# taz.de -- Kommentar Kinderstudie: Aufstieg, ja bitte! | |
> Schon Acht- bis Elfjährige finden sich laut einer Studie damit ab, in die | |
> Unterklasse hineingeboren zu sein. Das kann und darf sich kein | |
> Gesellschaft leisten. | |
Bild: Glücklich? | |
Jüngst bekam die Nation einen Eindruck, wie die soziale Lage bei Kindern | |
ist. "Ich will mal Hartz IV werden", antwortete ein Junge auf die Frage, | |
wos denn mal hingehen soll in seinem Leben. Es war die Reportage aus einer | |
Sonderschule, in der ein Pädagoge ganz offiziell das Lernziel ausgegeben | |
hatte: Vorbereiten auf Sozialhilfe. | |
Keine schöne Sache, dachten viele, aber eben ein Einzelfall. Die neue | |
Kinderstudie der Bielefelder JugendforscherInnen Andresen und Hurrelmann | |
zeigt nun: Dieser Fall ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Nur jedes | |
fünfte Unterschichtenkind äußert den Wunsch, Abitur zu machen. Der Rest hat | |
sich damit abgefunden, sein Leben auf unteren Positionen zu fristen. | |
Aufstieg, nein danke! | |
Viele Studien von OECD, Deutschem Jugendinstitut oder Hochschulforschern | |
haben in den vergangenen Jahren auf den empörend engen Zusammenhang von | |
Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland hingewiesen. Dennoch ist dieser | |
schwerwiegende Befund "Unterklasse bleibt Unterklasse" neu - denn er stammt | |
aus Interviews mit Kindern und offenbart: Schon Acht- bis Elfjährige finden | |
sich mit ihrem vermeintlichen Schicksal ab. Das dürfen wir nicht hinnehmen. | |
Denn der Zusammenhalt der Gesellschaft steht auf dem Spiel, wenn ein nicht | |
eben kleiner Teil von Jugendlichen heranwächst, der sich nicht mehr weiter | |
entwickeln will. | |
Das Leitmotiv Gerhard Schröders "Lasst mich hier rein, ich will nach oben!" | |
mag grob sein. Doch genau das brauchen wir. Sonst weht ein Hauch von | |
"Marienthal" durch die Bundesrepublik. In dem "soziographischen Versuch | |
über die Wirkungen lang andauernder Arbeitslosigkeit" hatte man 1933 unter | |
den Familien der Joblosen fast nur noch Resignierte, Verzweifelte und | |
Apathische gefunden. Das war damals schon nicht akzeptabel, im 21. | |
Jahrhundert kann sich das keine Gesellschaft leisten - aus ethischen, | |
demokratischen und auch aus wirtschaftlichen Gründen. Wir dürfen nicht | |
tatenlos zusehen, wie sich 10-Jährige aufgeben. Die Botschaft an sie muss | |
heißen: Wir brauchen euch. Jeder kann es schaffen! | |
24 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Christian Füller | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Studie zu Leistungsdruck bei Kindern: Ostkinder sind glücklicher | |
Deutsche Kinder stehen immer stärker unter Druck. Fast die Hälfte der 6- | |
bis 12-Jährigen kommt vor lauter Lernen kaum noch zu anderen Dingen. | |
Glücklich sind sie dennoch. | |
Interview mit Hort-Erzieherin: Mehr Geld, mehr Freunde | |
Der Freundeskreis, das Spielzeug, die Hobbys: Die finanziellen Verhältnisse | |
der Eltern wirken sich schon früh auf ihre Kinder aus. |