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# taz.de -- Wasser-Wahnsinn: Einmal 90-60-90 bitte
> Wasser ist längst kein Durstlöscher mehr. Dank Wellness-Wahn muss Wasser
> mit Geschmack auch gesund machen.
Bild: Der Dalai Lama trank bei seinem Besuch Wasser aus einer Tasse. Was noch d…
Noch vor fünf Jahren war der Gang in den Supermarkt ein unbeschwerter. Wenn
man Durst hatte, kaufte man je nach Vorliebe Bier, Saft, Limonade - oder
eben ganz klassisch Wasser (mit oder ohne Kohlensäure). Doch diese
Unbeschwertheit ist Geschichte - heute ist Wasser nicht mehr gleich Wasser.
Seit Entdeckung des sogenannten Near-Water-Segments, also der
Getränkesparte, in der dem herkömmlichen Wasser Aromen zugesetzt werden,
kommen jährlich unzählige, weitestgehend verzichtbare Wasser-Mischgetränke
auf den Markt. Die Absurdität der Geschmacksrichtungen kennt dabei keine
Grenzen. Ob Ginkgo, Ananas-Zitronengras, Aloe Vera-Litschi oder Ginseng,
all das, was früher in Pillenform gegen Rheuma oder Husten half, wird
heutzutage als Ergänzung einer ausgewogenen Nahrung in flüssiger Form
serviert.
Und der vom medial maßlos überinszenierten Wellness-Wahn ohnehin schon
indoktrinierte Verbraucher fährt sich diese Mogelpackungen auch noch in
rauen Mengen ein. Was wiederum die Mineralwasser-Industrie freut, die seit
Entdeckung des Segments Absatzrekord nach Absatzrekord vermelden kann.
Das jüngste Kind in der Near-Water-Segment-Familie kommt aus dem Hause
Gerolsteiner und nennt sich "Lineé". Der Konzern teilt auf seiner Homepage
mit, dass Stress im Alltag und ungesunde Ernährung wahre Vitalitätsbremsen
(was für ein Wort!) seien, denn wer keine Zeit hat, der greife schließlich
beim ersten Hunger schnell zu kalorienreichen süßen Snacks: "Gerolsteiner
Lineé bietet Ihnen eine vitalisierende Lösung." Aha, wer Hunger hat, soll
jetzt also trinken. Erinnert in seiner Obskurität an Mary Antoinette und
ihren vermeintlichen Ausspruch: Wenn das Volk kein Brot hat, soll es doch
Kuchen essen.
Lineé kommt in einer Art 90-60-90-Design daher. Die Flasche ist oben
bauchig, läuft zu einer schmalen Taille zusammen und wird Richtung
Po-Gegend wieder voluminöser. So kann die gesundheitsbewusste Frau von
heute quasi schon ihren Körper von morgen sehen. Da lobt man sich doch die
alten Zeiten, in denen jede Wasserflasche gleich aussah - und Wasser
einfach nur zur Erfrischung und als Durststiller diente.
5 Aug 2007
## AUTOREN
Daniel Müller
## TAGS
Superfood
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