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# taz.de -- Böses Blut: Ist die Stasibehörde noch nötig? Nein!
> Angesichts der Schwächen der Birthler-Behörde ist es sinnvoll, darüber
> nachzudenken, wie ihre Struktur zu verändern ist, um den Prozess der
> Aufarbeitung effektiver zu gestalten.
Herr Kollege Thierse versucht seit Tagen den Eindruck zu erwecken, als ob
eine Überführung der Birthler-Behörde in das Bundesarchiv 2011
gleichbedeutend wäre mit einem Ende der Aufarbeitung der Stasigeschichte
und SED-Diktatur. Das ist polemisch und falsch zugleich. Es werden keine
Lastwagen mit Aktenbergen nach Koblenz fahren und die Akten dort dann in
dunklen Archiven verschwinden.
Das Ausgangsproblem der aktuellen Debatte ist doch wohl offenbar vielmehr,
dass ein überaus wichtiges Dokument zum Schießbefehl in einem
Forschungsband mit hunderten anderer Papiere nahezu verschwunden ist. Es
gab offenbar Schwächen in der historischen Einordnung dieses Dokuments.
Ebenso ist es eine Schwäche, dass bis in die jüngsten Tage hinein ehemalige
Stasimitarbeiter und systemnahe Personen an vertrauensvoller Stelle in der
Stasiunterlagenbehörde tätig sind. Angesichts dieser Schwächen ist es
legitim, über organisatorische und strukturelle Veränderungen nachzudenken,
um den Prozess der Aufarbeitung gerade effektiver zu gestalten. Der
Bundestag wird dann in einem transparenten Prozess über den Zeitpunkt der
Umstrukturierungen zu entscheiden haben.
Selbstverständlich würden auch unter dem Dach des Bundesarchivs die
Mitarbeiter der Birthler-Behörde weiterhin mit der Sichtung und
Erschließung des Aktenbestandes befasst sein. Das Recht auf Akteneinsicht
würde von den organisatorischen Änderungen auf jeden Fall unberührt
bleiben. Es war doch gerade die CDU/CSU, die in der Vergangenheit immer
wieder darauf gedrungen hat, moderne Technologien dafür einzusetzen, die
zerrissenen und geschredderten Akten zu rekonstruieren. Weder die SPD noch
Frau Birthler haben uns dabei unterstützt, dafür die haushaltsmäßigen
Voraussetzungen zu schaffen.
Ich finde, dass sich jetzt gezeigt hat, dass man den Prozess der
Aufarbeitung des Aktenmaterials und der historischen Einordnung und
Bewertung nicht exklusiv der Birthler-Behörde überlassen darf. Man sollte
dabei viel stärker als bisher auf die zahlreichen Forscher in den
Instituten von Universitäten, bei Stiftungen und Initiativen zurückgreifen.
Dazu wäre unter neuen organisatorischen Rahmenbedingungen die Gründung
eines Forschungsverbundes zum SED-Unrecht sinnvoll.
Dadurch würde insbesondere eine stärkere Einbeziehung der Stasiopfer und
Oppositionellen in der früheren DDR sichergestellt. Die
Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Mitarbeitergruppen in der
Birthler-Behörde lassen erahnen, dass diejenigen nur noch eine
untergeordnete Rolle bei der Aufarbeitung der Stasivergangenheit spielen,
die es überhaupt erst möglich gemacht haben, dass noch so viel Material zur
Aufarbeitung vorhanden ist.
Es ist absurd, der Union zu unterstellen, sie wolle mit der Überführung der
Birthler- Behörde in das Bundesarchiv die Aufarbeitung zu einem Ende
führen. Wir wollen für den Prozess der Aufarbeitung gerade zusätzliche
Kompetenz gewinnen, um ihn weiter zu verbessern.
Es bleibt jedoch die Frage, ob bisher alles an Erkenntnissen zutage
gefördert wurde, was möglich war. Wer ausschließlich ehemalige
Stasimitarbeiter mit der Recherche nach Hinweisen auf Gregor Gysi und
Manfred Stolpe in den Stasiakten beauftragt, und wer die historische und
möglicherweise strafrechtliche Bedeutung von Dokumenten nicht richtig
bewertet, darf sich nicht beschweren, wenn solche Fragen gestellt werden.
Noch ein Gedanke zur aktuellen Debatte: Man hatte in den letzten Jahren
manchmal den Eindruck, als ob ein Erinnern an Schießbefehl und
Stasiverbrechen als störend beim deutsch-deutschen Prozess des
Zusammenwachsens empfunden wird. Zu Aufarbeitung und Lehrenziehen - das sei
dem Kollegen Thierse ins Stammbuch geschrieben - gehört auch eine klare
Abgrenzung von den SED-Nachfolgern und kein Koalieren, ob in Berlin oder
anderswo.
Vor diesem Hintergrund ist auch der Vorwurf, zwischen Politikern der CDU
und der Linkspartei gebe es einen Schulterschluss in der Bewertung der
Arbeit der Birthler-Behörde, wirklich peinlich. Solche Mätzchen sollte Herr
Thierse unterlassen.
15 Aug 2007
## AUTOREN
Wolfgang Grindel
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