# taz.de -- Kommentar Literaturnobelpreis: Eine Verengung der Literatur | |
> Doris Lessing, die "große alten Dame der Literatur", hat den Preis | |
> verdient. Doch die Erfahrung zeigt - hier wird vielmehr ein Thema, als | |
> ein Autor ausgezeichnet. | |
Bild: Wurde gegen ihren Willen zum Inbegriff des Feminismus: Doris Lessing. | |
Die Verdienste, die sich Doris Lessing um das moderne Erzählen erworben | |
hat, sind unbestritten. Längst nimmt sie eine Position ein, die gern mit | |
dem Wort von der "großen alten Dame der Literatur" umschrieben wird. Davon | |
gibt es nicht so viele; insofern wäre man geradezu verbrettert, würde man | |
sich nicht mit ihren Leserinnen und Lesern über den Nobelpreis freuen - und | |
natürlich auch mit ihrem Neffen Gregor Gysi, der in Berlin gleich nach | |
Bekanntwerden der Entscheidung vollkommen begeistert eine Pressekonferenz | |
anberaumte. | |
Neben dieser Freude ist aber auch ein Wort über die Schwedische Akademie | |
fällig. Deren Jury traf zuletzt einige Entscheidungen, die die Vermutung | |
nahe legen: Hier wird vor allem eine Literatur ausgezeichnet - und damit | |
über die unweigerlich folgende Medienpräsenz sichtbar gemacht -, die man | |
mit außerliterarischen Themen verknüpfen kann. Als Orhan Pamuk 2006 den | |
Preis erhielt, stellte alle Welt seine Mittlerstellung zwischen Ost und | |
West heraus. 2004 führte sich Harold Pinter als Preisträger wie ein | |
glühender Antiamerikaner auf. Und in der Liste der vergangenen Jahre gab es | |
einfach ein paar Autoren zu viel, deren Literatur schnell mit politischer | |
Opposition zu verknüpfen war. | |
Nichts gegen Dissidenz. Aber die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigt, | |
dass in solchen Fällen eher über das jeweilige Thema als über die Bücher | |
der Preisträger gesprochen wurde. Bei Doris Lessing, der Autorin des | |
"Goldenen Notizbuches", kann man darauf wetten, dass nun noch einmal die | |
Geschichte des Feminismus aufgearbeitet wird. An sich ist das keine | |
schlechte Idee. Aber dafür braucht man keinen Literaturnobelpreis. | |
Wer die Aufmerksamkeit für Literatur über außerliterarische Themen | |
legitimiert, der verengt die Sicht auf die Literatur. Alle Gewissheiten | |
einer Revision zu unterziehen - das kann Literatur leisten, indem die | |
Autoren sich immer aufs Neue selbst hinterfragen. Doris Lessing etwa hat | |
das getan, indem sie sich mit Hilfe der Literatur aus den kommunistischen | |
Gewissheiten ihrer jungen Jahre herausarbeitete. Der Zweifel bleibt, ob die | |
Schwedische Akademie sich ihres Literaturbegriffs nicht zu gewiss ist. | |
11 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Literaturnobelpreis für Doris Lessing: Krönung einer Rebellin | |
Die britische Schriftstellerin Doris Lessing erhält in diesem Jahr den | |
Literaturnobelpreis. "Das ist wie ein Royal Flush beim Pokerspiel", sagt | |
die 87-jährige. |