# taz.de -- RAF: Das Geschäft mit dem Terror | |
> In Köln versuchten Wolfgang Kraushaar, Gerhart Baum und Jan Philipp | |
> Reemtsma eine "Revision des linken Terrorismus". Hätte spannend sein | |
> können - wurde eine Verkaufsveranstaltung. | |
Bild: Immer gut zu verkaufen: Baader (l), Ensslin und die RAF überhaupt. | |
Köln taz Richtig lebendig wurde es nur einmal, kurz vor Schluss. Da sah | |
sich Gerhart Baum genötigt, doch noch etwas zu den von Stefan Aust unlängst | |
präsentierten Vorwürfen zu sagen, dass die Stammheimer Gefangenen 1977 bis | |
zu ihrer Selbsttötung abgehört worden sein könnten. Empört warf der | |
damalige Staatssekretär Baum dem Spiegel-Chefredakteur vor, seine "reine | |
Spekulation" nicht erst "wirklich ausrecherchiert" zu haben, bevor er sie | |
der Öffentlichkeit präsentierte. Da sah sich sogar der ansonsten stets | |
konziliante Wolfgang Kraushaar zum Widerspruch herausgefordert: "Es ist zu | |
einfach zu sagen, das ist das Problem der Journalisten, das | |
auszurecherchieren." Damit war der Disput leider auch schon beendet. | |
Ansonsten übten sich die Diskutanten am Mittwochabend im ausverkauften | |
Kölner Literaturhaus in gepflegter Plauderei. Dabei war das Thema der | |
Veranstaltung nicht gerade unbescheiden gewählt: "Eine Revision des linken | |
Terrorismus" - um nicht weniger sollte es gehen. "Um die RAF und die mit | |
ihr kooperierenden Gruppen besser begreifen zu können, ist es nötig, das | |
bislang existierende Bild vom linken Terrorismus zu erneuern und zu | |
erweitern", hieß es in der Einladung. Dies zu leisten angetreten waren also | |
Baum, Kraushaar und Jan Philipp Reemtsma. Aber warum nur? | |
Obwohl sie erkennbar in zahlreichen Fragen nicht einer Meinung sind, so | |
wollen sie doch auch nicht richtig miteinander streiten. Lieber flüchteten | |
sie sich in Allgemeinplätze. Ein Beispiel: die Frage, was eigentlich die | |
Desperados des "bewaffneten Kampfes" zu selbigen gemacht hat? Während | |
Reemtsma psychologische Erklärungsversuche der "Lebensform Terrorismus" | |
bemühte, warnte Baum vor einer solchen Entpolitisierung: "Wir sollten nicht | |
den Fehler begehen, das von der politischen Ebene wegzuziehen." Jetzt hätte | |
es zur Sache gehen können. Ging es aber nicht. Stattdessen sagte Kraushaar: | |
"Es gibt keine monokausale Erklärung für den Terrorismus." Fall erledigt. | |
So huschten die drei routiniert von einer Fragestellung zur anderen, ohne | |
auch nur eine einzige zu vertiefen - von Dostojewskis "Dämonen" (Reemtsma: | |
"Idealtyp einer Terrorgruppe"), über die Studentenbewegung (Kraushaar: "Es | |
wäre ein großer Fehler, aus der RAF ein Pars pro Toto für 68 zu machen"), | |
den Spezialfall Horst Mahler (Kraushaar: "Die Spinne im Netz der RAF"), den | |
mehr als latenten Antisemitismus von Teilen der "Bewegung" sowie die | |
"partielle Mitverantwortung" des Staates an der Gewalteskalation (Baum: "Es | |
hat auch Überreaktionen gegeben") bis hin zum heutigen Terrorismus von | |
al-Qaida & Co. Alles wurde mal gestreift, nichts blieb wirklich hängen. | |
Wie üblich unhinterfragt blieb mal wieder Baums Elder-Statesman-Rolle des | |
verständnisvollen Linksliberalen, der auf der einen Seite den Rechtsstaat | |
verteidigt und auf der anderen in Bezug auf die RAF-Mitglieder dann Sätze | |
wie diese sagt: "Wenn man leben wollte, musste man eine Bank überfallen und | |
konnte nicht zum Arbeitsamt gehen." Mag sein, aber was hätte die | |
Bundesrepublik Menschen, die andere umgebracht haben, denn seiner Meinung | |
nach sonst "anbieten" sollen? Wohlfeiles Geschwätz, mehr nicht. | |
Dabei hätte es ein durchaus spannender Abend werden können. Die | |
Veranstalter hätten nur jene Handvoll freundlicher junger Leute | |
hereinbitten müssen, die vor der Tür eifrig ihre Flugblätter verteilten. | |
"Das Terrormonopol und die letzten Gefangenen der RAF" waren die Zettel | |
überschrieben. "Der Terrordiskurs aus dem Hause Reemtsma, Spiegel und den | |
Rundfunkanstalten dämonisiert die Stadtguerilla der Siebzigerjahre, eine | |
ganze Generation von Militanten nach 1967", war darin zu lesen. So werde | |
die Debatte "absichtlich verengt auf die militaristische Praxis, die in der | |
militanten Linken von Anfang an kritisch diskutiert" worden sei. Damit | |
wolle man "militanten Widerstand in seiner Gesamtheit diskreditieren - | |
damals wie heute". Es gibt ihn also immer noch, jenen legendären | |
"Sympathisantensumpf" mit seiner militant-revolutionären Rhetorik, über den | |
Reemtsma auf der Veranstaltung sagte: "Die Gruppe braucht ein Umfeld, das | |
sagt, das sind welche von uns." Das wäre es doch gewesen: Einmal zu | |
versuchen, mit jenen "Linken" zu streiten, die heute noch so drauf sind wie | |
Kraushaar seinerzeit in der Frankfurter "Sozialistischen | |
Hochschulinitiative" - und denen er, Reemtsma & Co. ansonsten immer nur | |
vorwerfen, nichts dazugelernt zu haben. Doch man blieb lieber unter sich. | |
Zwei Bände, 78 Euro | |
Im Laufe des Abends konnte man das Gefühl bekommen, sich auf einer | |
Verkaufsveranstaltung für das von Kraushaar herausgegebene zweibändige | |
1.415-Seiten-Epos "Die RAF und der linke Terrorismus" (78 Euro) zu | |
befinden. Durchaus mit Erfolg: War der Diskussionsbedarf des zahlreich | |
erschienenen Publikums - überwiegend gut situiertes Alt-68er-Milieu - nach | |
geduldigem zweistündigem Zuhören innerhalb von nur zehn Minuten schnell | |
befriedigt, dauerte die Bewältigung des Andrangs am aufgebauten Büchertisch | |
erheblich länger. RAF sells. | |
14 Sep 2007 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Pascal Beucker | |
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FDP | |
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