassend | |
informieren. Vor allem sollten die angebotenen Psycho-Tests, die ein | |
wesentliches Werbeargument von Scientology sind, mit größter Vorsicht | |
betrachtet werden. Diese Tests grenzen an Betrug. Die Verbraucher benötigen | |
aber auch besondere Unterstützung: Anlaufstellen sind unbedingt notwendig. | |
Tatsache ist, dass im Moment keine oder kaum neutrale Beratungsstellen | |
existieren. Da ist der Staat, als Anbieter solcher Anlaufstellen, besonders | |
gefordert. | |
Wie müssen solche Anlaufstellen, die ja auch die Opposition fordert, | |
aussehen? | |
Wünschenswert wäre eine Stelle nach Hamburger Vorbild, auch mit den | |
dortigen Kompetenzen. In Berlin befassen sich unterschiedliche Stellen mit | |
dem Thema. Entscheidend ist aber nicht die Stelle, sondern die Kompetenzen | |
und die personelle Besetzung. | |
In Bezug auf die Mitgliedszahlen bestehen große Unterschiede zwischen den | |
Schätzungen des Landes und von Scientology selbst. | |
Die vom Land verbreiteten Zahlen dürften die tatsächlichen Mitgliederzahlen | |
sein. Allerdings besagt der Begriff der Mitgliedschaft in Bezug auf | |
Scientology gar nichts. Die Zahl der Vereinsmitglieder ist zwar | |
verhältnismäßig niedrig, doch die Anzahl der Dauerkunden, der Anhänger im | |
weitesten Sinne, ist wesentlich größer | |
31 Jul 2007 | |
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