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# taz.de -- Privatisierung der US-Außenpolitik: Ein gutes Geschäft
> Ob Söldnerdienste oder Diplomatie - Stück für Stück versteigert die
> US-Regierung ihre Außenpolitik. Das meistbietende Unternehmen bekommt den
> Zuschlag.
Bild: Privatarmeen übernehmen zunehmend staatliche Aufgaben.
WASHINGTON taz Sie heißen Blackwater, DynCorp oder ArmorGroup, Halliburton,
BearingPoint oder CACI. Und sie verdienen sehr viel Geld mit dem, was die
US-amerikanische Regierung einst selbst erledigte: Krieg führen,
mutmaßliche Terroristen verhören, Diplomaten beschützen, aber auch
diplomatische Gespräche führen und beim nationbuilding helfen.
Der Blackwater-Skandal hat eine schon seit Jahren andauernde Entwicklung in
Erinnerung gerufen: nämlich, dass nicht nur im Irak, sondern überall dort,
wo die USA an militärischen Konflikten beteiligt sind, in Afghanistan,
Kolumbien oder Somalia, eine private Großindustrie vormals staatliche
Aufgaben übernimmt. Selbst im Außen- und Verteidigungsministerium sitzen
inzwischen Privatfirmen, die bestimmte Dienste erledigen. Die USA sind
dabei, Stück für Stück, ihre Außenpolitik an die meistbietenden Firmen zu
versteigern.
Im Auftrag von immer mehr Staaten übernehmen "Contractors", also
Mitarbeiter privater Unternehmen, diplomatische, militärische oder
geheimdienstliche Aufgaben oder leisten Entwicklungshilfe. Nur ein kleiner
Teil von ihnen trägt Waffen. Doch keine Regierung hat diese Auslagerung so
vorangetrieben wie die US-amerikanische.
Anders als Diplomaten und Soldaten, die sich vor Gerichten und Parlamenten
verantworten müssen, sind die "Contractors" nur ihren Bossen verpflichtet.
Bei der UN und an einigen Universitäten werden die Folgen dieser
Entwicklung für künftige internationale Konflikte untersucht.
In den USA haben diese Firmen seit dem Jahr 2001 immens an Bedeutung
gewonnen. Obwohl Kritiker der Bush-Regierung es gerne so darstellen, hat
dieses Outsourcing keineswegs erst mit George W. Bushs Amtsantritt
begonnen, sondern mit dessen Vorgänger Bill Clinton. Befürwortet von einem
isolationistisch gesinnten, republikanisch dominierten Kongress, wollte
dieser beweisen, dass auch Demokraten mit schmalen Budgets effektiv agieren
können.
So erhielt erhielt BearingPoint, der Consulting-Arm der großen
Unternehmensberatung KPMG, bereits in den Neunzigerjahren lukrative
Aufträge von der US-Entwicklungsbehörde USAID. Diese sah sich trotz einer
sinkenden Belegschaft vor wachsende Herausforderungen im ehemaligen
Jugoslawien gestellt. Später, zwischen 2003 und 2005, erhielt BearingPoint
von der überforderten Behörde Aufträge im Umfang von 288 Millionen
US-Dollar für Projekte im Irak.
Dabei übernahm das Unternehmen schnell nicht nur die Ausführung der
Projekte. Vielmehr war es bald dafür zuständig, die behördlichen
Vergabekriterien für die Ausschreibungen beim wirtschaftlichen Wiederaufbau
des Iraks zu formulieren. Kein Wunder, dass BearingPoint die großen
Folgeausschreibungen gewann und sich einen weiteren Auftrag über 80
Millionen Dollar sicherte. Und das, obwohl der USAID-Generalkontrolleur der
Firma Unregelmäßigkeiten nachwies und sie von den
Afghanistan-Ausschreibungen generell ausschloss.
In der Verantwortung der Mitarbeiter von BearingPoint liegt es heute, die
verschiedenen US-amerikanischen Ministerien beim Wiederaufbau im Irak zu
koordinieren - und die amtlichen Gespräche zu protokollieren. Gegenwärtig
läuft eine Ausschreibung der US-Armee, um eine Firma zu finden, die die
vierteljährlichen Fortschrittsberichte über den Wiederaufbau im Irak an den
Kongress verfasst. Der aussichtsreiche Kandidat dafür ist BearingPoint. Bei
einer so geringen Qualitätskontrolle wäre es nicht verwunderlich, wenn
Präsident George W. Bush noch immer wirklich glaubte, er gewinne die
"Herzen und die Köpfe der Iraker".
"Wenn das Weiße Haus die US-Außenpolitik ausverkaufen will, wird sie jemand
kaufen wollen", schrieb die Los Angeles Times Anfang Oktober nach der
Blackwater-Anhörung im Kongress. Erik Prince, Blackwater-Chef, ließ dabei
keinen Zweifel über die Ziele seiner Firma aufkommen: "Wir wollen für den
nationalen Sicherheitsapparat das tun, was FedEx für die Post getan hat."
Die US-Post befördert heute nur noch Briefpost, das Geschäft machen FedEx
und andere private Paketdienste.
Schon jetzt sei es klar, dass der Einsatz privater Sicherheitsfirmen dem
US-Anti-Terror-Kampf "mehr geschadet als genützt" habe, meint Peter W.
Singer vom Think Tank Washingtoner Brookings. Er erforscht den Einsatz
privater Unternehmen bei US-Militäreinsätzen und ist davon überzeugt, dass
Blackwater und Co. die Bemühungen des US-Militärs regelrecht untergraben.
Doch zugleich könnten die Vereinigten Staaten ohne die privaten Dienste
längst gar keinen Krieg mehr führen, weder logistisch noch personell und
politisch, sagt Singer. Die Zahlen scheinen ihn zu bestätigen: Offiziellen
Angaben zufolge sind 160.000 private "Contractors" im Irak tätig, genauso
viele wie US-Soldaten. 50.000 der "Contractors" sind Söldner.
Allerdings unterscheidet die irakische Bevölkerung nicht zwischen Soldaten
und Söldnern. Sie sehen nur aggressive Besatzer, die in einen Verkehrsstau
hineinschießen, wenn dieser die Durchfahrt des VIP-Konvois behindert. "Das
untergräbt jede noch so besonnene vertrauensbildende Maßnahme der Armee",
sagt Singer. Während ein US-Soldat auch mal mit Irakern Karten spielen
soll, muss ein Söldner seinen Auftraggeber nur schnell und sicher von A
nach B bringen.
Dass die "Contractors" sich juristisch meist in einer Grauzone befinden,
ist für die Bush-Regierung ein geringer politischer Preis. Für ihren
Einsatz bedarf es keiner Genehmigung des Parlaments, keiner teuren
Veteranen- und Witwenversorgung, und kein Journalist will wissen, ob ein
Halliburton-Mann genug Urlaub bekommt. Ihre Toten machen keine
Schlagzeilen. So ist den Wählern in den USA kaum bekannt, dass nicht nur
etwa 3.800 US-amerikanische Soldaten bislang im Irak starben, sondern auch
rund 1.000 US-Söldner.
18 Oct 2007
## AUTOREN
Adrienne Woltersdorf
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