# taz.de -- Mauerpark: Die grüne Wiese mit den hohen Mauern | |
> Der Mauerpark zwischen Prenzlauer Berg und Wedding soll größer werden. | |
> Oder auch nicht. Denn der Senat dealt mit dem Grundstückseigentümer und | |
> will die künftige Grünfläche zur Bebauung freigeben. | |
Bild: Bald noch mehr Platz zum Ins-Grüne-Gucken? | |
In der Mitte steht ein Zaun. Dabei sollte der Mauerpark Ost- und Westberlin | |
zusammenführen statt trennen. Der Park als Symbol für die | |
Wiedervereinigung. Doch tatsächlich ist die Anlage einer der wenigen Orte, | |
an dem die Bewohner der Stadtteile Wedding und Prenzlauer Berg auch 18 | |
Jahre nach dem Mauerfall noch getrennt voneinander leben. Gegrillt, | |
getrommelt und gesonnt wird auch heute nur auf der Ostseite. | |
Auf dem ehemaligen Todesstreifen hatte der Landschaftsarchitekt Gustav | |
Lange im Auftrag des Berliner Senats schon Anfang der 90er eine | |
14-Hektar-Oase geplant. Aus Kostengründen sind bis heute nur 8 umgesetzt. | |
Die verbleibenden sechs Hektar, westlich des Zauns, gehören der | |
bundeseigenen Immobiliengesellschaft Vivico Real Estate. Über befristete | |
Verträge vermietet diese einen Teil des Grundstücks bisher an die Betreiber | |
des stadtbekannten Flohmarkts und der umliegenden Gewerbe. Das könnte sich | |
demnächst ändern. Denn die Vivico hat große Pläne. | |
Landschaftsschenkung gegen Baurecht lautet der Vorschlag. Für zwei Hektar | |
Park gratis verlangt die Immobiliengesellschaft das Recht, auf den | |
verbleibenden vier Hektar bauen zu dürfen. Und bei dauerleeren Kassen ist | |
der Senat verführt, dieses Angebot anzunehmen. | |
Zudem ist das Land in Zugzwang: Die Allianz Umweltstiftung, die den Bau des | |
Mauerparks Anfang der 90er mit 4,5 Millionen DM gefördert hat, koppelte | |
diese Finanzspritze an eine Bedingung: Sollte der Park bis 2010 nicht auf | |
mindestens zehn Hektar angewachsen sein, behält sich die Allianz vor, das | |
Geld zurückzuziehen. | |
Bebauung im Mauerpark - für viele eine unmögliche Vorstellung. Schon im | |
Sommer 1990 sonnten sich Anwohner auf den Grünflächen westlich des | |
Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks, damals noch neben verwaisten Wachtürmen | |
der DDR-Grenztruppen. Seither wird der schlauchartige grüne Streifen | |
zwischen Bernauer- und Gleimstraße von Besuchern verschiedenster | |
Altersklassen als Sonnenwiese, Sportplatz und Open-Air-Bühne für Laien | |
genutzt. | |
Der Tausch-Deal würde daran einiges ändern. In drei bisher zwischen Senat | |
und Vivico diskutierten Szenarien müssten der Flohmarkt und die umliegenden | |
Cafés und Bars einem großflächigen Einzelhandel à la OBI oder Aldi weichen. | |
Am hinteren, bisher brachliegenden Teil des westlichen Geländes könnten | |
Stadtvillen entstehen. | |
Eine andere Möglichkeit bestünde darin, der Vivico die gesamte Fläche | |
abzukaufen. Der Senat geht von einem Gewerbeflächenpreis von 90 Euro pro | |
Quadratmeter aus. Der Erwerb des sechs Hektar großen Grundstücks, würde | |
demnach 5,4 Millionen Euro kosten. Trotz leeren Kassen sei diese | |
Investition dem Tausch-Deal vorzuziehen, meint Andreas Otto, baupolitischer | |
Sprecher der Grünen. Denn durch die Bauerlaubnis würden die der Vivico | |
überlassene Fläche stark im Wert steigen. "Bei der Lage kann man dann von | |
dem fünffachen Preis ausgehen", so Otto. Gegen eine Landschaftsschenkung im | |
