# taz.de -- Keine Bundesgelder für Mügeln: Sparen, bis es kracht | |
> Der Kreis Torgau-Oschatz, in dem Mügeln liegt, bewarb sich um die | |
> Teilnahme am Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus - und wurde | |
> abgelehnt. | |
Bild: Mügeln nach der Hetzjagd | |
Für den Landrat des Kreises Torgau-Oschatz scheint der Fall klar: So | |
schlimm kann der Rechtsextremismus in der Region um Mügeln nicht sein, | |
meint Robert Schöpp. Schließlich habe sich der Kreis um die Teilnahme am | |
neuen Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus beworben. Allerdings sei der | |
Antrag abgelehnt worden, "weil die Bedürftigkeit in unserem Landkreis nicht | |
bestehe", sagte der CDU-Mann der Lokalpresse. "Offenbar eben weil es solche | |
Probleme bisher nicht gab." | |
Dass sich die Region Mügeln vergeblich um eine Förderung aus dem neuen | |
Bundesprogramm "Vielfalt tut gut" beworben hat, bestätigt auch das | |
zuständige Bundesfamilienministerium. Allerdings sei die Begründung des | |
Landrats unsinnig, sagte ein Sprecher von Ursula von der Leyen (CDU) | |
gestern der taz: "Es war von Anfang an klar, dass das Geld nur für eine | |
begrenzte Zahl von Projekten reicht." | |
Zeigt der Fall Mügeln, dass womöglich die falschen Orte den Zuschlag | |
bekamen? "Da werde ich keine Bewertung abgeben", sagt der Sprecher. | |
Gemeinsam mit den Ländern habe das Ministerium aus 216 Bewerbungen | |
insgesamt 90 Kommunen ausgewählt, die nun jeweils 100.000 Euro für Projekte | |
gegen rechts erhielten. Die leer ausgegangenen Kommunen könnten ja auch | |
ohne Geld vom Bund etwas unternehmen. | |
Das bestreitet auch die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar nicht, die sich | |
mit Strategien gegen Rechtsextremismus befasst. Die Grünen-Politikerin | |
wundert sich allerdings. Und zwar über von der Leyens Reaktion auf den Fall | |
Mügeln: "Von der Ministerin ist nichts zu hören - obwohl in ihrem Haus die | |
Programme anhängig sind. Das sagt einiges." Der Ministerin war auch gestern | |
kein Wort zu Mügeln zu entlocken. "Dazu äußern wir uns nicht", sagte ihr | |
Sprecher. Schließlich seien die polizeilichen Ermittlungen noch nicht | |
abgeschlossen. | |
Stattdessen kündigte die Ausländerbeauftragte der Regierung, Maria Böhmer, | |
ein Treffen mit ihren ostdeutschen Kollegen im Kanzleramt an. Und die | |
Bundeskanzlerin ließ ihren Sprecher verkünden, der Fall Mügeln sei | |
"außerordentlich betrüblich und beschämend". Es sei nicht hinnehmbar, dass | |
in deutschen Städten Menschen durch die Straßen gehetzt werden. Von der | |
Leyen solle bei der Kabinettsklausur über die Programme gegen rechts | |
berichten. | |
Vermutlich hätte es nichts geschadet, hätte sich die Familienministerin | |
zuvor mal bei denen umgehört, die seit 1. Juli versuchen, die Pläne ihres | |
Hauses für den Kampf gegen rechts in die Tat umzusetzen. Denn glücklich | |
sind die bisher nicht. Friedemann Bringt zum Beispiel. Er koordiniert die | |
Mobilen Beratungsteams gegen rechts in Sachsen - also jene Büros in der | |
Provinz, die Bürgermeistern, Schulen oder Vereinen Unterstützung bieten, | |
wenn sie ein Problem mit Neonazis haben. Bei der Evaluierung des 2006 | |
ausgelaufenen Civitas-Programms wurde den Mobilen Beratungsteams genau wie | |
den Opferberatern vorbildliche Arbeit bescheinigt. | |
Doch das neue Programm hat aus Bringts Sicht an der schwierigen Situation | |
für ihre Arbeit vor Ort wenig verbessert. "Uns fehlt nach wie vor die | |
langfristige Planungssicherheit", sagt er. Seine Mitarbeiter hätten nur | |
Verträge bis zum Jahresende. Die Finanzierung für 2008 sei unklar. Niemand | |
koordiniere die verschiedenen Bausteine des neue Bundesprogramms - also zum | |
Beispiel die Zusammenarbeit von Beratungsteams und lokalen Aktionsplänen. | |
"Da wurschtelt jeder vor sich hin." Dass der Bund mit dem Konzept der | |
"Leuchtturmförderung" einzelner Kommunen nun Schwierigkeiten bekommt, | |
verwundert Fachleute nicht. Sie hatten davor gewarnt, das Geld in die Hand | |
einzelner Bürgermeister zu geben - weil die nicht selten Teil des Problem | |
seien. "An der Auswahl der Kommunen wurden wir leider auch gar nicht | |
beteiligt", sagt Bringt. | |
Inzwischen mehren sich die Zweifel daran, dass das Bundesprogramms gegen | |
Rechtsextremismus im Familienministerium in den richtigen Händen ist. So | |
forderte Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in | |
Deutschland, die Zuständigkeit auf das Innenministerium zu übertragen. | |
23 Aug 2007 | |
## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
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