# taz.de -- Der Kampf gegen den Hunger: Erdnussbutter für Afrika | |
> Äthiopien, einst heimgesucht von Hungerkatastrophen, könnte bald | |
> Lebensmittel in andere Länder Afrikas liefern. Ein hoffnungsvolles | |
> Beispiel. | |
Bild: Hat eine bessere Zukunft vor sich: Kind in Addis Adeba. | |
Bis vor kurzem benutzten eigentlich nur Esel und Pferde die Straße in | |
Legetafo. Selten fuhr ein Auto durch das Dorf in 2.800 Meter Höhe, nur | |
fünfzehn Kilometer von der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba entfernt. | |
Aber in der letzten Zeit kommen immer häufiger Frachtwagen die steile | |
Straße hochgefahren. Ihr Ziel ist die Hilina-Fabrik. Dort wird | |
Erdnussbutter produziert. Keine normale Erdnussbutter, sondern | |
therapeutische, speziell für unterernährte Kinder. | |
Die braune Substanz aus Milch, Erdnüssen, Zucker, Salz und Sojaöl ist mit | |
vielen Mineralien und Vitaminen angereichert. Ein Säckchen von weniger als | |
100 Gramm enthält satte 500 Kalorien. "Plumpy Nut" heißt das neue | |
Wunderessen, das Hilfsorganisationen inzwischen für Hungernde nutzen. Und | |
es kommt ausgerechnet aus Äthiopien, dem Land, das international immer noch | |
vor allem mit den verheerenden Hungersnöten der 70er- und 80er-Jahre in | |
Verbindung gebracht wird. | |
"Eine französische Firma hat damit angefangen, aber wir können es genauso | |
gut machen", erzählt Fabrikdirektor Belete Beyene. "Alle Zutaten gibt es in | |
Äthiopien. Ich musste nur die Maschinen im Ausland kaufen." Die Erdnüsse | |
kommen aus Harrar, der Zucker stammt aus Awash, das Salz aus Afar und das | |
Öl aus Oromia. Die Produzenten dafür sind Kleinbauernbetriebe, die so einen | |
festen Abnehmer und Einkommen haben. Belete Beyene: "Es ist schön, Bauern | |
zu helfen und Arbeitsplätze zu schaffen. Aber das Beste ist noch, dass | |
Äthiopien, Symbol für Hunger, jetzt hilft, Hunger zu bekämpfen." | |
Es soll nicht nur bei Erdnussbutter bleiben. Immer mehr internationale | |
Landwirtschaftsexperten sind davon überzeugt, das Äthiopien imstande ist, | |
sich selbst zu ernähren, sodass Hunger etwas aus der Vergangenheit sein | |
wird - trotz der rasch wachsenden Bevölkerung von inzwischen 80 Millionen | |
Menschen. In Äthiopien leben 53 Millionen Hühner, 29 Millionen Kühe, 24 | |
Millionen Schafe, 18 Millionen Ziegen. Äthiopien hat damit die größte Zahl | |
von Nutztieren aller Länder Afrikas. "In den letzten Jahren haben Bauern | |
neue Anbaumethoden gelernt ", erklärt Aklilu Tafa vom äthiopischen | |
Agrardienst (ESA). "Wenn jetzt die Regierung die starre | |
Landwirtschaftspolitik ändern würde, könnte genug angebaut werden für die | |
eigene Bevölkerung und wahrscheinlich auch für den Export in andere Länder | |
der Region." | |
Die Organisation ESA setzt sich seit mehr als 25 Jahren für die Entwicklung | |
der Landwirtschaft in Äthiopien ein. Sie baut Kooperativen auf und | |
versucht, Bauern zum Eintreten zu bewegen. Im Dorf Sendafa, nicht weit von | |
Addis Abeba, funktioniert diese Art von Zusammenarbeit schon. Ein paar | |
Dutzend einfache Häuser stehen inmitten von Äckern. Kinder spielen im | |
Schlamm, Schafe und Ziegen fressen Gras, während ein paar Esel ein | |
Nickerchen im Stehen machen. Bauern helfen einander auf den Feldern, sie | |
organisieren regelmäßig Schulungen und Versammlungen, bei denen über neue | |
und gemeinsame Projekten diskutiert wird. | |
Jeder Bauer in Sendafa hat Vieh. Jedes Wochenende gehen abwechselnd zwei | |
von ihnen zu Fuß mit den Tieren in die Hauptstadt auf den Markt. Äthiopier | |
lieben Fleisch, und selbst in der Großstadt bevorzugen sie es, ein lebendes | |
Tier zu kaufen und selber zu schlachten - im Hinterhof oder auf dem Balkon. | |
"Jedes Mitglied unserer Kooperative zahlt jeden Monat einen kleinen Beitrag | |
in unsere Kasse, damit wirtschaften wir gemeinsam", erzählt Zeleke Mamo, | |
einer der Kooperativenleiter. "Wir haben gemeinsam ein Pferd zum Pflügen | |