Wert von 1,8 Millionen Euro für zwei Hektar würde das Land den Wert der | |
verbleibenden Fläche von 3,6 Millionen Euro auf 18 Millionen aufwerten, | |
rechnet Otto vor. Das stünde im Verhältnis 1 zu 10 und wäre "ein schlechter | |
Kompromiss für Berlin und seine Bürger", betont der Grünen-Politiker. | |
Die Vivico ist sich dagegen sicher, dass der Deal klappt. "Der Tausch ist | |
nur eine Frage der Zeit und der Kompromissfindung", so Wilhelm Brandt, | |
Unternehmenssprecher des Immobilienriesen. Wo und wie die geplanten Wohn- | |
und Einzelhandelprojekte entstehen könnten, sei aber noch unklar. | |
"Da sind Konflikte doch vorprogrammiert", schimpft Heiner Funken vom | |
Bürgerverein Gleimviertel. "Künftige Bewohner der Stadtvillen werden sich | |
regelmäßig über Ruhestörungen durch die Parknutzer beklagen, da wird | |
ständig die Polizei auf der Matte stehen." Diese Meinung teilt der | |
Vivico-Sprecher nicht. Wer in Berlin wohne, sei auf das urbane Leben | |
schließlich eingestellt. "In der Stadt ist es eben auch mal lauter, wer | |
Ruhe will, zieht aufs Land", so Brandt. | |
Auch die beiden beteiligten Bezirke, Mitte und Pankow, trennen Welten | |
voneinander. Während Michail Nelken (PDS), Bezirksstadtrat von Pankow | |
betont, er werde gegen eine Bebauung "alles tun, was politisch in meiner | |
Macht steht", hält Ephraim Gothe (SPD), Bezirksstadtrat aus Mitte die | |
Umsetzung des 14-Hektar-Parks für "aussichtslos. Er verfolge das Ziel, | |
einen Kompromiss zu finden, der deutlich über zwei Hektar hinausgehe. Auch | |
sei es ihm wichtig, den Flohmarkt und die angrenzenden Cafés zu erhalten. | |
"Um eine Wohnsiedlung kommen wir aber nicht herum", so Gothe. Auch hier | |
müsse aber über Einzelheiten diskutiert werden. Vorstellen könne er sich | |
mehrgeschossige Häuser entlang der westlichen Parkgrenze, die, wie | |
Familien-WGs von Eigentümergemeinschaften bewohnt würden. "Städtebaulich | |
muss das eben so organisiert sein, dass Park und Wohnsiedlung friedlich | |
nebeneinander existieren können. | |
Nelken hingegen stellt sich hinter die Anwohnervereine. Um eine schnelle | |
Einigung von Senat und Vivico zu verhindern, hatte er sich im vergangenen | |
Jahr an einer Landnahmeaktion der Bürgerevereine Gleimviertel und Freunde | |
des Mauerparks beteiligt. Einen der inzwischen mehr als vierzig Bäume auf | |
dem brachliegenden Vivico-Gelände hat er selbst gepflanzt. Man könne den | |
Eigentümer zwar nicht zwingen, aus dem Gelände einen Park zu machen, müsse | |
ihm aber auch keine Baugenehmigung erteilen, so Nelken. Eine Bebauung sei | |
"städtebaulich total unsinnig und nur im Profitinteresse des Eigentümers." | |
Im Park brauche man weder Wohnsiedlungen noch einen riesigen Einzelhandel, | |
sondern Gewerbeanbieter, die sich an die Nutzungsinteressen des Parks | |
anpassen, so wie bisher der Flohmarkt, das Projekt "Mauersegler" und die | |
umliegenden Geschäfte. | |
Bezirkspolitiker Nelken und Bürgerprotestler Funken sind sich vor allem in | |
einer Sache einig: "Der bisherige Park ist zu klein, das lässt sich auch | |
durch zwei Hektar nicht kompensieren",sagen beide, wobei Nelken noch einen | |
Schritt weiter geht. Neben der Umsetzung von Langes Parkplanung könne | |
seiner Ansicht nach auch die Fläche jenseits des Gleimtunnels, bis zur | |
angrenzenden Jugendfarm Moritzhof grün werden. Auch Landschaftsarchitekt | |
