# taz.de -- "Konkret"-Jubiläum: Das Gewissensmagazin | |
> Sie war Studentenblatt, APO-Sprachrohr und Politsex-Magazin. Die | |
> Zeitschrift "Konkret" wird 50 - und ist im Alter Zentralorgan der | |
> Antideutschen. | |
Bild: So sieht sie aus, die Jubiläumsausgabe des Zentralorgan der "Antideutsch… | |
Die Zeitschrift konkret wird 50 Jahre alt. An diesem Satz ist etwas nicht | |
richtig. konkret stimmt, 50 Jahre stimmt. Aber konkret ist eigentlich keine | |
Zeitschrift: Sie ist für die Verkündung von Wahrheit zuständig. Und die | |
Wahrheit ändert sich nicht im Monatsrhythmus. | |
Aktualität spielt für das Blatt daher eine erstaunlich randständige Rolle. | |
Gelegenheitslesern kann es passieren, dass sie in einer Ausgabe blättern | |
und nach einer Viertelstunde merken, dass sie die Augustnummer von 2004 in | |
der Hand halten. Denn wer konkret liest, erwartet nichts Neues, schon gar | |
nichts Zeitgemäßes. Sondern nur die Wiederkehr der immer gleichen | |
Botschaften. | |
Also: Fast alle Politiker in Deutschland sind nationalistische Trottel. Der | |
deutsche Imperialismus ist nicht 1945 endgültig untergegangen, sondern | |
quicklebendig. Die DDR war das bessere Deutschland. Deutsche sind meist | |
Nazis oder zumindest Nationalisten - wenn nicht, wissen sie es bloß noch | |
nicht. Die Grünen sind schon immer Verräter gewesen. Die Linkspartei | |
besteht aus einem Haufen Nationalisten - und so weiter. | |
In konkret wird viel entlarvt und in Grund und Boden kritisiert. Das | |
Lustigste in konkret ist meist die Anzeige des Satiremagazins Titanic. Seit | |
33 Jahren wird konkret von Hermann L. Gremliza geführt, er ist | |
gewissermaßen der Hohepriester linker Distinktionsgesten. Gremlizas ganzer | |
Stolz ist, sich nie mit linken Moden gemein gemacht zu haben. In dieser | |
Unbeirrbarkeit liegt durchaus etwas Großes, oder sagen wir: Deutsches. In | |
der neuen Ausgabe lässt Gremliza "Fehler über Fehler in 50 Jahren Konkret" | |
Revue passieren. Schlimme Fehltritte hat der Herausgeber dabei nicht | |
entdecken können: Vor 25 Jahren hat er einen Antifriedensbewegungstext von | |
Wolfgang Pohrt abgelehnt, der dann in der Zeit erschien. Nun ja. | |
Kritik ist in der konkret etwas, was man der Welt da draußen angedeihen | |
lässt - kein Instrument, das man auf sich selbst anwendet. Dabei hat das | |
Heft ein paar erstaunliche Wandlungen hinter sich. In den 50ern war es ein | |
von der DDR finanziertes Studentenblatt, in den 60ern das Sprachrohr der | |
APO, später machte Ulrike Meinhofs Exmann Klaus Rainer Röhl ein | |
Polit-Sex-Magazin daraus. Die Grundbotschaft blieb fast immer gleich: Die | |
Bundesrepublik verdient alle denkbare Verachtung. Wahrscheinlich steckt | |
hinter dieser Pose die enttäuschte Liebe von Volkspädagogen, auf die nie | |
jemand hören will. | |
Den letzten Gesinnungsschwenk vollzog konkret 1991, als Gremliza für den | |
Irakkrieg Stellung bezog - wegen Israel, das durch Saddam bedroht war. | |
Seitdem ist sie zum Zentralorgan der sogenannten Antideutschen mutiert. Die | |
Glaubenssätze dieser linken Sekte lauten: 1. Wer Israel kritisiert, ist | |
Antisemit. 2. Der Islamismus ist der neue Faschismus. 3. Die USA sind keine | |
bösen Imperialisten, sondern die antifaschistische Schutzmacht gegen den | |
Islamismus. Das klingt ziemlich schrill - kommt aber dem Konsens in der | |
bundesdeutschen Außenpolitik ziemlich nahe, nämlich im Zweifelsfall | |
aufseiten Israels und der USA zu stehen. Deshalb schreiben Antideutsche | |
auch manchmal in Springers Welt. Seltsam, dass dies in konkret niemanden | |
irritiert, wo man doch sonst so viel Wert auf ideologische Abstandshalter | |
legt. Früher hatte in konkret auch linker Antizionismus seinen Platz. Doch | |
statt Selbstkritik zu üben, hat das Blatt die alte Ideologie durch eine | |
neue ersetzt. Und sich damit wieder bequem in einem Weltbild eingerichtet, | |
in dem es wieder moralisch defekte Feinde zu bekämpfen gilt. | |
Und die nächsten 50 Jahre? Sehen für konkret nicht gut aus. Die Linke | |
könnte zwar ein Blatt gebrauchen, das ihr ohne Rücksichtnahme in die Suppe | |
spuckt. Aber nicht mit Gesinnungskanon und in diesem Bescheidwisserton. | |
1 Sep 2007 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Stefan Reinecke | |
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Wolfgang Pohrt | |
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