# taz.de -- Kommentar Fischer und Schröder: Lästiges Erbe der Super-Egos | |
> Die SPD kritisiert die Agenda 2010 und wendet sich damit von ihrem | |
> bisherigen Kurs ab. Schröder und Fischer bangen um ihr politisches Erbe. | |
Die Gleichzeitigkeit ist erstaunlich: Bei den Grünen kämpft Joschka Fischer | |
um sein außenpolitisches Erbe; bei der SPD muss Exkanzler Gerhard Schröder | |
erleben, dass sich Parteichef Kurt Beck von der Agenda 2010 distanziert. | |
Die beiden Super-Egos Fischer und Schröder reagieren gekränkt, dass ihre | |
Vergangenheit nicht die Zukunft Deutschlands bestimmen soll. | |
Bei den Grünen spielte es auf dem Sonderparteitag zu Afghanistan explizit | |
eine Rolle, dass man sich als Opposition nicht wie eine Regierungspartei | |
verhalten könne - auch deswegen wurde der Tornado-Einsatz abgelehnt. | |
Insofern ist die SPD der spannendere Fall, weil sich hier eine | |
Regierungspartei von ihrer eigenen Regierungspraxis verabschiedet. | |
Mit ihrer Kritik an der Agenda 2010 geht die SPD ein Risiko ein - und die | |
Partei ist gespalten, ob sich das lohnt. Parteivize Jens Bullerjahn hat | |
gewarnt, dass die SPD "die Linke niemals links überholen" kann. Stimmt. | |
Aber Beck muss nicht nur die Linke fürchten. Viel schlimmer: Auch die CDU | |
könnte links an der SPD vorbeiziehen. Der Parteitag in Dresden hat | |
vorgeführt, wie flexibel die CDU sozialpolitisch sein kann. Und die jüngste | |
Rede von Bundespräsident Horst Köhler hat gezeigt, dass selbst neoliberal | |
geprägte Politiker entdecken, dass die Einkommensverteilung in Deutschland | |
krass ungerecht ist. | |
Sozialpolitik kommt in Mode. Da reicht es für die SPD nicht mehr, nur für | |
einen Mindestlohn zu plädieren. Bisher hat Beck versucht, den Moderator zu | |
geben und zwischen den SPD-Linken und den Schröder-Fans zu vermitteln. | |
Diesen Schlingerkurs hat er nun aufgegeben, auch wenn er rhetorisch | |
Schadensbegrenzung betreibt und den Exkanzler lobt. Beck reagiert auf eine | |
Epochenwende: Der momentane Konjunkturaufschwung ist der erste Boom, in dem | |
die Armut wächst. | |
Schröder und Fischer waren Rhetoriker des apokalyptischen Sachzwangs. Nur | |
ihr Kurs könne eine drohende Katastrophe abwenden; nur sie würden die | |
Realitäten erkennen. Insofern ist es ironisch, dass es nun die unleugbare | |
Realität der wachsenden Armut ist, die die SPD zwingt, sich von der Agenda | |
zu verabschieden. Schröder, der Beschwörer des Sachzwangs, wird vom | |
Sachzwang geschlagen. | |
4 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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