Lange wünscht sich die Fertigstellung des von ihm geplanten Parks. Der | |
momentan vor allem von jungen Leuten bevölkerte Park brauche die | |
verbleibende Fläche, um auch ruhigeren Anwohnern und Familien Raum zu | |
bieten. "Das erstaunliche an diesem Park ist ja gerade die vielfältige | |
Nutzung", so Lange. Der Mauerpark sei ein Freiraum für alle. "Eine Bebauung | |
würde diese Freiheit beschneiden", ist sich Lange sicher. | |
Geld sparen könne man beim Umbau zum Park, indem man beispielsweise schon | |
bestehende Wege einbezieht, schlägt Bodo Schliefke, Vorstand des Vereins | |
"Freunde des Mauerparks" vor. Außerdem wolle sich sein Verein an dem Umbau | |
und der Pflege beteiligen. "Das machen wir ohnehin schon seit Jahren, | |
dadurch ist der Park erst das geworden, was er heute ist", sagt er. Noch | |
vor wenigen Jahren sei ein Großteil der Flächen heruntergekommen gewesen. | |
Eine Bebauung sei in keinem Fall im Sinne der Bürger. "Prenzlauer Berg ist | |
der geburtenstärkste Stadtteil Berlins", ergänzt Schliefke. "Da ist ein | |
fertiggestellter, größerer Mauerpark kein Luxus, sondern ein | |
Grundbedürfnis." | |
In der Sache Mauerpark seien hier vor Ort alle einer Meinung, fasst Funken | |
zusammen. "In dieser Sache gibt es keine Opposition." Das Ziel des Senats, | |
bis 2010 auf 10 Hektar zu erweitern, damit sie die Förderung der Allianz | |
behalten können, sei ohnehin schon nicht mehr realisierbar, so Funken | |
weiter. Über Vorwürfe von Seiten des Senats, die Forderungen der Anwohner | |
seien unrealistisch und starrköpfig, kann er nur den Kopf schütteln. | |
"Natürlich sind wir verhandlungsbereit - nur nicht bei der Fläche." So sei | |
es zum Beispiel denkbar, einen Teil der Finanzierung für Umgestaltung und | |
spätere Pflege über Sponsoren zu organisieren. "Wir würden kräftig | |
Fundraising betreiben", so Funken. | |
Während die Anwohnervereine also weiter auf einen vollendeten Mauerpark | |
hoffen, scheint der Senat sich dem Eigentümer schon gebeugt zu haben. Das | |
rot-rote Koalitionsversprechen, sich mit der Fertigstellung des Mauerparks | |
zu befassen, scheint hinfällig. Auf eine Kleine Anfrage der Grünen | |
antwortete der Senat jedenfalls kürzlich: "Die Verhandlungen mit der Vivico | |
sind noch nicht abgeschlossen." Um zu einem Verhandlungsergebnis zu kommen, | |
habe man aber ein Verfahren zur Änderung des Flächennnutzungsplans | |
eingeleitet. Letzte Hürde für das Geschäft mit der Vivico wäre somit das | |
Abgeordnetenhaus, das der Änderung zustimmen muss. Wird sie beschlossen, | |
ist die verpflichtende Nutzung des Geländes als Park aufgehoben und der Weg | |
für den Tausch-Deal frei. Was bisher grün werden sollte, könnte dann auch | |
als Bauland zur Verfügung gestellt werden. | |
Der Verhandlungspartner, Vivico Real Estate, hält mit dem Senat Schritt: | |
Zum 1. Januar 2008 übernimmt der Propertymanager EPM Assetis GmbH das | |
gesamte Portfolio des Immobilienriesen und somit auch das Areal am | |
Mauerpark. Was man wissen sollte: Eigenen Angaben zufolge hat sich die EPM | |
spezialisiert. Jedoch nicht auf dem Gebiet der Landschaftsgestaltung, | |
sondern in der Entwicklung von Shopping-Centern, Büro-Immobilien und großen | |
Handelsflächen. | |
15 Aug 2007 | |
## AUTOREN | |
Nana Gerritzen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Sport trotz Corona | |
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