# taz.de -- Sonderparteitag: Grüne streiten über Afghanistan | |
> In der Frage des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr sind die Meinungen | |
> der Parteioberen so differenziert, dass kaum mehr einer durchblickt. | |
Bild: Zumindest bei attac herrscht eine kleine Meinung. | |
BERLIN taz Kosovo? Farbbeutelattacken? Nein, diesmal sei alles ganz anders, | |
antworten führende Grünen-Mitglieder, wenn man sie nach dem Streit über | |
Afghanistan fragt. Dann betont Fraktionschefin Renate Künast "das | |
eigentlich hohe Maß an Übereinstimmung", dann freut sich die | |
Parteivorsitzende Claudia Roth "über die Diskussionsfreudigkeit", die ja | |
schon immer ein Markenzeichen der Grünen war. Aber bitte keine Parallelen | |
zum erbitterten Streit von 1999, als die Bundeswehr in den Kosovo geschickt | |
wurde. Auf jenem legendären Parteitag von Bielefeld bewarf ein Grüner den | |
damaligen Außenminister Joschka Fischer mit roter Farbe. | |
Acht Jahre später gibt es wieder einen umstrittenen Bundeswehreinsatz - | |
diesmal in Afghanistan, und es gibt einen Sonderparteitag zu dem Thema - | |
diesmal in Göttingen. Und es gibt wieder einen Streit, der - grob gesagt - | |
zwischen Basis und Spitze verläuft, und innerhalb der Spitze zwischen | |
linkem und Realo-Flügel. Was es nicht gibt: einen Leitwolf wie Joschka | |
Fischer. Deshalb verkompliziert die Lage diesmal noch die Rivalität | |
zwischen den fünf Anwärterinnen und Anwärtern auf die Führung bei den | |
Grünen. Jeder hofft, aus der Debatte Kapital zu schlagen, jeder würde gerne | |
als Spitzenkandidat in den Wahlkampf 2009 ziehen. | |
Gerüchten zufolge haben Jürgen Trittin und Renate Künast die besten Chancen | |
auf den Kandidatenposten. Trittin würde auch vom linken Flügel getragen. | |
Vor allem Künast und Roth haben aber kein Interesse an einem Aufstieg des | |
Rivalen in eine Führungsposition: Künast, weil sie dann als Kandidatin zur | |
Disposition stünde, und Roth, weil sie als Parteilinke aus Proporzgründen | |
wohl kaum zu halten wäre. | |
Inhaltlich geht es nicht mehr so sehr um die grundsätzliche Frage, ob die | |
Bundeswehr sich an Auslandseinsätzen beteiligen soll. Das war in Bielefeld | |
1999 noch anders, auch auf dem Parteitag im November 2001 in Rostock, als | |
der Anti-Terror-Krieg in Afghanistan auf der Tagesordnung stand. Diesmal | |
stünde der Wunsch nach Information und differenzierter Aussprache im | |
Vordergrund, berichten die Fraktionsmitglieder. | |
In der Tat sind die Meinungen innerhalb der Partei so differenziert, dass | |
kaum einer mehr durchblickt. "Die Grünen bräuchten eigentlich ein | |
Multiple-Choice-Verfahren", spottet ein SPD-Außenpolitiker. Denn anders als | |
im Bundestag mit seinen zwei Mandaten stehen in Göttingen vier einzelne | |
Punkte zur Abstimmung: Der Anti-Terror-Einsatz OEF - hier wird die | |
überwiegende Mehrheit mit Nein stimmen. Der Einsatz der Tornado-Aufklärer - | |
hier sind Partei und Fraktion gespalten. Die weitere Beteiligung an der | |
Isaf-Schutztruppe - die meisten sind dafür. Und der zivile Wiederaufbau, | |
der als Konsens gilt. | |
14 Anträge und jede Menge Änderungswünsche werden dem Parteitag vorliegen. | |
Sie reichen von einem abgeschwächten "weiter so" beim Isaf-Einsatz bis hin | |
zum "Bundeswehr raus aus Afghanistan". Daneben fordert etwa der | |
Kreisverband Nordhausen die "Lieferung alternativer Energietechnik für die | |
Stromherstellung". Antrag Nummer 13 verlangt die "Missbilligung" derjenigen | |
Fraktionsmitglieder, die im März für den Tornado-Einsatz stimmten. "Der | |
Parteitag fordert die Abgeordneten der Fraktion im Bundestag auf, sich an | |
Beschlüsse der Bundesdelegiertenkonferenzen zu halten." Hätten die | |
Abgeordneten das schon bei der letzten Abstimmung im Bundestag getan, hätte | |
die Partei so viel Geld gespart, wie ein Einfamilienhaus kostet. Denn nur | |
wegen der Kritik an der Zustimmung von 26 Grünen zum Tornado-Einsatz war | |
der teure Parteitag ins Leben gerufen worden. Wie sich die 51 | |
Grünen-Parlamentarier bei der im Oktober anstehenden Isaf-Abstimmung an ein | |
Votum des Parteitags halten sollen - das ist schon im Vorfeld von Göttingen | |
rätselhaft. | |
Egal, wie differenziert die Grünen dort entscheiden werden - im Bundestag | |
sind die Möglichkeiten auf die zwei Mandate Isaf und OEF begrenzt. Und | |
abstimmen kann man nur mit Ja, Nein oder Enthaltung. | |
14 Sep 2007 | |
## AUTOREN | |
Katharina Koufen | |
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