gekauft. Dann geht es schneller, und wir haben mehr Zeit für andere | |
Arbeit." Äthiopien ist von der Bevölkerungszahl her das drittgrößte Land in | |
Afrika. Doch die meisten Bauern besitzen nur winzig kleine Äcker im | |
unwegsamen Hochland. In den Tiefländern dagegen gibt es reichlich Land, das | |
ungenutzt liegt. | |
Wie kann man das ändern? Aklilu Tafa findet, vor allem müsse sich Äthiopien | |
von der Staatswirtschaft der Vergangenheit verabschieden. "Die Regierung | |
sollte auch privates Landeigentum erlauben. Jetzt gehört alles dem Staat, | |
und die Bauern investieren nicht, weil sie keine Sicherheit haben. Sie | |
pflanzen zum Beispiel keine Bäume, weil sie nicht sicher sind, ob sie | |
jemals deren Früchte ernten werden." | |
Dabei sind Bäume das, was Äthiopien am dringendsten braucht. Vor hundert | |
Jahren waren noch 48 Prozent des Landes von Bäumen bedeckt, jetzt sind es | |
nur noch 2 Prozent. Wenn es im Hochland regnet, wäscht das Wasser | |
fruchtbare Erde weg in tiefer gelegene Regionen. Auch die | |
Straßeninfrastruktur ist schlecht und macht es schwierig, Produkte zum | |
Markt zu transportieren. | |
Viele Bauern sind enttäuscht von der Regierung von Premier Meles Zenawi. | |
"Sie ist nur beschäftigt mit dem Konflikt mit dem Nachbarland Eritrea, der | |
Militärintervention in Somalia und der eigenen politischen Opposition. Wir, | |
die den Hunger bezwingen, sind vergessen", meint ein Bauer, der anonym | |
bleiben möchte. Bei den Wahlen 2005 verlor die Regierungspartei trotz | |
Fälschung der Wahlergebnisse erstmals viele Sitze im Parlament. Nicht nur | |
Stadtbewohner wählten die Opposition, sondern auch konservative Bauern. Sie | |
hofften, dass eine neue Regierung vielleicht eine Modernisierung der | |
Landwirtschaftspolitik mit sich bringen würde. | |
Aber zunächst macht das die Privatwirtschaft. Das Büro der Ökonomin Eleni | |
Gabre-Madhin scheint Lichtjahre entfernt zu sein vom klebenden Matsch, dem | |
Geruch von Mist und der Ruhe auf dem Land. Umgeben von neuen Computern, | |
Handys und mit Sicht auf einen der großen Boulevards von Addis Abeba | |
arbeitet sie mit ihren Mitarbeitern an der ersten Getreidebörse Afrikas. In | |
Dezember muss der Handel anfangen. "Äthiopien ist der zweitgrößte Produzent | |
von Mais in Afrika. Trotzdem verhungerten Millionen Menschen im Norden, | |
während es im Süden eine riesige Ernte gab", sagt Eleni Gabre-Madhin. | |
Während ihres Studium an einer US-Universität kam sie auf die Idee von | |
einer Getreidebörse: Überschüsse aus einer Region sollen in andere, | |
unterversorgte gelenkt werden. Die meisten der zehn Millionen | |
Bauernfamilien in Äthiopien kommen selten weiter als bis ins nächste Dorf. | |
Sie haben keine Ahnung, wie hoch der Marktpreis von Getreide ist. Dem soll | |
die Börse nun Abhilfe schaffen: "Wir bauen Lagerhäuser, wo Bauern Getreide | |
abliefern können und wo immer der letzte Preis von der Börse zu sehen ist", | |
erklärt die Ökonomin. | |
Auch bietet die Börse gute Möglichkeiten für Händler. Bei einer sehr guten | |
Ernte können sie einen großen Vorrat kaufen und in Silos aufbewahren; wenn | |
die Ernte mal schlecht ist, kommt dieser Vorrat auf den Markt. "Händler in | |
ganz Afrika haben Interesse gezeigt." | |
Damit könnte auch Äthiopiens ewige Abhängigkeit von internationalen | |
Hilfslieferungen beendet werden. So sind auch Hilfswerke an der Idee | |
interessiert, weil es viel billiger wäre, Nahrung von einem afrikanischen | |
Land in ein anderes zu transportieren, als Notlieferungen aus Übersee | |
einzuführen. Der Erfolg der Börse hänge letztlich an den Bauern, meint | |
Gabre-Madhin. "Wenn es den Bauern gut geht, geht es Äthiopien gut." | |
12 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
Ilona Eveleens | |
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Uganda | |
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