# taz.de -- Jürgen Trittin: "Die Grünen drängen die Regierung" | |
> Jürgen Trittin über den Sonderparteitag, falsche und richtige Jas und | |
> warum die Parteispitze keinen Konsens für die Entscheidungen über die | |
> Bundeswehr-Mandate finden konnte | |
Bild: Außenminister-Pläne? "Norddeutsche sind von Natur aus zurückhaltend". | |
taz: Herr Trittin, um welchen Krieg geht es auf dem Parteitag: Den in | |
Afghanistan oder den in der Grünenspitze? | |
Jürgen Trittin: Auslöser für den Parteitag war, dass 44 Kreisverbände der | |
Auffassung gewesen sind, die Mehrheit der Bundestagsfraktion - zu der ich | |
nicht gehörte - habe mit ihrer Zustimmung zu dem Tornado-Mandat gegen den | |
Parteitagsbeschluss von Köln verstoßen. | |
In letzter Zeit gewinnt man den Eindruck, es geht nicht mehr um Tornados, | |
sondern darum, wer bei der nächsten Wahl Spitzenkandidat wird. | |
Das wird sehr stark von außen herangetragen. Es gibt unterschiedliche | |
Meinungen in der Partei und der Fraktion wie übrigens auch in der Partei | |
selbst. | |
Was genau ist Ihre Meinung? | |
Unsere Kernbotschaft lautet: Die Grünen drängen die Bundesregierung zu | |
einem Strategiewechsel. Sie muss den Antiterrorkampf Operation Enduring | |
Freedom (OEF) dort beenden. Wir sind für die Verdoppelung der Hilfe beim | |
Aufbau und seiner militärischen Absicherung durch die Schutztruppe Isaf. | |
Wir wollen den Erfolg von Isaf, dafür muss die Afghanistanpolitik der | |
Regierung geändert werden. | |
Stammt die ursprüngliche Kompromissidee, mit "Enthaltung" zu stimmen, von | |
Ihnen? | |
Da die Bundesregierung nun um ihre eigenen Tornado-Kritiker zu | |
disziplinieren, die Mandate für Isaf und Tornados zusammengelegt hat, | |
stellt sich für uns die Frage, wie wir unsere differenzierte Kritik am | |
besten ausdrücken können. Ich habe die Frage aufgeworfen, ob diejenigen, | |
die immer für die Isaf gestimmt haben, und diejenigen, die wegen der | |
Defizite in der zivilen Hilfe und der Tornados dagegen stimmen wollten, | |
sich auf eine Enthaltung einigen könnten. Ich muss zur Kenntnis nehmen, | |
dass eine Reihe potenzieller Neinsager und potenzieller Jasager bereit | |
waren, von ihrer Position Abstand zu nehmen, um sich zu enthalten - aber | |
nicht alle. | |
Wieso wurde der Vorschlag verworfen? | |
Für eine taktische Enthaltung gab es keinen Konsens. Das geht nur im | |
Konsens - nicht mit Mehrheit. | |
Sie meinen Renate Künast, Fritz Kuhn, Reinhard Bütikofer? | |
Es gab keinen Konsens in der Fraktion. | |
Der "Konsens", den sie gefunden haben, lautet so: Die Jastimmer bei den | |
Grünen müssen klarmachen, dass es sich um ein "richtiges" Ja handelt, bei | |
Nein genauso. Können Sie erklären, was ein "richtiges" von einem "falschen" | |
Ja unterscheidet? | |
Ein falsches Nein wäre eines, dass darauf hinaus läuft, das internationale | |
Engagement in Afghanistan abzubrechen. Ein falsches Ja wäre, dass man | |
Bundesregierung einen Freifahrschein gibt, so weiterzumachen wie bisher, | |
also ohne sich dafür einzusetzen, dass die kontraproduktiven Operationen | |
der Amerikaner eingestellt werden. | |
Parteikollegen glauben, Sie gäben ihre Tornado-Ablehnung aus | |
Karrieregründen auf. | |
Alles Unsinn. Bei mir gibt es eine große Kontinuität: Ich habe als | |
Regierungsmitglied und in der Opposition immer für die Isaf gestimmt - und | |
ich habe letztes Jahr erstmals die Nichtzustimmung zur OEF der Grünen | |
gefordert und durchgesetzt. | |
Selbst Leute aus Ihren Reihen mahnen: Wegen sechs harmlosen | |
Aufklärungsflugzeugen solle man nicht den ganzen State-Building-Prozess in | |
Afghanistan in Frage stellen. | |
Ob die Tornados harmlos sind, hat die Regierung nicht belegt, ebenso wenig | |
wie ihren Nutzen. Die zugesagte Evaluierung durch die Bundesregierung steht | |
aus. Unser Wissen basiert auf eigenen Reisen nach Afghanistan. Ich zum | |
Beispiel war mit Winfried Nachtwei und Renate Künast vor Ort. Warum soll | |
der Tornado-Einsatz nicht, wie im Frühjahr zugesagt, Ende dieses Jahres | |
auslaufen, sondern bis September 2008 verlängert werden? Warum stehen die | |
versprochenen Drohnen nicht zur Verfügung? | |
Wie werden Sie stimmen? | |
Ich bewerte Mandate, wenn sie vorliegen. Einer Verlängerung der OEF im | |
November sage ich aber in der Fraktion eine schlechte Chance voraus. | |
Sehr diplomatische Antwort - üben Sie schon für das Amt des Außenministers? | |
Norddeutsche sind von Natur aus zurückhaltend. | |
INTERVIEW: KATHARINA KOUFEN | |
13 Sep 2007 | |
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